„Unsere Eltern waren ja auch keine Engelskinder“

Wie ticken Münchens Teenager 2009? Die AZ traf vier Schüler zum Gespräch über schlechte Noten, Standpauken, Träume, Alkohol und Killerspiele
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„Teenager? Ne, das klingt so alt“: Felix, Pauline, Christoph und Lisa.
Petra Schramek „Teenager? Ne, das klingt so alt“: Felix, Pauline, Christoph und Lisa.

Wie ticken Münchens Teenager 2009? Die AZ traf vier Schüler zum Gespräch über schlechte Noten, Standpauken, Träume, Alkohol und Killerspiele

Vor 65 Jahren wurde der Begriff Teenager in den USA erfunden – seitdem hat sich viel getan; dass man vom Küssen nicht schwanger wird, dürfte sich zum Beispiel herumgesprochen haben. Aber wie sieht der Alltag heute wirklich aus, was sorgt, was freut, was bewegt die Generation 20minus? Die AZ hat vier Münchner Teens getroffen: Lisa (13, siebte Klasse), die reitet und Hip-Hop tanzt, Pauline (13, siebte Klasse), die Tennis mag, Computerspieler Christoph (15, neunte Klasse) und Fußballer Felix (15, neunte Klasse).

AZ: Warum verstehen euch Erwachsene nicht?

LISA: Weil wir plötzlich 13 sind und sie glauben, dass man dann man automatisch komisch drauf ist. Das sind wir aber gar nicht.

FELIX: Wir fordern einfach mehr als sie im gleichen Alter. Eigentlich können sie uns schon verstehen – wenn sie es denn wollen.

"Wir sind einfach anders"

CHRISTOPH: Wir möchten einfach nicht das Gleiche machen wie sie in unserem Alter. Wir sind einfach anders.

Inwiefern seid Ihr anders?

PAULINE: Wir sind viel mehr im Internet unterwegs. Statt uns zu treffen, chatten wir. Das ist einfacher.

CHRISTOPH: Wir leben ganz anders mit dem Computer. Wir lernen damit, wir machen so unsere Referate, shoppen. Das können Eltern oft nicht nachvollziehen.

FELIX: Ich weiß nicht, wir leben gar nicht so in unserer eigenen Welt, wie oft gesagt wird.

Worüber gibt’s Knatsch?

ALLE: Schule.

PAULINE: Gar nicht wegen schlechten Noten, sondern weil man grad nicht lernt. Aber wir sind doch Kinder, da kann sich noch alles ändern.

Siehst du dich als Kind?

PAULINE: Ja, schon. Teenager, ne, das klingt so alt.

"Man versucht halt die Grenzen zu erweitern"

LISA: Ich streite mich mit meinen Eltern, wie lange ich surfen oder wegbleiben darf. Aber eigentlich nichts ernstes. Man versucht halt die Grenzen zu erweitern.

PAULINE: Unsere Eltern waren ja auch keine Engelskinder. Richtig nervig sind aber die Standpauken.

CHRISTOPH: Man muss lernen, zu verhandeln. Wenn man dann aber die Regeln bricht, gibt es richtig Ärger.

LISA: Da hab’ ich ’nen tollen Trick. Ich mach freiwillig die Wäsche, darf länger wegbleiben. Solange ich nicht rauche.

CHRISTOPH: Oder Alkohol. Da sind meine Eltern total dagegen.

Angst davor, sich die Zukunft zu verbauen

LISA: Davor habe ich total Angst, dass ich durch die falschen Leute anfange, zu viel zu trinken und mir dann meine Zukunft verbaue.

Aber Du musst ja nicht trinken.

LISA: Schon, aber ich sehe das bei Freunden, die das probiert haben, damit man cool ist. Und jetzt kippen die sich richtig voll, Komasaufen. Und das will ich niemals.

CHRISTOPH: Man kriegt heute ja alles, was man will. Ob Schnaps, Zigaretten oder Videospiele ab 18.

PAULINE: Die Kioskverkäufer fragen gar nicht nach unserem Alter.

Vor was habt Ihr sonst Angst?

FELIX: Die Schule versauen. Wenn ich was mit Numerus Clausus studieren will, dass ich das nicht schaffe.

PAULINE: Ja, schlechte Noten. Und dann muss man immer einsehen, dass die Eltern doch recht hatten, dass man mehr hätte lernen sollen.

CHRISTOPH: Davor, dass es mal einen neuen Kalten Krieg geben könnte.

PAULINE: Aber eigentlich glaube ich, dass wir viel mehr Perspektiven als unsere Eltern haben.

"Man muss heute einfach besser sein in seinem Fach"

FELIX: Das glaub’ ich auch. Aber wir haben es vielleicht mal nicht so leicht einen Job zu finden, von dem man richtig gut leben kann. Man muss heute einfach besser sein in seinem Fach als zur Zeit unserer Eltern.

LISA: Aber dafür können wir leichter ins Ausland gehen. Im Schüleraustausch nach Frankreich oder als Au-Pair nach Amerika.

PAULINE: Ja, die sind viel gechillter da. Donuts zum Frühstück, das ist doch viel cooler als Nutella auf Toast.

FELIX: Ich will eine Sprachreise nach Los Angeles machen. Das ist mein ganz großer Traum.

CHRISTOPH: Das wäre toll. Da hat man sicher auch bessere Chance, Programmierer zu werden oder Wirtschaft zu studieren.

PAULINE: Ich heirate einen Millionär und werde so wie die Desperate Housewives. Da ist es viel spannender als im langweiligen Deutschland.

Wen bewundert Ihr?

PAULINE: Meine Mathelehrerin, weil die soviel Geduld mit mir hat.

FELIX: Dass mein Vater immer den passenden Ton findet und nie brüllt, finde ich cool.

CHRISTOPH: Ich kennen einen 21-Jährigen, der richtig cool programmieren kann. So will ich das auch mal können.

LISA: Bei mir ist es meine Tante. Die ist Hauptschullehrerin und hat trotzdem die Ruhe weg. Die Geduld hätte ich nicht.

CHRISTOPH: Das finde ich richtig scheiße: Dass so viele Gymnasiasten auf die Hauptschüler runterschauen.

FELIX: Ich geh ja auch auf’s Gymnasium, aber ich denke nicht, dass ich was besseres bin. Vielleicht versteh’ ich Dinge nur einfach schneller.

LISA.: Ich bin auf der Realschule und schon uns schauen die Gymnasiasten dumm an, mit Verachtung im Blick. Das macht einen schon fertig.

AZ: Gerade war die Trauerfeier für die Opfer von Winnenden...

LISA: Ja, das ist krass. Kann an jeder Schule passieren.

FELIX: Man kann das nicht nur auf die Computerspiele schieben.

Wenn einer keine Freunde hat, dann ist das ein größeres Problem

PAULINE: Genau, bei uns in der Klasse spielt fast jeder Junge Counterstrike und die sind nicht total verblödet. Aber wenn die über Waffen reden, dann ist das jetzt schon unheimlich.

CHRISTOPH: Aber dass sind doch absolute Einzelfälle.

LISA: Die merken gar nicht mehr, dass Ballern in der Wirklichkeit Folgen hat. Aber ich glaube, wenn einer keine Freunde hat, dann ist das ein größeres Problem als Computerspiele.

Mit wem redet Ihr über Probleme?

LISA: Ich geh’ meistens zu meinen Eltern. Die versuchen immer, eine Lösung zu finden.

PAULINE: Ich erzähl’s lieber Freunden. Bei meinen Eltern denke ich manchmal, dass die Hälfte meines Lebens an denen vorbei geht.

CHRISTOPH: Das ist bei mir auch so. Meine arbeiten viel und da fehlt oft die Zeit. Nur wenn sie besorgt sein können, dann interessieren sie sich.

Wie sieht’s mit der Liebe aus?

LISA: Ich hab’ ’nen Freund. Das ist schon meine dritte echte Beziehung

Das heißt?

LISA: Dass man sich trifft und küsst, mehr aber nicht. Kein Sex oder so.

CHRISTOPH: Ich hatte auch schon ’ne Freundin.

PAULINE: Ich hab’ auch seit zwei Monaten einen Freund. Das ist schon manchmal komisch.

CHRISTOPH: Bei uns in der Klasse sind es deutlich mehr Mädchen, die in einer festen Beziehung sind. Manche schon über ein Jahr.

FELIX: Ich glaub’, das ist gar nicht so gut. Weil die meisten, die mit jemanden zusammen sind machen dann nicht mehr so viel mit den Freunden.

Einmalige Chance: Was wünscht Ihr euch von euren Eltern?

PAULINE: Dass sie mir mehr zuhören und ich mit ihnen über alles reden kann.

FELIX: Mehr Respekt. Dass ich auch in Diskussionen ernst genommen werde, auch wenn ich nicht alles weiß.

LISA: Ich komm eigentlich mit meinen Eltern echt gut klar.

CHRISTOPH: Dass mein Bruder nicht bevorzugt wird. Klar, der ist total gut in der Schule, aber das zählt doch nicht als Einziges. Interview: Anne Kathrin Koophamel

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