Wenn aus Feinden Freunde werden
München - Sie schlafen Seite an Seite und sind auch sonst unzertrennlich: Im Zoo der russischen Schwarzmeerstadt Geledschik haben ein junger Leopard und eine kleine Bergziege Freundschaft geschlossen – obwohl Zicklein „Warwara“ für die Raubkatze eigentlich zur natürlichen Beute gehört.
So ungewöhnlich diese Paarung klingt, sie sei leicht zu erklären, sagt Josef H. Reichholf, Zoologe, Sachbuchautor und langjähriger Abteilungsleiter der Zoologischen Staatssammlung München. „Wenn Tiere verschiedener Arten gemeinsam aufwachsen, kommt es bisweilen zu einer Geschwisterprägung. Sie betrachten einander dann als Artgenossen.“
Und sie lernen, missverständliche Signale des anderen zu deuten. Katzen etwa, in deren Welt hektische Schwanzbewegungen Aufregung und Angriffsbereitschaft bedeuten, begreifen, dass dasselbe Verhalten bei Hunden ein Zeichen von Freude ist.
Manchmal ist der ungleiche Gefährte aber auch Mutter-Ersatz – wie bei Jung-Henne Elfriede aus dem ostwestfälischen Hiddenhausen, die Schaf-Dame Ilse nicht mehr von der Seite wich.
Elfriedes Mutter hatte sich nicht um ihr Küken gekümmert. In seiner Not kletterte das frierende Mini-Huhn auf den kuscheligen Woll-Rücken des Schafs und machte es sich dort gemütlich – der Beginn einer flauschigen Symbiose.
Sogar ins Fernsehen, genauer gesagt in die ARD-Sendung „Panda, Gorilla & Co.“, schafften es Kragenbärin Mäuschen und Katze Muschi aus dem Berliner Zoo. Die kleine schwarze Katze war eines Tages auf dem Bärenfelsen im Tierpark aufgetaucht und hatte Mäuschens Mutterinstinkte geweckt. „Welpenschutz“ nennen Experten wie Professor Reichholf dieses Verhalten.
„Man kann es auch bei Hunden, sogar bei Rüden, beobachten“, sagt er. „Sie erkennen, selbst bei einer anderen Art, wenn es sich um ein Jungtier handelt und schützen dieses teilweise sehr heftig.“ Auch Mäuschen verteidigte „ihr“ Kätzchen vehement gegen die anderen Bären, ließ es zwischen ihren Tatzen schlafen und teilte mit ihm ihre Fischsemmeln. Bis die Bärin 2010 im Alter von 43 Jahren starb und Muschi allein zurückblieb.
Die Beziehung von Bergziege Warwara zu dem noch namenlosen Leoparden in Geledschik sei vermutlich ebenfalls endlich, sagt Josef H. Reichholf. Spätestens, wenn das Zicklein in spielerischer Manier seine Hörnchen erprobe – und der Leopard nach Raubkatzenart mit einem kräftigen Prankenhieb reagiere, werde es für Warwara lebensgefährlich.
„Wenn das Erwachsenenalter eintritt, passen solche Tiere in der Regel nicht mehr zusammen. Dann sollte man sie lieber trennen.“
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