Stoff von Omas Balkon

Hortensien und Wodka-Tampons: Der Fantasie der Jugendlichen sind keine Grenzen gesetzt, wenn es darum geht sich zu berauschen. Sind es deutschlandweite Trends?
von  Nadja Lebkuchen

Hortensien und Wodka-Tampons: Der Fantasie der Jugendlichen sind keine Grenzen gesetzt, wenn es darum geht sich zu berauschen. Sind es deutschlandweite Trends?

München -  Viele Gartenliebhaber
in Niedersachsen stellen in letzter Zeit entsetzt fest: Die schönen Hortensien-Pflanzen werden geklaut.
Doch es sind keine Blumenliebhaber, die die Pflanzen stibitzen. Die Polizei im Norden vermutet vielmehr, dass die Diebe die Blume rauchen, um sich in einen Rauschzustand zu versetzen. Eine bewusstseinsverändernde und euphorisierende Wirkung wird der Hortensie
nachgesagt, wenn die getrockneten Blüten, Blätter und die Jungtriebe wie Marihuana und Haschisch geraucht werden. Drogen frisch vom Balkon.

Zur „Pharmazeutischen Zeitung” sagte ein Sprecher des LKA Niedersachsen: „Das Phänomen des Hortensien-Klaus kennen wir seit mindestens zehn Jahren. Meist steigt die Zahl der Anzeigen im Frühjahr.”

Dabei zweifeln Experten, ob das Rauchen der getrockneten Hortensien eine ähnliche Wirkung wie Cannabis hat. Eine Gesundheitsgefährdung besteht aber. Beim Verbrennen der Pflanze wird Blausäure freigesetzt, die zu Vergiftungen führen kann. Es besteht die Gefahr, bewusstlos zu werden, das zentrale Nervensystem kann beeinträchtigt werden, im schlimmsten Fall kann das Rauchen von Hortensien sogar zum Tod führen. Eine genaue Statistik darüber gibt es aber nicht.

Schwappt der Trend auch nach Bayern über oder ist er vielleicht schon da? Siegfried Gift, Leiter der Jugendsuchthilfe condrobs/easyContact in München: „Biogene Drogen, das heißt Drogen, die aus der Natur stammen, kommen immer wieder." Doch Hortensien rauchende Jugendliche sind ihm noch nicht untergekommen. Auch Hubert Halemba, Erster Hauptkommissar des Dezernats für Rauschgiftdelikte in München hat von den Hortensien-Diebstählen im Norden Deutschlands gehört. „Das ist aber ein regional begrenztes Phänomen. Hier ist das noch nicht aufgetaucht.” Das Rauchen der Pflanze ist übrigens nicht strafbar – nur das Klauen.

Regionale Trends beim Drogenkonsum gibt es immer wieder. In den 90er Jahren boomte in München zur Berauschung das Codein, ein starkes Hustenpräparat. Heute sind es eher die Kräutermischungen wie Spice oder Partydrogen wie GBL, das in Lösungsmitteln enthalten ist und von den 16- bis 25-Jährigen getrunken wird.

„Slimming" heißt ein anderer gefährlicher Trend, der Deutschland erreicht. Jugendliche führen sich Tampons, die sie vorher in hochprozentigem Alkohol getränkt haben, vaginal oder anal ein. Der Alkohol soll damit sofort in die Blutbahn gelangen. In Internetforen diskutieren Jugendliche über die neue Methode. Ob es wirklich zum erhofften Erfolg führt, ist fraglich. Auch Gift glaubt eher an eine Mär: „Theoretisch ist das möglich, aber praktisch müsste ein sehr dünnes Mädchen schon viele Tampons einführen, um betrunken zu werden. Das ist sehr, sehr unwahrscheinlich." Doch auch hier besteht ein gesundheitliches Risiko. Der Alkohol kann die Scheidenflora und die Schleimhäute beschädigen.

Ob wirksam oder nicht, „es gibt diesen fatalen Trend”, sagt Halemba, „sich immer schneller und billiger zu berauschen.” 

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