Subtil, aber wirksam: Drei Akte des Mikrofeminismus für den Alltag

Wie kleine Gesten große Wirkung entfalten können: Diese drei Ideen aus Evelyn Höllrigl Tschaikners "The Daily Feminist" zeigen, wie Mikrofeminismus den Alltag Stück für Stück verändern kann.
(ncz/spot) |
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Feminismus muss nicht immer laut sein. Auch kleine Akte im Alltag fördern Gleichberechtigung.
Feminismus muss nicht immer laut sein. Auch kleine Akte im Alltag fördern Gleichberechtigung. © SouthWorks/iStock via Getty Images

Es sind oft die leisen Gesten, die etwas ins Wanken bringen. Wer in einer männergemachten Welt lebt, weiß: Die großen Kämpfe um Gleichberechtigung beginnen im Kleinen - in einem Gespräch, einer Formulierung, einer alltäglichen Entscheidung. Doch zwischen Care-Arbeit, Job und ständigen Mikroaggressionen fehlt oft die Energie, um immer wieder laut zu werden. Genau hier setzt Evelyn Höllrigl Tschaikner mit "The Daily Feminist - 199 konkrete Handlungstipps für Gleichberechtigung im Alltag" an.

Mit fundiertem Wissen, Witz und einer guten Portion Alltagstauglichkeit zeigt die Wiener Journalistin, wie Mikrofeminismus funktioniert: als eine Art stille Rebellion gegen Rollenklischees, Sprachfallen und strukturelle Ungerechtigkeit. Eine Einladung, sich nicht entmutigen zu lassen - und mit kleinen, bewussten Handlungen im Alltag Großes anzustoßen. Mikrofeminismus ist, ...

Begriffe wie "Powerfrau" und "Familienvater" nicht unkommentiert stehen lassen

Ein Familienvater ist etwas Besonderes. Warum? Weil er das tut, was für Frauen selbstverständlich ist: sich um die eigene Familie kümmern. Eine Frau, die das tut, ist einfach Mutter. Tut sie es nicht, wird sie zur Rabenmutter. Einen Rabenvater gibt es in der Alltagssprache nicht. Sprache macht hier deutlich, wem Care-Arbeit zugeschrieben wird und für wen sie ein Bonus ist.

Ähnlich verhält es sich mit dem Begriff Karrierefrau. Eine Frau mit Beruf wird sprachlich markiert, als handle es sich um eine Ausnahmeerscheinung. Niemand spricht von einem Karrieremann, denn bei Männern wird Erwerbsarbeit als Selbstverständlichkeit betrachtet. Warum braucht es für die Frauen überhaupt ein eigenes Wort? Männer sind einfach kompetent, erfolgreich oder durchsetzungsstark, ohne dass dafür ein eigenes Etikett erfunden werden muss. Warum also nicht mal von Dramakings sprechen? Oder von Familienmüttern?

"Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Humor Menschen erreicht, wo Argumente oft abprallen. Wer lacht, ist nicht im Abwehrmodus, und wer dann merkt, dass das Lachen einen bitteren Beigeschmack hat, beginnt vielleicht, genauer hinzusehen", sagt Dr. Elisabeth Wagner im Interview mit der Autorin.

Der Anfang liegt darin, vermeintliche Komplimente mit: "Du bist aber auch ein Powermann" zu kontern.

Männerfußball sagen, solange von "Frauenfußball" die Rede ist

Als Kathrine Switzer 1967 als erste Frau offiziell den Boston-Marathon lief, wurde sie währenddessen vom langjährigen Renndirektor Jock Semple attackiert, der versuchte, sie von der Strecke zu rempeln und ihr die Startnummer zu entreißen. Frauen wurde lange nicht zugetraut, körperliche Leistungen auf höchstem Niveau zu erbringen - und irgendwie lässt sich das Gefühl nicht abschütteln, dass wir noch lange nicht da sind, wo wir sein sollten.

Auch die sprachliche Trennung bleibt bestehen: Es gibt "Sport" und "Frauensport". Wir sprechen von Fußball und Frauenfußball, von Handball und Frauenhandball. Diese Unterscheidung suggeriert, dass der männlich dominierte Sport die Norm ist und Frauen nur eine Sonderkategorie bilden.

Also plädiert Evelyn Höllrigl Tschaikner dafür, dass wir ab heute konsequent von Männerfußball sprechen - auch wenn die Ablehnung bereits vorprogrammiert ist. Denn Mikrofeminismus bedeutet auch, zu begreifen, dass "weibliche Sprachkultur" abgewertet wird.

Frauen reden gerne und viel, so das Klischee. Sie sind Tratschtanten - doch entspricht das der Realität? Nein. Die weibliche Sprechkultur wird oft als belanglos, oberflächlich oder störend empfunden, während Männer bei demselben Verhalten als kommunikativ, analytisch oder durchsetzungsfähig gelten. Männer diskutieren - Frauen zanken. Männer analysieren - Frauen lästern. Männer netzwerken - Frauen schwatzen.

Frauen neigen dazu, eine empathische und unterstützende Sprache zu verwenden, Männer hingegen kompetitive und statusorientierte Kommunikationsstrategien. Anstatt diese Unterschiede als gleichwertig anzuerkennen, wird männlich dominierte Sprache oft als Norm gesetzt. Das Ergebnis: Gespräche über zwischenmenschliche Beziehungen oder Alltagsdynamiken werden als "Klatsch" abgewertet.

Anthropologische Studien zeigen, dass informelle Kommunikation - das, was abwertend "Tratsch" genannt wird - eine zentrale Rolle in der Entwicklung sozialer Gemeinschaften gespielt hat. Gerade in patriarchalen Strukturen war dieser Austausch für Frauen überlebenswichtig: Er half, Risiken früh zu erkennen, übergriffiges Verhalten zu benennen, Schutzräume zu schaffen und Verbündete zu finden.

Der Ursprung des Wortes Gossip zeigt genau das: Es bedeutete ursprünglich "enge Freundin" oder "Vertraute". Im mittelalterlichen England wurden Frauen, die sich trafen, um Geburten zu begleiten, gossips genannt. Erst im 19. Jahrhundert verschob sich die Bedeutung zu "belanglosem Gerede" - ein sprachlicher Wandel, der kein Zufall war.

Laut der Autorin ist es an der Zeit, unsere Vorstellung davon zu hinterfragen, was als gehaltvolle Kommunikation gilt und wer das Recht hat, gehört zu werden. Sprache könne Verantwortung kenntlich machen - und Strukturen offenlegen. Denn Geschlecht sei nur eine von vielen Kategorien, entlang derer Ungleichheit passiert.

Paare, die heiraten, zu fragen, ob der Bräutigam seinen Namen ändert

Während es für Frauen oft selbstverständlich ist, den Namen ihres Mannes anzunehmen, bleibt der umgekehrte Fall eine Seltenheit. In Deutschland entscheiden sich über 70 Prozent der Frauen für den Namen ihres Ehemanns, während nur 6 Prozent der Männer den Familiennamen der Frau übernehmen. In Österreich behalten seit dem Namensänderungsgesetz von 2013 beide Partner automatisch ihren Geburtsnamen, sofern sie keine anderslautende Erklärung abgeben. Bis dahin wurde der Name des Mannes standardmäßig zum gemeinsamen Familiennamen.

Frauen mit akademischem Hintergrund behalten ihren Namen häufiger als solche mit niedrigerem Schulabschluss. Zudem gibt es ein klares Stadt-Land-Gefälle: In urbanen Regionen entscheiden sich Frauen signifikant öfter gegen eine Namensänderung.

Viele Ehepaare wünschen sich einen einheitlichen Nachnamen - das ist nachvollziehbar. Doch warum ist dabei noch immer fast automatisch der Nachname des Bräutigams gemeint? Die Tradition, dass Frauen den Namen ihres Partners annehmen, stammt aus einer Zeit, in der Männer als Familienoberhaupt galten und rechtlich über ihre Ehefrauen bestimmten.

Wollen wir diese Vorstellung wirklich weitertragen? Und was steckt dahinter, wenn ein Mann sich heute dagegen wehrt, den Namen seiner Partnerin anzunehmen? Es sei sinnvoll, patriarchal geprägte Traditionen zu überdenken, so die Autorin. Dafür müsse man sie nicht konsequent ablehnen, sondern lediglich reflektieren und verstehen, woher sie kommen - "und uns dann bewusst dafür entscheiden oder eben nicht".

Und noch ein Beispiel aus diesem Kontext: Warum trägt die Braut Weiß (Zeichen der Jungfräulichkeit)? Warum wird sie vom Vater zum Altar geführt (Übergabe von Besitz)? Und warum nimmt sie den Namen des Ehemannes an (Eintritt in seinen Besitz)?

Wenn bestehende Vorstellungen kritisch hinterfragt werden, ist auch ein Blick auf Sexualität notwendig. Denn Begehren, Lust oder Rollenbilder sind ebenfalls von patriarchalen Gedanken geprägt. Auch in dieser Sphäre lichtet sich der Nebel nur langsam.

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