Spanien in Flammen – AZ-Redakteur wird den Jakobsweg dennoch laufen

Audio von Carbonatix
Teile im Nordwesten Spaniens haben derzeit mit den schlimmsten Waldbränden der letzten 20 Jahre zu kämpfen. Auch Bereiche der beliebten Jakobswege sind davon betroffen, einige Abschnitte wurden nun für die Pilger gesperrt, kleine Dörfer auf dem Camino Francés evakuiert.
Trotz dieser Hiobsbotschaften, die mich in den letzten Tagen auf den unterschiedlichsten Kanälen erreichten, habe ich beschlossen, in Kürze meine Pilgerreise auf dem Camino Francés in Saint-Jean-Pied-de-Port zu beginnen, wobei in meiner Brust zwei Herzen schlagen. Aber es gibt gute Gründe, meinen Rucksack nicht wieder auszupacken und den Trip abzusagen. Diese beziehen sich auf die aktuelle Situation in Spanien und können sich auch kurzfristig wieder ändern, denn ich werde mich und andere nicht aus falschem Ehrgeiz und Starrköpfigkeit in Gefahr bringen.
Pilgern oder absagen? Zwei Herzen schlagen in meiner Brust
Auf zahlreichen Quellen ist die genaue Lage der verheerenden Waldbrände ersichtlich und diese erstrecken sich in den allermeisten Fällen im Nordwesten der iberischen Halbinsel, in den Regionen Kastilien und Leon sowie Galicien und im Südwesten des Landes. Wegen des Feuers und der rauchverpesteten Luft wurde aktuell der Abschnitt Astorga nach Ponferrada für Pilger geschlossen, kleine Gemeinden wie Foncebadon, Manjarin, El Acebo und Riegos de Ambros wurden evakuiert. Das macht Sinn, denn auf dieser Strecke ist man viel in bewaldetem Gebiet unterwegs und oftmals kilometerweit von der Zivilisation entfernt. Wer hier von den Flammen überrascht wird, hat kaum Chancen auf Rettung.

In diesen Bereich fällt auch das berühmte Cruz de Ferro, einer der bedeutendsten Orte auf dem gesamten Camino Francés, doch Sicherheit geht einfach vor. Die Feuerwehr und sonstige Einsatzkräfte haben in diesem Gebiet momentan Wichtigeres zu tun, als eigensinnige Pilger zu retten, welche die zahlreichen Warnungen missachtet haben.

Auf dem Camino Francés wird es dieses Jahr meine fünfte Pilgerreise sein, in zahlreichen Herbergen im betroffenen Abschnitt habe ich in den letzten Jahren mehr als einmal übernachtet. Meine Gedanken sind in diesen Tagen bei den Herbergsbetreibern und ihren Familien, den Laden- und Lokalbesitzern, bei denen ich mich in der Vergangenheit immer wieder stärken durfte, und auch bei all den Einheimischen, die aktuell um ihr Leben sowie Hab und Gut fürchten müssen. Ich hoffe von Herzen, dass sie alle glimpflich davonkommen werden.
Gute Gründe, den Jakobsweg trotz Feuer zu beginnen
Aber trotz dieser Tragödie, die sich derzeit im Nordwesten Spaniens abspielen, habe ich beschlossen, meine Pilgerreise nicht abzusagen. Viele mögen mir nun Respektlosigkeit, mangelndes Feingefühl und Egoismus vorwerfen – vielleicht haben sie in Teilen sogar recht – aber es gibt – für mich persönlich – gute Gründe, meine Reise dennoch zu beginnen.
Meine Pilgerreise werde ich in Saint-Jean-Pied-de-Port beginnen, einem kleinen, pittoresken Städtchen in den Pyrenäen, unweit der spanischen Grenze. Von dort bis Astorga sind es über 500 Kilometer, zu Fuß werde ich drei Wochen benötigen. Bis dahin wird sich die Situation mit den Waldbränden verändern, ob zum Besseren oder Schlechten vermag niemand vorherzusagen.

Doch diese 500 Kilometer sind bisher von den Waldbränden nicht betroffen, was sich natürlich jederzeit ändern kann. Doch im Moment scheint es ungefährlich zu sein, dort zu pilgern. Und viele Menschen auf dem Jakobsweg leben von den Einnahmen der Pilger. Betreiber von Herbergen, in denen die Pilger übernachten, Besitzer von Lokalen und Bars, in denen man sich bei einer Rast stärken und erfrischen kann und auch die vielen kleinen Tante-Emma-Läden, die sich auf die Notwendigkeiten der Pilger spezialisiert haben und in denen man sich mit neuem Proviant versorgen kann.

Viele Spanier leben vom Pilger-Tourismus
Viele von ihnen haben nur wenige Monate Zeit (grob gesagt von April bis Ende Oktober) Geld mit ihren Einrichtungen zu verdienen, denn im Winter pilgern nur so wenige Menschen, dass sich z. B. der Betrieb einer privaten Herberge in dieser Zeit überhaupt nicht lohnt. Manche Orte, z. B. Hornillos del Camino, kurz hinter Burgos, sind so klein, dass es im Sommer dort mehr Pilger als Einwohner gibt. Ohne die Einnahmen durch die Peregrinos (spanisch für Pilger) wären diese Dörfchen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Geisterstadt.

Schon während der Corona-Pandemie, welche das internationale Treiben auf den vielen Jakobswegen in Spanien zum Erliegen gebracht hat, mussten diese Menschen leiden. Viele mussten am Ende schließen, weil das Geld ausblieb. Es tat mir in der Seele weh, 2023 Herbergen und Bars dauerhaft geschlossen vorzufinden, in denen ich vor Corona noch übernachtet und gegessen habe.
Und solange in Barcelona, Marbella und all den anderen nicht betroffenen Regionen in Spanien der Tourismus nicht runtergefahren wird, wieso soll ich dann die Menschen auf dem Jakobsweg nicht unterstützen, die von den Pilgern leben?
Wie reagieren die Menschen in den Brand-Regionen?
Natürlich sollte man sich nicht sehenden Auges in Gefahr bringen und stets auf die Warnung der Guardia Civil und den Einheimischen hören und sich nicht über offizielle Verbote und Sperrungen hinwegsetzen. Aber dennoch muss man seine Pilgerreise nicht zwangsläufig absagen, solange die Sicherheit gewährleistet ist. In München schickt man die Touristen ja auch nicht nach Hause, wenn Passau unter Wasser steht.
Auch meine Pilgerreise ist von den Bränden auch betroffen, denn ich wollte dieses Jahr, kurz hinter Ponferrada, mit dem Camino Invierno erstmals eine Alternativroute laufen. Doch diese Region ist stark von dem Feuer betroffen und größtenteils niedergebrannt, An ein Pilgern dort ist derzeit nicht zu denken, die Einheimischen dort haben nun weit größere Probleme, als einem Peregrino ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen zu bieten. Sich darüber zu beschweren, dass die eigenen Pläne durcheinandergewirbelt werden, wäre absolut respektlos. Aber so wie ich in den vergangenen Jahren die Hilfsbereitschaft der Spanier, von der sich viele Menschen eine Scheibe abschneiden könnten, kennengelernt habe, würden sie sogar das noch organisiert bekommen – trotz persönlicher großer Not.

Ich werde auf meiner Pilgerreise sicherlich mit den ein oder anderen Einheimischen das Gespräch suchen und mich über die Möglichkeiten erkundigen. Aber auch, wie es bei den Menschen, die durch die Flammen vielleicht hohe Verluste hatten, ankommt, wenn man als Pilger dort fröhlich mit seinem Rucksack auf dem Rücken durch die Lande zieht. Sehen sie es als einen Affront an oder sind sie dankbar, dass man nicht abgebrochen hat und die dortige Wirtschaft nach der Katastrophe ein bisschen unterstützt?
Auch wird über der gesamten Reise stets das Damoklesschwert des Abbruchs über meinem Haupt schweben. Sollte es die Situation aber unabdingbar machen, dann werde ich dieses Schwert, mit schwerem Herzen, aber ohne Zweifel ergreifen. Ob ich diese Entscheidung treffen muss? Ich weiß es jetzt noch nicht.
Danke an all die mutigen Helfer im Kampf gegen die Flammen
Was ich aber jetzt schon mit Sicherheit sagen kann, die Reise nach Santiago de Compostela, die schon unter normalen Bedingungen immer eine besondere ist, wird durch die aktuelle Situation sicher noch mal mehr bewegend sein. Habe ich Angst? Nein, aber großen Respekt, aber den sollte man sowieso immer vor einer Pilgerreise haben.

An dieser Stelle geht mein Dank an all die Feuerwehrmänner und -frauen und sonstigen Helfer, die unter dem Einsatz ihrer Gesundheit und ihres Lebens gegen die Flammen kämpfen: Gracias por sus valientes esfuerzos.
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