Wegen der Schweinegrippe: Kussverbot für Schwangere?

Drastische Vorschläge der deutschen Frauenärzte: Verzicht auf Massenveranstaltungen, Reisen und Händeschütteln. Andere Experten halten das für übertrieben
OSNABRÜCK Angesichts der rasanten Ausbreitung der Schweinegrippe werden jetzt Schwangere zu ganz besonderen Vorsichtsmaßnahmen aufgerufen. Wer ein Kind erwartet, soll auf Reisen, Massenveranstaltungen, Händeschütteln und Küssen verzichten, empfiehlt der Berufsverband der Frauenärzte. Andere Mediziner halten das für „Aktionismus“.
Der Impfexperte des Verbandes, Michael Wojcinski, überraschte mit diesen weitgehenden Vorschlägen, vor allem weil er gleichzeitig vor „Panikmache" warnte: „Viele Schwangere sind durch die Debatte über das Virus H1N1 tief verunsichert, aber es gibt derzeit keinen Grund, sich große Ängste zu machen.“
Für übertrieben hält es Wojcinski auch, dass Schweizer Frauenärzte Patientinnen dazu raten, derzeit auf eine geplante Wunschschwangerschaft zu verzichten, bis die Grippewelle vorbei ist.
Dieser Ansicht ist auch der Nikolaus Frühwein, Präsident der Bayerische Gesellschaft für Immun- Tropenmedizin und Impfwesen. „Das ist völlig übertrieben und führt höchstens zu einer Entvölkerung von Mitteleuropa, nachdem wir noch viele Jahre mit der neuen Grippe werden leben müssen“, sagte der Münchner Mediziner der AZ.
Aber auch die Vorschläge der deutschen Frauenärzte möchte Frühwein „so pauschal nicht übernehmen“. Natürlich müssten sich Schwangere vielleicht noch korrekter an die allgemeinen Vorsichtsmaßnahmen wie regelmäßiges Händewaschen halten.
Die Empfehlung, nicht mehr zu verreisen, sei aber unangebracht: „Es gibt kein Land, in dem die Schweinegrippe so seuchenartig verbreitet ist, das es zu einem erhöhten Ansteckungsrisiko kommen könnte. Die Gefahr ist woanders nicht größer als bei uns in der U-Bahn.“ Es gebe sogar viele Regionen auf der Erde, in denen die Schweinegrippe gar nicht auftritt.
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