Was Mama macht, ist keine Arbeit

Gleichberechtigung ist noch immer keine Realität - aller Vernunft zum Trotz. Während in der Schule die Mädchen vorne liegen, haben es die Frauen im Jon schwer. Sie steigen nur bis zu einer gewissen Grenze auf. Besonders peinlich: Auf der Liste der wichtigsten Wirtschaftsfrauen befindet sich keine einzige Deutsche.
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Gleichberechtigung ist noch immer keine Realität - aller Vernunft zum Trotz. Während in der Schule die Mädchen vorne liegen, haben es die Frauen im Jon schwer. Sie steigen nur bis zu einer gewissen Grenze auf. Besonders peinlich: Auf der Liste der wichtigsten Wirtschaftsfrauen befindet sich keine einzige Deutsche.

Das Wort "Emanzipation" hat Jahrzehnte auf dem Buckel. Wir haben Alice Schwarzer, wir haben das "Gleichbehandlungsgesetz", das Firmen vorschreibt, bei gleicher Qualifikation Frauen zu bevorzugen. Jetzt ist im Wiener Verlag Deuticke das "Weissbuch Frauen. Schwarzbuch Männer" erschienen. Brauchen wir das noch? Durchaus. "Die Aufgaben wurden nicht neu verteilt, die Frauen haben sich nur zusätzliche aufgehalst", schreiben die österreichischen Autorinnen Sibylle Hamann und Eva Linsinger. Frauen leisten, global gesehen, zwei Drittel der Arbeit. Was sie davon haben? Zehn Prozent des Einkommens und ein Prozent des Vermögens.

Deutschland ein Drittweltland?

Auch Hamann und Linsinger haben, salopp gesagt, Arbeit für ihr Buch nicht gescheut. Sie bemühen viele Studien und Erhebungen, und alle zeigen: In der Geschlechterfrage sind Deutschland wie Österreich Drittweltländer. Zum Beispiel unterrichten hier in den Grundschulen 90 Prozent Lehrerinnen, an den Gymnasien sind's noch 60 Prozent. An den Unis: 13 Prozent Professorinnen. Alles klar? Mit steigendem Gehaltsniveau dreht sich das Geschlecht der Lehrenden. Und komisch: Der Grundschullehrer vor 50 Jahren war d i e Autorität im Dorf. Die Grundschullehrerin? Nicht so wichtig. Und so weiter. Frauen an der Universität publizieren zweieinhalb mal so viel wie ihre Kommilitonen. In der Politik kommen sie vor allem in Krisenzeiten zum Zug. Sie sind überproportional von Mobbing betroffen, und wenn sie dann Kinder kriegen, nimmt die Bedeutung ihrer Erwerbsarbeit ohnehin ab: "Was Mama macht, ist keine Arbeit."

Dabei ist es heute ökonomisch fast unverantwortlich, Frauen in anspruchsvollen Positionen nicht zu unterstützen (anstatt sie 27 Prozent weniger verdienen zu lassen als die männlichen Kollegen). Mit Fördermassnahmen hat die EU in letzter Zeit zwar nicht gegeizt. Aber offenbar befördern diese Massnahmen die Frauen nicht wirklich nach oben, irgendwann in ihrer Karriere stossen sie an - an der "gläsernen Decke". Und bleiben stehen. Auf der Liste der wichtigsten Wirtschaftsfrauen ausserhalb der USA, die das Wirtschaftsmagazin "Fortune" jeden Herbst herausbringt, finden sich Frauen aus Saudi-Arabien. Bloss keine Deutschen.

In der Schule haben die Mädels die Nase vorn

In den Schulen haben die Mädchen die Buben ja längst überholt, sie schreiben die besseren Noten und machen zu einem höheren Prozentsatz Abitur. Schulversagen ist männlich. Dann studieren die Mädchen, aber sie studieren, "als wollten sie später gepflegt am Kamin plaudern". Sie studieren: Geisteswissenschaften. Dabei werden 80 Prozent der Führungspositionen mit Wirtschafts- und Naturwissenschaftlern besetzt. Scheint so: Selbstzweifel sind weiblich. Frauen "haben Höhenangst" - und pflegen ihr Understatement. Eine Harvard-Studentin würde, wissen Beobachter, mit ihrem Harvard-Studium nie angeben. Harvard-Studenten tun das ungeniert. Dazu kommt, dass Frauen-Netzwerke in der Regel nicht funktionieren. Und am Ende ist für die Akademikerin die Versuchung gross, der 200 000 Euro teuren Ausbildung zum Trotz daheim zur Supermama zu mutieren. Derweil ergeben Studien: je mehr Gleichberechtigung in einem Land herrscht, desto mehr Kinder werden dort geboren. In Island arbeiten 90 Prozent der Frauen, und eine Frau hat im Schnitt 1,99 Kinder. In Deutschland arbeiten 56 Prozent der Frauen mit zwei Kindern, und eine Frau hat im Schnitt 1,34 Kinder. Dass sich was ändern muss, ist also klar.

Vor allem skandinavische Länder machen vor, in welche Richtung die Veränderung gehen kann. Zunächst bräuchten die Väter mehr Familienzeit - Schweden zahlt den Eltern mehr, wenn Vater u n d Mutter Babypause machen. Dann gehörte die Arbeit anders verteilt - auch in dem Sinn, dass Pausen jedem Berufsleben guttun und Teilzeit, siehe Holland, keine Karrierebremse sein darf. Der nächste Segen wären familienfreundliche Wohnformen sowie eine gute Infrastruktur rund ums Kind. "Wir brauchen", schreiben Hamann und Linsinger: "mehr Ehrlichkeit, mehr Fantasie, mehr Pragmatismus". Andrea Kästle Sibylle Hamann, Eva Linsinger: "Weissbuch Frauen. Schwarzbuch Männer. Warum wir einen neuen Geschlechtervertrag brauchen". Deuticke, 19,90 Euro

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