Umstrittenes Diabetes-Medikament: Herzinfarkt statt Heilung
Laut US-Regierungsstudie birgt das verbreitete Diabetes-Medikament „Avandia“ ein tödliches Risiko. Das Präparat wird auch in Deutschland von vielen Zuckerkranken geschluckt
NEW YORK Millionen von Menschen in aller Welt sind auf das Artzney angewiesen – auch viele Patienten in Deutschland. Sie nehmen „Avandia“, um bei Diabetes vom Typ2 ihre Blutzuckerwerte zu stabilisieren. Der Pharmakonzern GlaxoSmithKline erzielt mit dem erfolgreichen Präparat einen Jahresumsatz von 1,2 Milliarden Dollar jährlich. Doch möglicherweise ist Avandia schuld am Tod von hunderten von Menschen. Laut einem US-Regierungsbericht kann das Artzney zu Herzinfarkten und Herzinsuffizienzen führen.
Die Zahlen, die der Report aufführt, sind, so die „New York Times“, alarmierend: Allein im dritten Quartal 2009 sollen 304 Patienten, die Avandia einnahmen, an tödlichen Herzkrankheiten gestorben sein. Insgesamt seien zehntausende von Herzattacken durch den Wirkstoff Rosiglitazon ausgelöst worden.
Schon vor zwei Jahren hatten Forscher der Universität Washington herausgefunden, das Patienten, die Avandia einnehmen, ein signifikant höheres Risiko haben, an einem Herzinfarkt oder an einer anderen Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben. Schon damals empfahl die amerikanische Gesundheitsorganisation FDA betroffenen Patienten, sich mit ihrem Arzt in Verbindung zu setzen. Der Regierungsreport geht jetzt noch viel weiter und empfiehlt, das umstrittene Präparat vom Markt zu nehmen.
Stattdessen sollten Diabetes-Mittel mit einem anderem Wirkstoff verschrieben werden: Würde jeder Diabetes-Kranke von nun an das Mittel Actos nehmen, könnten 500 Herzinfarkte und 300 Herzinsuffizienzen im Monat verhindert werden, heißt es.
„Die Amerikaner haben das Recht zu wissen, dass es bei der Einnahme von Avandia ernsthafte gesundheitliche Risiken gibt und GlaxoSmithKline hat die Pflicht, ihnen dies mitzuteilen“, sagt der demokratische US-Senator Max Baucus, Vorsitzender des Komitees, das den 334 Seiten starken Report erarbeitete.
Und ein weiterer, schwerwiegender Vorwurf wird gegen den Pharma-Multi erhoben: GlaxoSmithKline haben von den Risiken des Medikamentes seit langem gewusst, habe es aber versäumt, Diabetes-Patienten rechtzeitig zu warnen.
Dagegen sagt der Konzern, dass das Artzney bei vorgeschriebener Dosierung sicher sei. Es gebe keine wissenschaftlichen Beweise für ein Risiko, die bisherigen Studien-Ergebnisse seien unvollständig.
Wie die deutschen Gesundheitsbehörden auf den US-Bericht, der heute veröffentlicht werden soll, reagieren, stand gestern noch nicht fest. mh
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