Weil kein Arzt half: Frühgeburt auf Kliniktoilette

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OLDENBURG - Weil niemand von den Ärzten und Krankenschwestern ihr half, musste eine 17-Jährige ihr Kind auf einer Krankenhaustoilette alleine zur Welt bringen. Das Klinikum Oldenburg ist jetzt deswegen ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten.
Nach einer Frühgeburt auf einer Klinik-Toilette werde wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung und der unterlassenen Hilfeleistung gegen Verantwortliche des Klinikums ermittelt, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft am Mittwoch. Grund für das Ermittlungsverfahren ist eine Anzeige, die vom Anwalt der betroffenen Mutter erstattet wurde. Die 17-Jährige war in der 25. Schwangerschaftswoche mit starken Bauchschmerzen ins Krankenhaus gekommen. Das Klinikum wies alle Vorwürfe als haltlos zurück.
Die junge Frau war wegen der Beschwerden vor zwei Wochen in Begleitung ihrer Schwester und einer Freundin in die Klinik gegangen, wie ihr Anwalt sagte. Auf der Geburtsstation sei der Blutdruck gemessen worden, zudem wurde sie an einen Wehenschreiber angeschlossen. Anschließend habe sich zwei Stunden lang niemand mehr um sie gekümmert, kritisierte der Anwalt. Weil es der jungen Frau sehr schlecht ging, hätten ihre beiden Begleiterinnen alle fünf bis zehn Minuten beim Klinikpersonal Alarm geschlagen. Dennoch sei nichts passiert.
Das Frühchen fiel in die Kloschüssel
Dann ging die Schwangere laut Anwalt auf die Toilette und entband dort allein einen Jungen. Das nur 690 Gramm schwere Frühchen sei in die Kloschüssel gefallen. Nachdem die Begleiterinnen „die Station zusammengeschrien„ hätten, habe eine Klinik-Mitarbeiterin das Kind aus dem Becken geholt. Die Mutter habe einen Schock erlitten, sagte der Anwalt. Wäre die Frau rechtzeitig untersucht worden, hätte die Geburt auf der Toilette verhindert werden können, zeigte sich der Anwalt überzeugt. Es sei ein “Skandal“, dass niemand einer Patientin mit erheblichen Beschwerden helfe.
Das Frühchen liegt nun auf der Intensivstation. Sein Zustand sei derzeit stabil, sagte eine Kliniksprecherin. Befürchtungen, der Junge habe durch den Sturz in die Toilette Schäden davongetragen, wies sie zurück. Zwar weise der Säugling eine Hirnblutung auf. Doch dies sei bei jedem zweiten Frühchen der Fall, da das Gehirn in dem Stadium noch nicht reif sei. Die Hirnblutung stehe nicht in Zusammenhang mit der Geburt auf der Toilette. Das Kind sei auch nicht vollständig in die Schüssel gefallen, da die Nabelschnur relativ kurz gewesen sei. Es sei überdies sofort versorgt worden.
"Es war kein Notfall erkennbar"
Die Klinik-Sprecherin sagte, die spontane Geburt sei nicht voraussehbar gewesen. „Es war kein Notfall erkennbar“, sagte sie. Der Wehenschreiber habe keine Wehentätigkeit angezeigt. Die junge Frau sei gebeten worden, in einem Behandlungszimmer im Kreißsaal auf einen Arzt zu warten. In der Zwischenzeit habe einmal eine Hebamme und eine Hebammenschülerin nach der Frau gesehen. Diese habe weder Fruchtwasser verloren noch von wehenartigen Beschwerden berichtet. Vielmehr habe sie über dauerhafte Schmerzen geklagt. Ohne Bescheid zu sagen, habe sie nach einer Stunde und 20 Minuten die Toilette im Kreißsaalflur aufgesucht.
Die Sprecherin betonte, das Klinikum bedauere sehr, dass die Patientin ihr Kind auf der Toilette bekommen habe. „Das ist kein schönes Erlebnis für eine Frau“, sagte sie. Der Säugling habe von der Art der Geburt aber keinen Schaden genommen. Es gebe keinerlei Verletzungen.
(ddp)
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