Tierwohl garantiert? Die Wahrheit über das Bio-Siegel

Berlin - Menschen kaufen Bio-Produkte aus einer Vielzahl von Gründen: möglichst naturbelassene Lebensmittel, artgerechte Tierhaltung, gesunde Ernährung, weniger Zusatz- und Verarbeitungshilfsstoffe und ein faires Einkommen für den Erzeuger.
Die Nachfrage für Bio-Produkte wächst stetig, wie auch die Zahlen der Wirtschaft zeigen. Doch immer wieder lesen Konsumenten von Skandalen, die das Vertrauen erschüttern. "Billig-Fleisch als Bio verkauft" oder "Gefälschte Bio-Lebensmittel in Deutschland verkauft" lauten die Schlagzeilen. Sind Bio-Siegel vertrauenswürdig?
Bio-Siegel werden nicht regelmäßig geprüft
"Die Kriterien für die Verwendung des Bio-Siegels sind, anders als bei anderen Siegeln, in der EU-Ökoverordnung gesetzlich festgelegt. Ein Verstoß dagegen hat hohe Bußgelder bis hin zum Verkehrsverbot der Produkte zur Folge", so Dario Darmadi, Sprecher der Verbraucherorganisation Foodwatch. Allerdings seien die Kontrollen häufig nicht unabhängig.
"Bio-Betriebe werden zwar von den Öko-Kontrollstellen überprüft, aber gleichzeitig auch von ihnen bezahlt. Damit eine Kontrollstelle einen Auftraggeber nicht verliert, wird mitunter nicht ganz genau hingeschaut", sagt Darmadi.
In Deutschland bestünde grundsätzlich das Problem, dass die Kontrollbehörden personell zu schlecht ausgestattet seien und zahlreiche Pflichtkontrollen deshalb ausfallen würden. "Die Ergebnisse staatlicher Kontrollen müssen nicht sofort und ausnahmslos veröffentlicht werden. Dieser Missstand betrifft die konventionelle genauso wie die biologische Lebensmittelwirtschaft", so Darmadi.
Bio bedeutet nicht gleich Tierwohl
Für die Überprüfung der Einhaltung der Biokriterien seien demnach amtlich zugelassene, private Öko-Kontrollstellen zuständig. Bezahlt würden die Öko-Kontrollstellen aber von den zu kontrollierenden Öko-Unternehmen. "Die Arbeit der Kontrollstellen wird formal staatlich überwacht. Finanziell sind die Öko-Kontrollstellen jedoch von der ökologischen Lebensmittelwirtschaft direkt abhängig.
Das kann zu Interessenskonflikten führen", sagt Darmadi. "Bio-Tierhaltung bedeutet nicht automatisch, dass es den Tieren gut geht." In Deutschland würden Nutztiere massenhaft unter vermeidbaren Krankheiten und Schmerzen leiden. Auch in Biohaltung.
"Kühe leiden unter Euterentzündungen, Schweine unter Abszessen und Lungenentzündungen, Legehennen unter gebrochenen Brustbeinen. Die Haltungsform, also, dass die Tiere zum Beispiel etwas mehr Platz haben oder Auslauf bekommen, sagt nichts über den Gesundheitszustand der Tiere aus", so Darmadi.
Stattdessen käme es auf Stallmanagement und Erfahrung der Tierhalter an und darauf, ob auf krankmachende Hochleistung gezüchtet würde. "Auch im Bio-Sektor werden Hochleistungsrassen eingesetzt. Wie zum Beispiel Hennen, die unter Brüchen leiden, weil das Kalzium aus ihren Knochen in den Schalen der vielen Eier landet."
Auch in Bio-Betrieben gibt es Massenzucht
Umstände, die PETA-Fachreferentin und Agrarwissenschaftlerin Lisa Kainz nur bestätigen kann: "Die meisten Menschen wissen nicht, was sich hinter den Richtlinien für die Tierhaltung tatsächlich verbirgt. Bio kann bedeuten, dass 3.000 Hennen in Eierbetrieben in einem Stallabteil gehalten werden. Viele der Tiere nutzen den Auslauf nicht und auch in Biobetrieben leiden Hennen ebenso unter der Qualzucht auf unnatürlich viele Eier, was sehr häufig zu mehrfachen Knochenbrüchen, Federpicken und Kannibalismus führt."
Für Bio-Milch würden Kuh und Kalb oft bereits kurz nach der Geburt getrennt und Rinder über die langen Wintermonate angebunden im Stall gehalten.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland empfiehlt insbesondere Produkte, die neben dem verpflichtenden EU-Bio-Logo die Siegel der Anbauverbände tragen und sich zu höheren Standards verpflichtet haben. Aber auch Produkte mit staatlichem EU-Siegel oder deutschem Bio-Sechseck seien empfehlenswert und seriös.
Die Expertin empfiehlt: Immer auf die Art des Bio-Siegels achten
Aber: "Auch wenn 'Bio' ein geschützter Begriff ist – geprüft bio sind nur Produkte, die mindestens das EU-Bio-Logo tragen. Zudem ist in der Regel der Code der Kontrollstelle angegeben auf der Verpackung oder Kiste", so Daniela Wannemacher, Referentin vom BUND. Fehlen EU-Bio-Logo und Kontrollstellen-Code, sollten Konsumenten im Zweifelsfall die Finger vom Einkauf lassen.
Auch Bezeichnungen wie "Lebensmittel aus kontrolliertem Anbau", "natürlich" oder "aus naturnaher Landwirtschaft" würden weder Bio-Anbau belegen noch Kontrolle und Zertifizierung.