Spritpreis-Hoch beflügelt die Fahrradbranche
Mit dem Fahrrad aus der Kostenfalle: Angesichts hoher Benzinpreise steigen immer mehr Autofahrer auf das günstigere Zweirad um. Doch es gab noch weitere Gründe.
Die Branche registriert den Trend zur Muskelkraft mit Freude und rechnet für 2008 mit einem kräftigen Plus bei den Fahrradverkäufen. «Ich kann mich nicht beklagen, unser Absatz ist seit Anfang des Jahres deutlich in die Höhe geschnellt», sagt Alwin Mindl, Inhaber eines Fahrradhandels in Berlin. Vor allem frustrierte Autofahrer sorgen bei ihm derzeit für ein volles Haus und ein Umsatzwachstum im zweistelligen Bereich. «Viele suchen nach einem Ausweg, weil sie sich das Auto zu diesen Spritpreisen einfach nicht mehr leisten können oder wollen», erklärt er.
Zu Mindl kommen Akademiker, Studenten, Durchschnittsverdiener oder Arbeitslose - «das geht quer durch alle Schichten.» Was auf den Berliner Fahrradhändler zutrifft, ist nach Einschätzung des Verbunds Selbstverwalteter Fahrradbetriebe (VSF) typisch für die gesamte Branche. «Die Stimmung geht eindeutig in Richtung Fahrrad, langfristig erwarten wir auf jeden Fall ein deutliches Plus», sagt Geschäftsführer Albert Herresthal. Vor allem bei Kurzstrecken bis zu fünf Kilometern, zum Einkauf oder zur Arbeit seien viele aufgrund der hohen Benzinpreise inzwischen umgesattelt, berichten die im VSF organisierten Fachhändler.
Auch das Versandhaus Quelle freut sich angesichts eines Spritpreisrekords nach dem anderen über die Neuentdeckung des Drahtesels: «Fahrräder sind stark im Trend, der Umsatz ist deutlich angezogen», sagt Manfred Gawlas, Sprecher des Konzerns. Genaue Zahlen will er nicht nennen. Bei der großen Fahrrad-Markt-Kette Bike & Outdoor Company beläuft sich das Umsatzplus seit Frühjahr nach Unternehmensangaben auf zehn bis 15 Prozent. «Gekauft wird das Cityrad genauso wie das Trekking-Rad, je nachdem, wo in Deutschland man wohnt und wie bergig es ist», sagt Rita Wall von der Marketingabteilung des Unternehmens.
Akkufahrräder zunehmend beliebt
Neben den Spritkosten dürfte jedoch auch ein saisonaler Effekt hinzukommen, meint Wall. «Wir hatten bislang einen tollen Sommer, das mischt natürlich auch mit.» Der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club (ADFC) ist allerdings überzeugt, dass das große Umsatteln anhalten dürfte. «Man muss nur rechnen», sagt Karsten Klama, Leiter der Marketingabteilung des Verbands. Allein für Sprit geben Verbraucher laut ADFC im Laufe ihres Lebens rund 80.000 Euro aus - Tendenz steigend. Und wer mit dem Fahrrad unterwegs ist, komme auch bei Parkgebühren, Versicherungen, Steuern oder in der Werkstatt wesentlich günstiger davon. Selbst die bereits angekündigten Preissteigerungen beim Fahrradkauf von bis zu zehn Prozent zum Jahresende, können diesen Effekt laut ADFC kaum beeinflussen.
Ob die durchschnittlich bei rund 4,5 Millionen liegende Marke an verkauften Fahrrädern in diesem Jahr geknackt wird, lässt sich nach Angaben des Zweirad-Industrie-Verbands (ZIV) allerdings noch nicht sagen. Erste Zahlen für 2008 gebe es erst im September, sagte ein Sprecher. Einen deutlichen Trend kann der Verband allerdings schon ausmachen: Elektrofahrräder, die mit einem Akku-Motor angetrieben werden, erfreuen sich bereits seit zwei Jahren einer steigenden Beliebtheit.
Seitdem hat sich der Markt von rund 25.000 auf 65.000 fast verdreifacht. In diesem Jahr geht der Verband von einem weiteren Wachstum auf rund 80.000 bis 100.000 sogenannter «Pedelecs» aus. Was früher als ein Gerät für Senioren verschrien war, werde heute auch immer öfter auch von Jüngeren und Berufstätigen genutzt, sagt ZIV-Geschäftsführer, Rolf Lemberg. «Es ist ja auch ideal: Man kommt ohne große Kosten ins Büro und muss sich dabei nicht einmal anstrengen.» (AP)
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