Was heißt backen? - Streit zwischen Aldi und Bäckern
Es werde den ganzen Tag frisch gebacken, preist der Discounter die Ware an. Gegen diese Aussage hat das Handwerk geklagt. Jetzt musste sich ein Gutachter äußern.
München - Die Frage „Was ist Backen?“ scheint sich nicht so leicht klären zu lassen. Seit immerhin schon vier Jahren stehen sich die deutschen Bäcker und der Discounter Aldi Süd vor dem Duisburger Landgericht unversöhnlich gegenüber. Die wettbewerbsrechtliche Klage des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks richtet sich gegen das Aldi-Versprechen, in den Filialen werde frisch gebacken.
Lesen Sie hier: Die zehn irrsten Verkehrsregeln
Damit pries der Discounter seine Semmeln, Brezen und Brote an, die im Markt auf Knopfdruck aus einem Apparat mit der Aufschrift „Backofen“ in ein Fach fallen. „Das sind große Blackboxen, wo kein Mensch weiß, was da passiert“, sagt der Referent für Lebensmittelrecht beim Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks, Daniel Schneider. „Das kann kein Backen sein.“ Somit werde der Verbraucher in die Irre geführt.
Bei einem Vor-Ort-Termin in einer Aldi-Filiale wollte die Landgerichts-Kammer die Automaten im Februar 2011 in Augenschein nehmen. Allerdings versagte das Unternehmen einen Blick hinter die Kulissen, wie ein Gerichtssprecher berichtet. Daraufhin hatte der Experte Jürgen-Michael Brümmer die Teiglinge auf ihrem Weg durch den Automaten höchstpersönlich inspiziert.
Keine knusprige Kruste? „Viele Verbraucher wollen das so“
Rund zwei Stunden spricht der 77-jährige Professor beim gestrigen Gerichtstermin über das Backen, es geht um „Bräunungsgrad“, „straffe Krume“ oder die Frage, wie gut sich Butter auf der Semmel verstreichen lässt. Ob allerdings in den Aldi-Automaten gebacken wird oder nicht, darauf gibt es auch nach der Sitzung keine klare Antwort.
Das Handwerk nach „alter Väter Sitte“, nämlich Kneten, Gären und Backen direkt hintereinander, finde in immer weniger Backstuben statt, erläutert Brümmer. Es sei in den meisten der 15.000 Bäckereien im Land üblich, die Teiglinge erst nur zum Teil und dann kurz vor dem Verkauf fertig zu backen. „Wenn wir die große Masse der Bäckereien nehmen, dann ist diese Verzögerung üblich“, sagt Brümmer.
Bei Aldi Süd kommen nach den Worten des Back-Experten Brote und Semmeln in den Automaten, die zu 60 bis 70 Prozent teilgebacken sind. Mit einigen Produkten, die dann in den Ausgabeschacht fallen, war Brümmer nicht zufrieden. „Ich hätte mir da mehr erwartet“, sagt er etwa über ein Baguette. Für ihn als langjährigen Brottester sei etwa die Kruste nicht knusprig genug. Aber Brümmer gibt auch zu Bedenken: „Viele Verbraucher wollen es so.“
In dem „Backofen“ finde „ein Backvorgang statt“, erkläre Aldi Süd. Von einer bloßen „Bräunung“ der Ware könne nicht gesprochen werden. Ein Großteil der Filialen sei mit einem „Backofen“ ausgestattet, teilte eine Sprecherin mit. Die Gutachteraussagen bewerte das Unternehmen positiv. Nach den Worten von Ernährungsexpertin Isabelle Mühleisen ist Frische „ein dehnbarer Begriff“, der von Produkt zu Produkt variiere. „Es ist heikel, Verbrauchern etwas als frisch vorzu–gaukeln, was vorgefertigt ist.“
- Themen:
- Aldi Gruppe