Tatort Bahnsteig

Was kann Übergriffe in U- und S-Bahnhöfen verhindern? Die AZ fragte den Kriminalpsychologen Christian Lüdke
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Was kann Übergriffe in U- und S-Bahnhöfen verhindern?
Die AZ fragte den Kriminalpsychologen Christian Lüdke

Streit mit tödlichen Ausgang: Zwei Männergruppen gerieten am Donnerstag auf dem S-Bahnhof Rostock-Warnemünde aneinander. Einer der Männer wurde dabei so schwer verletzt, dass er Stunden später im Krankenhaus starb.
Tatort Bahnsteig. Es ist dies ein Fall, der andere in Erinnerung ruft. Die Übergriffe von München, Berlin, Hamburg und Frankfurt, bei denen Fahrgäste Opfer brutaler Attacken wurden. Im Rostocker Fall brachten die Überwachungskameras am Bahnsteig die entscheidenden Hinweise auf die Täter. Doch könnte ein stärkerer Einsatz von Kameras, wie er von einigen Politikern gefordert wird, auch Übergriffe verhindern? Die AZ sprach mit dem renommierten Kriminalpsychologen Christian Lüdke.

AZ: Herr Lüdke, haben die Übergriffe an S- und U-Bahnstationen zugenommen?

CHRISTIAN LÜDKE: Nein, was aber zugenommen hat, ist die Brutalität der Attacken. Die gefühlte Zunahme kommt daher, dass die Medien mehr über diese Vorfälle berichten, was ich begrüße. Zudem existieren durch die Überwachungskameras Bilder, die das Geschehene, die Brutalität fassbar machen. Das vermittelt den Eindruck: Es wird immer mehr.

Warum passieren solche Übergriffe so oft an U- und S-Bahnhaltestellen?

Haltestellen gehören zu den so genannten Angsträumen. Sie sind oft dunkel und schlecht einsehbar, und nachts sind dort nur wenige Menschen unterwegs. Sie eignen sich also als Tatort. Dazu kommt, dass sich die Täter ganz gezielt an Haltestellen Opfer suchen. Dort werden sie immer fündig. Diese Täter suchen ja keine Gegner, dann könnten sie sich mit Hooligans am Fußballstadion treffen. Nein, die suchen Opfer, und die finden sie in den einsamen Fahrgästen auf dem Bahnsteig.

Auffällig ist, dass fast immer Gruppen verantwortlich sind. Wie kommt das?

In der Gruppe fühlt sich auch der stark, der eigentlich ein schwaches Selbstbewusstsein hat. Was bei diesen Tätern häufig der Fall ist. Der psychologische Hintergrund einer solchen Tat ist oft, dass Täter ihre Ohnmacht sich selbst und ihrem Leben gegenüber für ein paar Minuten in Allmacht verwandeln wollen. Sie wollen die Kontrolle und das Gefühl: Ich bin in dieser Siuation der Herr über Leben und Tod.

Kann die Überwachung durch Videokameras helfen, brutale Attacken zu verhindern?

Nein, kann sie nicht. Täter sind dumm. Die lassen sich nicht beeindrucken von Kameras. Die Bilder machen es nur leichter, die Täter zu ermitteln und zu verurteilen.

Was ist mit klassischer Musik, die an einigen Münchner U-Bahnhöfen zu hören ist?

Klassische Musik hat laut Studien keine direkte Auswirkung im Gehirn – bringt hier also nichts. Die einzige Ausnahme ist die Musik Mozarts. Seine Musik beruhigt, wie man herausgefunden hat, weil sie den Takt des Herzschlags aufnimmt. Eher denkbar wäre eine Maßnahme mit Gerüchen, wie das schon in Kaufhäusern praktiziert wird. Gerüche beeinflussen tatsächlich das Verhalten.

Würde mehr Sicherheitspersonal helfen?

Ja, wenn das Sicherheitspersonal sichtbar auf dem Bahnsteig steht und den Eindruck vermittelt, notfalls auch körperlich einzugreifen. Eine weitere Maßnahme wäre, Zugangsbeschränkungen und -kontrollen zu schaffen. Wenn man nicht mehr einfach auf den Bahnsteig kommt, sondern durch Drehkreuze muss und sich in irgendeiner Form ausweisen müsste, dann würde das Täter abschrecken.

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