Stressfasten: Ein Plädoyer fürs Pausieren
Die Zähne nur am Wochenende oder im Urlaub putzen – das macht doch (hoffentlich) auch niemand. Ben Baak mag diesen Vergleich, um zu verdeutlichen: Auch Erholung und Regeneration sollten wie die Zahnhygiene am besten zur täglichen Routine werden. Sonst droht Karies – oder eben Erschöpfung und gesundheitliche Probleme.
Urlaub allein reicht nicht
Viele brächten mit Erholung vor allem Urlaub, Wochenende oder Wellness in Verbindung – das allein reicht nicht, um unser tägliches Pensum an Stress auszugleichen und Regeneration zu erzielen (vom Lateinischen regeneratio; Erneuerung, Wiederherstellung). Der Sportwissenschaftler macht sich deswegen für bewusste Pausen im Alltag stark.
"Die Pause ist sehr positiv, weil wir darüber unsere Ressourcen aufbauen", sagt Baak zur AZ. Er hat gerade den Ratgeber "Du kannst dich mal ... gesund erholen!" veröffentlicht.
"Es ist ganz wesentlich, dass wir im Alltag Momente finden zu regenerieren – damit erst gar nicht diese Spannungsspitze und der erhebliche Erholungsbedarf entstehen, die uns spätestens am Freitag nur noch taumelnd ins Wochenende fallen lassen." Sprich: den Stress direkt abbauen und die Belastungsfrequenz absenken.
Überall ist das hierzulande jedoch noch nicht angekommen, so Baak. "Ich würde die Pausenkultur vielerorts als lausig bezeichnen", sagt er zur AZ.
"Ohne Pause kann kein nachhaltiger Erfolg entstehen"
"Man hört immer wieder, dass sich Menschen geradezu mit einer hohen Arbeitsbelastung brüsten." Überstunden, ein voller Schreibtisch, mehrere Aufgaben gleichzeitig – wer das mit Fleiß gleichsetzt, macht die Rechnung ohne die Bedeutung von Unterbrechungen. "Ohne Pause kann gar kein nachhaltiger Erfolg entstehen. Die Gesundheit ist schließlich das Fundament für jeden Erfolg."
Im Buch schreibt er: "Die Regeneration ist für den Menschen nicht nur die Auffüllung der Akkus und Energiespeicher, sondern es geht in Bezug auf die Gesundheit um die Reparatur und Neubildung von Zellen, die auch unter Beteiligung des Immunsystems ablaufen."
Was uns im modernen Alltag unter anderem belastet: langes dauerhaftes Sitzen, hohe Konzentration über längerere Zeit, Anspannung. All das schlaucht. Aber genauso, wenn etwa das Telefon klingelt, gleichzeitig E-Mails eintrudeln und das Smartphone blinkt: neue Nachricht! All das läuft teils unbewusst und zwischendurch ab und bedeute "enormen Stress", sagt Baak. "Diese Informationen, die unser Gehirn verarbeiten muss, sind überfordernd."
Powernap statt Multitasking
Auf dem Weg zu mehr Regeneration gibt es zwei Bausteine, die man beherzigen sollte:
1.: Dinge, die uns strapazieren, vermeiden. Etwa Multitasking. "Das können wir eigentlich gar nicht. Immer wenn eine zweite Aufgabe eine Reaktion von uns verlangt – selbst beim Autofahren, wenn wir nicht nur gerade ausfahren – springt das Gehirn zwischen den beiden Aufgaben. Am Ende ist es also doch eine serielle Beschäftigung."
Die Folge: "Es macht unser Denken langsamer, führt zu höherer Fehleranzahl und stresst viele Menschen."
2.: Der zweite Baustein: Aspekte in den Alltag einbauen, die die Erholung fördern. Zum Beispiel: ein Powernap. "Es gibt viele Belege dafür, dass Menschen nach einem kurzen Powernap leistungsfähiger sind – und das sogar über mehrere Stunden hinweg." Man ist Baak zufolge danach stressresistenter und auch im Umgang mit anderen Menschen angenehmer, freundlicher, teamorientierter.
Ein weiteres Beispiel: Wer den ganzen Tag über viel sitzt und sich kaum bewegt, sollte immer wieder Bewegung in den Alltag integrieren. Etwa in der Mittagspause eine Runde spazieren gehen oder auch Schritte ins Nachbarbüro oder die Teeküche einbauen.
Das wirkt sich zudem positiv auf unseren Nachtschlaf aus, wenn wir nicht vom Dauersitzen ins Dauerliegen übergehen.
Auf die Signale des Körpers achten
Wie erkennt man nun, dass man einen Impuls der Regeneration braucht? Sich das erstmal einzugestehen, ist schon ein wichtiger Schritt, findet Baak. Erholung hat man nicht erst verdient, wenn man etwas erledigt oder abgeschlossen hat, wie es noch in so manchen Köpfen verankert sein mag.
Die Signale des Körpers können folgende sein: wenn man unkonzentriert oder hibbelig wird, sich der Nacken verspannt anfühlt oder der Rücken plötzlich schmerzt.
Der Sportwissenschaftler empfiehlt zudem, sich die eigenen Tagesformen genauer anzuschauen. Wann bin ich produktiv? Wann weniger? Viele fallen rund 30 Minuten nach dem Mittagessen in ein Tief. Dann bietet es sich an, in dieser Zeit den Kreislauf zu aktivieren, etwa in die Natur zu gehen. Damit man die Pause im Wirbel des Alltags nicht sausen lässt, sollte man sie fest in den Kalender als Termine einplanen und sich Erinnerungen einstellen.
Die Fastenzeit lässt sich nun durchaus nutzen, um besser auf die eigene Regeneration zu schauen – also "Stressfasten" und Pausen-Routinen ausbauen. Baak sagt dazu: Man soll nicht zum Gesundheitsapostel auf Zeit werden, sondern gezielt schauen, was sich auch danach dauerhaft beibehalten lässt.
Und bevor Sie sich darüber Gedanken machen, dürfen Sie nun gern eine Pause einlegen.
Schlaf, Achtsamkeit, Natur: Zehn Tipps für mehr Regeneration
Zentrale Quellen für eine gute Erholung wie Schlaf, Ernährung und Bewegung, erläutert Baak ausführlich und am Ende jedes Kapitels kurz zusammengefasst in seinem neuen Buch. Die AZ greift zehn Aspekte daraus auf:
1. Nachtschlaf: Im Erwachsenenalter werden im Schnitt sieben bis neun Stunden Schlaf benötigt. "Schon eine Nacht schlechter Schlaf führt dazu, dass wir am Folgetag unkonzentriert sind, sich der Stoffwechsel verändert und wir weniger Leistung bringen können", erklärt Baak der AZ. Kümmert man sich nicht um eine gute Nachtruhe, beeinträchtige das die Gesundheit auch auf lange Sicht.
Die gute Nachricht: "Guter Schlaf ist lernbar." Und das beginnt schon davor: Bis zur letzten Minute fernsehen oder ins Handy starren, stört die Melatonin-Ausschüttung (Schlafhormon). Ebenso sollte man nicht zu spät essen und auf Alkohol am Abend verzichten. Besser laut Baak: ruhige Aktivitäten wie ein Buch lesen, sich nicht mit der Planung des nächsten Tages stressen, nicht streiten, keine aufwühlenden Nachrichten.
2. 3x3-Formel: Wer nicht körperlich arbeitet, sondern viel sitzt, sollte Baaks Formel nach drei Mal während des Arbeitstages drei Übungen einbauen, wie die AZ schon einmal berichtet hat: Zum Beispiel drei Minuten lang den Skifahrer, später die Brustöffnung und als dritten Impuls am Tag das Beinheben im Sitzen.
3. Flüssigkeit: Über Nacht verlieren wir an Flüssigkeit, diesen Mangel sollte man schon morgens ausgleichen. Generell gilt: "Flüssigkeitsmangel sorgt oft im Alltag für Müdigkeitssymptome." Daher gilt: ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen. Das geht nicht nur mit Getränken, sondern etwa auch mit Gurken (Wasseranteil 97 Prozent), Grapefruit (91 Prozent), Erdbeeren (90 Prozent) oder Radieserln (knapp 95 Prozent).
4. Ablenkungen reduzieren: Viele Reize, die auf uns einprasseln, fördern das Stressgefühl. Daher Ablenkungen verbannen: zum Beispiel Benachrichtigungen auf lautlos stellen, das Handy aus dem Zimmer legen, die Bildschirmzeit reduzieren. "Es ist gut, mal gar nichts zu machen. Und sich dabei auch nicht ablenken zu lassen" – etwa vom Smartphone.
5. Achtsamkeit: Was im Alltag beim Stress abbauen hilft, können achtsame Übungen sein – sprich sich auf das Hier und Jetzt fokussieren. Das muss nicht einmal jemand bemerken, wenn wir unsere Sinne schärfen und in der Natur bewusst darauf achten, was wir hören (etwa die Vögel, die schon den Frühling einläuten), sehen (Krokusse, die aus dem Boden sprießen), riechen, den Untergrund spüren, und mehr. So beschreibt es Baak. Man könne auch seine Atmung bewusst beobachten: tiefer, länger, ruhiger.
6. Natur: Baak schreibt in seinem Ratgeber: "Schon 20 bis 30 Minuten an einem für den eigenen Geschmack naturnahen Ort senken maßgeblich die Stresshormone und fördern die Entspannung."
7. Übersäuerung: Laut Baaks Buch ist ein ausgeglichener Säure-Basen-Haushalt eine Grundlage für eine gute Regeneration. Idealerweise sollte man 20 Prozent säurebildende und 80 Prozent basische Nahrungsmittel zu sich nehmen. Bestimmen lässt sich der Säuregehalt mit einer ph-Wert-Messung im Morgenurin.
8. Passive Regeneration: Darunter fallen zum Beispiel Wechselbäder, Schröpfen, Massagen oder Kältebäder. "Vielen Menschen fällt es leichter, in eine passive Entspannung zu gelangen, es sich gut gehen zu lassen und keinen aktiven Beitrag leisten zu müssen." Baak empfiehlt eine "Kombination aus beidem" – also passive und aktive Regeneration.
9. Gewohnheiten: "Sie sind unser Autopilot", sagt Baak, sie bestimmten rund 50 Prozent unseres Handelns. Allerdings gibt es gute und schlechte, gerade in Stresssituationen ist es hilfreich, wenn wir bereits gesundheitsförderliche verinnerlicht haben.
In Baaks Buch heißt es: "Wer häufig frisches Gemüse und Obst isst und sich das im Alltag fest angewöhnt hat, macht dies zuverlässiger in einer intensiven Lebensphase." Ähnliches gilt etwa auch für Meditieren, das man sich als Ruhepol angewöhnen kann.
10. Atmen: Das tun wir ständig, aber nicht immer stressabbauend. Baaks Empfehlung: Durch die Nase ist immer vorzuziehen. "Wichtig sind längere Atemzüge, sprich: eine langsamere und dafür tiefere Atmung mit einer Einatmung von etwa fünf Sekunden und einer Ausatmung von etwa fünf Sekunden."
Solche Atemzüge senken und heben sichtbar die Bauchdecke – am besten im Liegen oder Stehen. Bewusst täglich zwei bis dreimal einbauen. Viele weitere Tipps finden sich im Buch.
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