Virenschleudern in Weiß
Krankenhaus-Keime werden nicht ausreichend thematisiert. Doch das wäre nötig, denn sie töten jährlich 20000 Menschen in Deutschland. Dabei ist es so simpel: Einfach öfters die Hände waschen.
MÜNCHEN Der Mann kam mit heftigen Schmerzen im Handgelenk in die Klinik. Ein kleiner chirurgischer Eingriff war nötig, um ein abgelöstes Stück Knorpel zu entfernen. Ein harmloser Eingriff, sagten die Ärzte. Doch der 32-Jährige sollte das Krankenhaus nie wieder lebend verlassen. Nach fast zweijährigen Qualen starb er – der Patient hatte sich in der Klinik, in der er eigentlich gesund werden wollte, einen Keim eingefangen, das tödliche Bakterium MRSA.
Krankenhauskeime. Das Wort wird oft mit einem Schulterzucken abgetan – auch von Klinikleitungen und Gesundheitspolitikern. Völlig zu Unrecht: Jährlich sterben an den tödlichen Viren und Bakterien, die in der scheinbar sterilen Krankenhausumgebung lauern, 40 Mal mehr Menschen als an Aids.
In Zahlen: Pro Jahr hat für mindestens 20000 Patienten in Deutschland die mangelnde Hygiene in Operationssälen und auf Stationen tödliche Folgen. 800000 vermeidbare Infektionen registrierte die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) im vergangenen Jahr. Die verbreitetste Todesursache ist das tückische Bakterium MRSA, das Methicillin-resistente Staphylococcus aureus.
Ein hartnäckiger Gegner
Der hartnäckige Eiter-Erreger fühlt sich fast überall wohl. Auch ohne Nahrung kann das Bakterium bis zu sieben Monate überleben. Es überdauert auf Wäsche oder Türklinken, Lichtschaltern, auf dem Fußboden oder auf der Bettkante. Auch auf der Haut vieler Menschen fühlt es sich wohl.
Die Betroffenen wissen davon oft nichts, denn bei Gesunden verursacht er keine Beschwerden. Seine Stunde schlägt dann, wenn das Immunsystem schwächelt oder er einen Weg ins Körperinnere findet – etwa durch eine offene Wunde oder einen Katheter.
Dann vermehrt sich der Keim explosionsartig und verursacht schlecht heilende Entzündungen, Hautgeschwüre, Furunkel, Lungenentzündungen, Harnweginfektionen und lebensgefährliche Blutvergiftungen. Die Entzündungen können praktisch auf jedes Organ überspringen und es versagen lassen.
Die Ärzte haben keine Waffen gegen den kleinen Killer. Klaus-Dieter Zastrow, Vorsitzender des Berufsverbandes Deutscher Hygieniker, zur AZ: „Die Waffen der Mediziner gegen MRSA & Co. sind ziemlich stumpf. Die meisten dieser Keime sind gegen fast alle gängigen Antibiotika resistent.“
Einfach nur Hände waschen
Dabei gäbe es ein simples Mittel, um die Zahl der Infektionen drastisch zu reduzieren: häufigeres Händewaschen in den Kliniken. Im Schnitt waschen sich nämlich Ärzte, Pflege- und Putzpersonal nur etwa zehn Mal pro Tag die Hände. Mindestens 30 Mal pro Tag sind aber nötig, sagt Vorstandsmitglied Walter Popp von der DGKH. Witzig gestaltete Video-Spots sollen die Krankenhaus-Mitarbeiter nun zum Händewaschen ermahnen. Außerdem sollen die Belegschaften mit Newslettern, Wissenstests und Erinnerungs-E-Mails ständig informiert und kontinuierlich auf das Problem aufmerksam gemacht werden, erklärt Jörg Ansorg vom Berufsverband der Deutschen Chirurgen.
Michael Heinrich
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