Väter in Elternzeit müssen Hürden überwinden

Zwar gehen zunehmend auch Väter in Elternzeit. Doch der Druck aus der Arbeitswelt ist zu groß, als dass sich Männer im großen Stil trauten, die Kindbetreuung zu übernehmen.
von  Abendzeitung
Der vorübergehende Ausstieg aus dem Beruf wird vielen Vätern schwer gemacht
Der vorübergehende Ausstieg aus dem Beruf wird vielen Vätern schwer gemacht © dpa

Zwar gehen zunehmend auch Väter in Elternzeit. Doch der Druck aus der Arbeitswelt ist zu groß, als dass sich Männer im großen Stil trauten, die Kindbetreuung zu übernehmen.

Nur wenige Männer machen den Schritt tatsächlich: Immer noch sind die Widerstände groß, wenn Väter in Elternzeit gehen möchten. Der Rollenwechsel vom Brötchenverdiener zum aktiven Vater ist keine Kleinigkeit. Die Regelung zum Elterngeld, das nur dann 14 Monate lang gewährt wird, wenn auch der Vater mindestens zwei Monate aus dem Beruf aussteigt, hat daran wenig geändert.

Experten bescheinigen den Männern allerdings, nicht per se weniger geeignet für den Job zwischen Wickelkommode und Herd zu sein. Wenn sie den Schritt raus aus dem Büro oder weg von der Werkbank geschafft haben, seien sie zu derselben Fürsorge in der Lage wie Mütter, sagt Prof. Hartmut Kasten vom Institut für Frühpädagogik in München. Männer, die in Elternzeit gehen, seien auch in der Lage, alle Aufgaben zu bewältigen, die damit verbunden sind - also nicht nur Ballspielen mit den Kleinen, sondern auch Putzen, Kochen und Einkaufen. Das Problem sei einfach: «Das machen eben nur sehr wenige.» Auch den aktuellen Zuwachs an Männern in Elternzeit sieht der Familienforscher nüchtern: «Da gibt es keinen Grund zu Euphorie.»

«Die Kollegen sagen, was macht der denn da?»

Nach wie vor sei der Druck in der Arbeitswelt zu groß, als dass sich Männer in großem Stil trauten, die Betreuung ihrer Kinder zu übernehmen. «Die Kollegen sagen, was macht der denn da?» Selbst von denen, die eigentlich Elternzeit nehmen möchten, macht es nur ein kleiner Teil: «Umfragen zeigen, dass mehr als ein Drittel gerne aktive Väter wären», sagt Volker Baisch vom Verein Väter in Hamburg. «Aber drei Viertel aller Männer fürchten sich vor Karriereeinbußen, wenn sie sich um die Kinder kümmern.» Baisch selbst hat sich getraut und Elternzeit genommen. Aber er hat auch gemerkt, wie groß die Unsicherheit der Männer bei diesem Thema ist. Der Verein bietet deshalb unter anderem Elternzeitberatung an. Auch Robert Richter war in Elternzeit. Inzwischen promoviert der Erziehungswissenschaftler an der Uni Paderborn über Väter: «Väter sehen sich heute nicht mehr nur als Ernährer», sagt Richter. «In ihrer Einstellung sind sie schon viel familienorientierter. Nur die Umsetzung findet dann oft nicht statt.»

Selbstwertgefühl oft eng mit dem Beruf verknüpft

Männer, die sich intensiv um die Kinder kümmern wollen, müssen also gleich mehrere Hürden überwinden. Zum Teil unterschätzten Väter allerdings auch, was alles auf sie zukommt, sagt Matthias Ochs, Familien- und Psychotherapeuten von der Universtitätsklinik Heidelberg. Was den Rollenwechsel zusätzlich erschwert, ist aber auch, dass für Männer das Selbstwertgefühl oft stark vom Beruf abhängt: «Es ist gar nicht so leicht, auf die Anerkennung am Arbeitsplatz zu verzichten.» Richtig stressig wird es oft erst hinterher - wenn die Männer auf den Geschmack gekommen sind und sich am liebsten aus der Kinderbetreuung nicht wieder ausklinken würden. Wenn Beruf und Familie unter einen Hut gebracht werden müssen, haben sie das typische «Vereinbarkeitsproblem», das bislang vor allem bei Frauen zu beobachten ist. Gerade Männer mit kleinen Kindern seien verstärkt burnoutgefährdet, sagt Matthias Ochs.

Ältere Vorgesetzte blockieren öfter

Volker Baisch ist trotz allem optimistisch. «Die Zahl der Väter in Elternzeit wird steigen. Vielleicht sind es nächstes Jahr schon 20 Prozent.» Viele Arbeitnehmer werden nach seiner Beobachtung selbstbewusster, was das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie angeht. Und auch in den Unternehmen gebe es einen Wandel: Die Blockierer seien oft die älteren Vorgesetzten über 50, die selbst ein anderes Rollenverständnis gelebt haben. «Aber da wächst eine neue Generation heran», sagt Baisch. (Andreas Heimann, dpa)

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