"Fassungslos und tief betroffen" - Unfallfahrer äußert sich

Er ist auf freiem Fuß, doch wegen fahrlässiger Tötung unter Verdacht. Während die direkten Spuren des Unfalls in Stuttgart verblassen, werden sie ihn, Opfer und Angehörige ein Leben lang begleiten.
von  Marco Krefting, dpa
Der Vorfall ereignete sich an der Stadtbahn-Haltestelle Olgaeck am Rande der Innenstadt.
Der Vorfall ereignete sich an der Stadtbahn-Haltestelle Olgaeck am Rande der Innenstadt. © Andreas Rosar/dpa

Zutiefst bedauert er das Geschehen. So lässt der Autofahrer, der in Stuttgart einen Unfall mit einer Toten und sieben Verletzten verursacht hat, es seinen Anwalt ausrichten. "Mein Mandant ist erschüttert, fassungslos und tief betroffen von diesem entsetzlichen Unfall und seinen tragischen Folgen", teilt Ben M. Irle auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit.

Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln wegen fahrlässiger Tötung sowie fahrlässiger Körperverletzung in sieben Fällen. Eine 46 Jahre alte Frau war am Freitagabend ums Leben gekommen, als der schwarze Luxus-Geländewagen des 42-Jährigen in eine Menschengruppe an einer Stadtbahn-Haltestelle fuhr. Sieben weitere Personen wurden verletzt. Unter ihnen sind fünf Kinder. 

Im Unfallauto - eine Mercedes-G-Klasse - saß nach Angaben der Polizei auch ein fünfjähriges Kind des Fahrers. Es sei wie sein Vater unverletzt geblieben.

Keine Gründe für U-Haft

Der nicht vorbestrafte Tatverdächtige wird festgenommen, bleibt über Nacht in Polizeigewahrsam, darf am Samstag aber wieder gehen. Der Deutsche kommt nicht in Untersuchungshaft. Es lägen keine Haftgründe vor, erklärt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Dazu zählt zum Beispiel Fluchtgefahr.

"In dem Wissen, dass seine Worte den Schmerz der Betroffenen und deren Angehörigen nicht werden lindern können, spricht mein Mandant sein aufrichtiges Mitgefühl aus und wünscht den Verletzten eine schnelle und vollständige Genesung", teilt Irle mit, der den 42-Jährigen medienrechtlich vertritt. "Mein Mandant bedauert das Geschehen zutiefst." Der Familie der 46-Jährigen spreche sein Mandant sein tief empfundenes Beileid aus. "Ihr Tod ist auch für ihn ein unerträglicher Verlust, der ihn zeitlebens begleiten wird."

An der Unfallstelle in der Innenstadt haben Menschen unter anderem Blumen niedergelegt. Rot-weiße Absperrgitter aus Kunststoff säumen jene Stelle, an der am Freitag Menschen nichtsahnend an einer Ampel standen. Zwei schwerst Verletzte sind am Samstagmorgen außer Lebensgefahr. 

Ermittlungen zum Geschehen dauern an

Unklar bleibt bis auf weiteres der Unfallhergang. In einer Mitteilung von Polizei und Staatsanwaltschaft am Samstagnachmittag heißt es, das Auto sei stadtauswärts auf der zweispurigen Bundesstraße unterwegs gewesen, aus bislang unbekannter Ursache nach links von der Fahrbahn abgekommen und gegen das Geländer eines Fußgängerüberwegs an der Haltestelle geprallt. 

Das könnte nicht zur ersten Einschätzung passen, dass der Unfall beim Abbiegen passierte. Es gebe unterschiedliche Aussagen, sagt eine Sprecherin der Polizei. Der Staatsanwalt verweist auf die Formulierung in der Mitteilung. 

Der Anwalt des Fahrers wiederum äußert sich nicht dazu: "Zum tatsächlichen Geschehen können wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Angaben machen, da die Ermittlungen zum Unfallhergang noch andauern", schreibt Irle.

Unter der Internetadresse bw.hinweisportal.de hat die Verkehrspolizei Stuttgart ein Hinweisportal geschaltet. Zeugen werden gebeten, Bilder und Videos hochzuladen, insbesondere aus der Zeit unmittelbar vor dem Unfall. 

Welche Rolle spielt der Fahrzeugtyp?

Eine weitere Ursache für die Zahl an Verletzten könnte auch in der Wucht liegen, die große, schwere Fahrzeuge wie Geländewagen oder SUV (Sports Utility Vehicle: Geländelimousine oder Stadtgeländewagen) mit sich bringen.

Gerade in der Region Stuttgart sind die Erinnerungen noch recht frisch an einen solchen Unfall: Im Oktober war ein Fahrer im benachbarten Esslingen mit einem SUV ins Schleudern geraten und nach rechts auf den Gehweg abgekommen. Eine Mutter und ihre drei und sechs Jahre alten Söhne kamen ums Leben.

2019 sorgte ein Unfall in Berlin für eine Debatte über ein SUV-Verbot in Innenstädten: Nach einem epileptischen Anfall rammte ein Fahrer eine Ampel, der Wagen überschlug sich mehrfach. Dabei erfasste er mit einem Tempo von mehr als 100 Kilometern pro Stunde vier Menschen auf dem Gehweg. 

Viele Faktoren beeinflussen Verletzungsgefahr

Doch statistisch sterben nur wenige Fußgänger wegen derartiger Unfälle. Im Jahr 2023 erfasste das Statistische Bundesamt 159.118 Verkehrsunfälle mit Personenschaden, bei denen das Fahrzeug in ein Segment eingeordnet wurde. 15.285 Mal waren SUV Hauptverursacher, 8.885 Mal Geländewagen. 

Der Anteil der Fußgänger unter den Getöteten war gering: Unter 121 Toten nach von SUV verursachten Unfällen waren 7, bei Geländewagen waren es 8 von 81.

SUV seien im Unfallgeschehen auch nicht gefährlicher als andere Pkw, teilte die Björn-Steiger-Stiftung nach Auswertung statistischer Daten im Dezember mit. "Grundsätzlich beeinflussen viele Parameter die reale Verletzungsgefahr. Eine hohe Front ist nicht unbedingt gefährlicher als eine kurze Front bei einem Kleinwagen", erklärte Siegfried Brockmann, Unfallforscher der Stiftung, die nach dem Tod eines Jungen infolge eines Autounfalls gegründet worden war.

Wie schwer sich ein Opfer verletzt, hängt demzufolge maßgeblich mit davon ab, ob der Kopf gegen den Scheibenrahmen prallt. Dies sei das härteste Teil am Fahrzeug. Gar nicht vorherzusehen sei der sogenannte Sekundäraufprall, hieß es. Gemeint ist die Kollision mit einem Hindernis oder der Fahrbahnoberfläche.

Keine Hinweise auf Anschlag

Neben all dem Leid und Schmerz, die der Unfall in Stuttgart verursacht hat, machte sich aber auch ein Stück weit Erleichterung breit: Denn Hinweise auf einen Anschlag mit böswilliger Absicht gab und gibt es nach wie vor nicht. 

Sofort waren am Freitagabend entsprechende Vermutungen da - und die Gerüchte. Zu frisch sind die Erinnerungen an Mannheim, München, Magdeburg.

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