„Wer Single ist, ist selber schuld“
Die These des Paar-Beraters Michael Mary betrifft 17 Millionen Deutsche. Liegt’s wirklich an ihnen, dass sie keinen Partner haben – oder woran sonst?
AZ: Herr Mary, Ihr aktueller Lieblingssatz ist: „Wer Single ist, ist selber schuld!“ Glauben Sie das wirklich?
MICHAEL MARY: Es wird doch keiner gezwungen, Single zu sein. Wir leben ja nicht mehr in den 20er Jahren, als Lehrerinnen gar nicht heiraten durften und allein blieben mussten. Also: Es liegt am Single, wenn er keinen Partner hat, an wem denn sonst?
17 Millionen Deutsche leben allein – sind die alle zu dumm einen Partner zu finden?
Mit dumm hat es nichts zu tun, eher mit stur. Bei den Mengen an Singles aller Altersstufen, bei den vielen Möglichkeiten, unter Menschen zu gehen oder übers Internet Kontakte zu knüpfen – da ist es schon eine besondere Leistung, keinen Partner zu finden. Das Problem ist: Diese Menschen suchen alle nach dem „Richtigen“.
Ein berechtigter Wunsch!
Ein großer Unsinn. Die Leute haben ein hinderliches Bild im Kopf: Welche Haarfarbe der Partner haben, wie er sich bewegen, wie er beim Sex sein soll, was er anhaben, verdienen, von Beruf sein soll. Wer dem Idealbild nicht entspricht, wird sofort aussortiert. Dann kann man weiter auf den Richtigen warten und klagen, dass er nicht kommt.
Soll man denn auch mit Menschen ausgehen, die gar nicht ins Beuteschema passen?
Natürlich sollte man von seinem Gegenüber emotional angezogen sein. Aber dann geht es darum, sich einzulassen, auch wenn es nicht überall perfekt passt.
Dann sind Frust und Dauerzoff doch programmiert...
Ein Beispiel aus meiner Praxis: Da kommt ein Mann, der erzählt „ach, diese Frau ist soundso, das Genörgel hatte ich schon mal, das muss ich nicht nochmal haben ...“ Im ersten Fall hat er sich vom Acker gemacht, jetzt ist er wieder dabei, davonzulaufen und sich den Auseinandersetzungen nicht zu stellen. Das ist das Problem: Man will seine Individualität behaupten, das ist auch gut so. Nur, die muss man
Das Single-Dasein als Chance sehen?
Natürlich. Es gibt sehr gute Gründe, Single zu sein. Das Verarbeiten alter Beziehungen, die Chance, Eigenständigkeit zu lernen, die Möglichkeit, sich dem Job, Hobbys und Freunden zu widmen, oder sein Geld allein auszugeben. Wer sich das klar macht, kommt aus der Opfer-, Selbstmitleids- und Klagenummer raus und steht dazu.
Sind eigentlich Männer oder Frauen eher bereit zu Zugeständnissen?
Frauen machen Kompromisse bis sie 40 sind. Männer fangen in dem Alter erst an.
Manche Frauen sind so offensiv auf Partnerjagd, dass Männer gleich die Flucht ergreifen. Was können sie besser machen?
Die Bedürfnisse des anderen wahrnehmen und anerkennen. Eine Beziehung muss für zwei Platz bieten, sonst lohnt sie nicht.
Wie geht das?
Auseinandersetzen. Zu beidem – zur Liebe und zur Unterschiedlichkeit – stehen. Und üben, bis die eigene Beziehungsform gefunden ist.
Buchtipp
Michael Mary (www.michaelmary.de): „Lebt die Liebe, die ihr habt. Wie Beziehungen halten“ (rororo).
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