Umstrittenes TV-Format: 50 Aufrisse pro Semester

Politiker und Medienwächter sind empört: ProSieben will am Nachmittag fünf Studenten wetten lassen, wer am schnellsten 50 Frauen oder Männer ins Bett bekommen kann.
von  Abendzeitung
50 Frauen – wie hier in der Performance der Aktionskünstlerin Vanessa Beecroft (2005) – bedeuten eine harte Eroberungs-Arbeit.
50 Frauen – wie hier in der Performance der Aktionskünstlerin Vanessa Beecroft (2005) – bedeuten eine harte Eroberungs-Arbeit. © dpa

Politiker und Medienwächter sind empört: ProSieben will am Nachmittag fünf Studenten wetten lassen, wer am schnellsten 50 Frauen oder Männer ins Bett bekommen kann.

Dieses Konzept verstößt gegen die Menschenwürde“, empört sich Ulrike Gote. Die medienpolitische Sprecherin der Grünen im Bayerischen Landtag ist entsetzt darüber, was sich ProSieben nun ausgedacht hat, um seinen schwächelnden Nachmittag wieder mit besseren Quoten zu beleben.

Fünf Studenten wetten in der Doku-Soap „50 pro Semester“ darum, während eines Studienhalbjahrs 50 Frauen oder Männer ins Bett zu kriegen. „Was werden da denn für Werte vermittelt? Um 16 Uhr schalten Kinder und pubertierende Jugendliche ein, die auf der Suche nach einer normalen Sexualität sind“, sagt Gote der AZ. Das Konzept sei unverantwortlich.

Auch von Bayerns Familienministerin Christine Haderthauer (CSU) kommt heftige Kritik. „Die Sendung transportiert die Botschaft, man könne Partner sammeln wie Seminarscheine“, sagt sie der AZ. „Dieser unsägliche Schrott hat im Fernsehen nichts zu suchen, schon gar nicht im Nachmittagsprogramm.“ Die Ministerin droht rechtliche Schritte an: „Auch das Privatfernsehen bekommt mit der Sendelizenz Verantwortung übertragen. Dazu gehört auch, nicht nur auf die Quote zu schielen – Medien transportieren gesellschaftliche Einstellungen und bewegen sich nicht im wertefreien Raum!"

Kann man Partner wie Seminarscheine sammeln?

Wolf-Dieter Ring, dem Vorsitzender der Kommission für Jugendmedienschutz, sind die Hände gebunden. Er könne erst nach der Ausstrahlung entscheiden, ob ein Verstoß gegen das Jugendschutzgesetz vorliege. Auch Ring fürchtet, das Format „50 pro Semester“ könne die Entwicklung Jugendlicher beeinträchtigen: „Das Konzept ist so angelegt, dass möglicherweise ein negatives Bild von Sexualität entsteht“, sagt er der AZ. „Liebe wird dann zum Objekt.“

So viel steht fest: „50 pro Semester“ ist eine Scheindokumentation mit Schauspielern. Welche Frau möchte schließlich vor laufender Kamera der 49. Aufriss eines Studenten sein? „Scripted Reality“ nennt man so eine Pseudorealität, die nach Drehbuch läuft, sich aber als Dokumentation gibt.

Egal ob echt oder nicht, die Kritiker sind sich einig: Die Werte, die hier Kindern und Jugendlichen im Nachmittagsprogramm vermittelt werden, sind verheerend.

„Wir reden hier von einer Soap mit jungen Menschen, welche Spaß am Leben, an der Liebe und selbstverständlich auch am Sex haben. Selbstredend dürfen diese positiven menschlichen Bedürfnisse auch am Nachmittag thematisiert werden“, sagt dagegen ProSieben-Sprecher Christoph Körfer. „Darüber hinaus betreut und berät die Abteilung ,Jugendschutz und Programmberatung’ dieses Projekt umfänglich.“ Sowohl medienrechtliche Vorschriften als auch Ethik und Moral würden sich in dem Format widerspiegeln, behauptet er.

Dennoch knickt der Sender jetzt ein. „50 pro Semester“ sollte ab dem 18. Januar laufen, nun wird es auf unbestimmte Zeit verschoben. „Aufgrund der öffentlichen Diskussion haben wir uns entschlossen, dass Programm erst zu einem späteren Zeitpunkt auszustrahlen“, sagt Körfer. Komplett verzichten will man auf das Format, das seit Montag in München gedreht wird, aber nicht.

Angelika Kahl

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