Sind unsere Gletscher noch zu retten? Traurige Gewissheit in den Alpen

Es ist zu spät. Wir können die Gletscher der Alpen nicht mehr retten. Das ist die alarmierende Bilanz der Münchner Gesellschaft für ökologische Forschung (GÖF) und Greenpeace Bayern zum Abschluss des Internationalen Jahres zum Erhalt der Gletscher. Die GÖF dokumentiert seit 25 Jahren das Schmelzen alpiner Gletscher in Deutschland, Österreich und der Schweiz durch Foto-Zeitreihen vom jeweils gleichen Standort aus. Doch seit dem Jahr 2000 schrumpfen die Eismassive unaufhaltsam.
"Diese Entwicklung mahnt uns, keine Zeit mehr zu verlieren", sagt Vera Baumert, Natur- und Klimaschutzexpertin von Greenpeace Bayern, am Dienstag in München. Der dringende Appell der Organisationen: Politik und Bevölkerung dürfen jetzt nicht resignieren, trotz dieser traurigen Gewissheit.

Von 1850 bis 2000 hat sich nach Berechnungen des Schweizer Gletscherforschers Wilfried Haeberli die Gletscherfläche der Alpen halbiert. Nach der Jahrtausendwende beschleunigte sich der Eisverlust. "Die Veränderungen werden immer schneller, sind für die Zukunft schon weitgehend vorgegeben und für Generationen unumkehrbar”, sagt Haeberli, emeritierter Professor für Physische Geographie an der Universität Zürich. Mit 39 Prozent Masseverlust zwischen 2000 und 2023 verzeichnen die Alpen laut Haeberli weltweit die schnellsten Schmelzraten. Aktuell seien demnach noch 65 Kubikkilometer Eis in den Alpen übrig – "davon verschwinden ungefähr zwei Kubikkilometer pro Jahr". Sein Fazit: Es bleiben noch etwa 30 Jahre Zeit, dann ist auch der letzte Gletscherrest verschwunden. "Es ist gravierend."
Auch Wolfgang Zängl, Mitbegründer der GÖF, sagt: "Die Aussichten für die Gletscher sind schlecht." Mit einem US-Präsidenten, der erkläre, dass der Klimawandel der weltweit größte Betrug aller Zeiten sei, und einer Renaissance von fossilen Energiekonzernen, von Erdgas, Erdöl und Kohle, stünde es um die Gletscher der Welt bescheiden.
Es ist ein Bild des Jammers
Auch der letzte der vier verbliebenen Gletscher in Bayern – der Nördliche Schneeferner auf dem Zugspitzplatt, der benachbarte Höllentalferner sowie das Blaueis und der Watzmanngletscher im Berchtesgadener Land – wird voraussichtlich 2035 verschwunden sein, so die Prognose der GÖF.
Axel Doering, Präsident der Alpenschutzkommission CIPRA Deutschland, war lange Zeit Förster in Garmisch-Partenkirchen. Der höchster Punkt bei seiner Arbeit war dabei die Zugspitze. Er hat den Verlust des Nördlichen Schneeferners dort verfolgt. Doering sagt: "Ich fotografiere den Schneeferner jedes Jahr. Es ist bedrückend, wie aus einem stolzen Gletscher ein Bild des Jammers wurde, das nur noch wenige Jahre Bestand hat. Nicht nur das Bild des Gletschers ändert sich, auch sein Schmelzwasser wird im Sommer in den Bächen fehlen." Doering zufolge hat sich nicht nur die Fläche des Schneeferners verkleinert, sondern auch seine Masse. "Eine Welt hat sich dort verändert."

Greenpeace-Bayern-Sprecherin Baumert mahnt: "Der Weckruf, der vom Internationalen Jahr zum Erhalt der Gletscher ausgehen sollte, ist ungehört verhallt." Der unwiederbringliche Verlust der bayerischen Alpengletscher macht demnach deutlich, dass die Klimakrise mit ihren gravierenden Folgen den Freistaat längst erreicht hat. Die vier verbliebenen Gletscher in Bayern seien bereits zum Tode verurteilt.
Sie fordert deshalb landespolitische Konsequenzen aus der fortschreitenden Gletscher-Schmelze: "Bayerns Klimaneutralität auf das Jahr 2045 zu verschieben, ist unverantwortlich. Dies sei "ein fataler Schritt in die völlig falsche Richtung", so Baumert. Und weiter: "Bayerns Ministerpräsident Markus Söder muss beim Klima Tempo machen, statt zu bremsen." Greenpeace Bayern appelliert für einen naturverträglichen Ausbau Erneuerbarer Energien, eine wirksame Offensive zur Wiedervernetzung von Mooren sowie einen klimafreundlichen Umbau von Wald- und Landwirtschaft. "Nur durch sofortiges und entschlossenes Handeln kann das Schlimmste noch abgewendet werden."