Sein Motiv, das Video: Die letzten Sekunden im Leben des Amokläufers
WINNENDEN - Die Eltern des Amokläufers haben ihren Wohnort zunächst verlassen. Unterdessen hat die Polizei neue Erkenntnisse über die Motive von Tim K.. Er fühlte sich offenbar an der Schule gemobbt. Unterdessen gibt es ein Video. Es zeigt die letzten Sekunden im Leben des Amokschützen.
Die Polizei hat erste Erkenntnisse über die Motive des Amokläufers von Winnenden. „Das Motiv hängt mit dem Internet zusammen“, sagte Polizeisprecher Klaus Hinderer am Donnerstag in Waiblingen. Auf den Computern des 17-jährigen Exschülers der Realschule wurde nach seinen Angaben ein Kampfspiel, eine Variante der „Counterstrike“-Spiele, gefunden. Darin sei ein Teil des Motivs für den Amoklauf zu sehen. Bekannte hatten Tim K. als Waffennarr beschrieben.
Mobbing
Der Sprecher deutete an, dass sich Tim K. möglicherweise rächen wollte, weil er sich an der Schule gemobbt fühlte. Eine zwölfjährige Teilnehmerin des Trauergottesdienstes hatte am Mittwochabend der Nachrichtenagentur AP gesagt, Tim K. habe ihr vor etwa drei Wochen einen Brief gezeigt. „Er schrieb seinen Eltern, dass er leidet und nicht mehr weiter kann“, sagte Fabienne B. Mitschüler hätten sich über ihn lustig gemacht, die Lehrer hätten ihn ignoriert.
Die Eltern des Amokläufers haben ihren Wohnort zunächst verlassen. Der Ort ihres Verbleibs werde nicht bekanntgegeben. Sie wollten in Ruhe gelassen werden. „Sie werden nicht von der Polizei geschützt.“ Das Haus der Eltern liegt in einer Sackgasse in Leutenbach rund 25 Kilometer nordöstlich von Stuttgart. Das Elternhaus wurde am Vortag von Journalisten belagert.
Video: Die letzten Momente des Amokschützen
Unterdessen kursiert ein Video über die letzten Momente im Leben des Amokschützen. Der britische Sender Skynews veröffentlicht das Bildmaterial auf seiner Website. Das Video ist auch auf Youtube zu sehen. Es zeigt die letzte Phase im Amoklauf. Auf einem Parkplatz eines Autohauses liefert sich Tim K. einen Schusswechsel mit der Polizei. Er lädt nach. Eine Sequenz später liegt Tim K. am Boden.
Die Polizei hat inzwischen bestätigt, dass der Junge in den vergangenen Monaten viel Zeit mit Killerspielen am Computer verbracht hat. Zu seinen Hobbys gehörte auch das Schießen mit Softair-Waffen. «Das kann ich bestätigen», sagte der Polizeisprecher Klaus Hinderer der Nachrichtenagentur dpa. «Wir haben bei ihm unter anderem das Spiel Counterstrike gefunden.» Derzeit werde Tims Computer ausgewertet, sagte er.
„Ob das auf ein Motiv hinweist, steht noch nicht fest“, sagte Polizeisprecher Brenner. Es sei bislang kein Abschiedsbrief gefunden worden und auch keine Nachricht des Täters. Im Zimmer von Tim K. seien mehrere Softair-Waffen gefunden worden. Nach dem Amoklauf seien in der Schule 60 leere Hülsen gefunden worden. Insgesamt sei eine dreistellige Zahl von Munition im Spiel gewesen.
War der Vater nachlässig?
Polizeichef Ralf Michelfelder sagte, es deute vieles darauf hin, dass der Vater bei der Aufbewahrung der Tatwaffe „nachlässig war“. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart prüft derzeit, ob sie ein Ermittlungsverfahren gegen den Vater einleiten wird, wie Sprecherin Claudia Krauth auf AP-Anfrage sagte. Es müsse nun darum gehen, die Lage „sachlich und professionell“ zu beurteilen. Wie lange die Prüfung dauern würde, wollte sie nicht sagen.
Spekulationen im Umfeld
Auch im Umfeld des 17-Jährigen wird nun viel spekuliert. Am Rande des Trauergottesdienstes, der am Mittwochabend in Winnenden stattfand, befragte die Nachrichtenagentur AP eine Zwölfjährige, die ebenfalls ein Motiv wissen will. Sie erklärte, Tim K. über einen Freund kennengelernt zu haben. Er habe ihr vor etwa drei Wochen einen Brief gezeigt. «Er schrieb seinen Eltern, dass er leidet und nicht mehr weiter kann», sagte Fabienne B. der Nachrichtenagentur AP. Mitschüler hätten sich über ihn lustig gemacht, die Lehrer hätten ihn ignoriert. Die Polizei erklärte allerdings auf AP-Anfrage, dass ihr von diesen Umständen nichts bekannt sei.
Bei dem Amoklauf hatte der 17 Jahre alte Tim K. am Mittwoch zunächst an seiner alten Schule acht Schülerinnen, einen Schüler und drei Lehrerinnen getötet. Laut Polizei wurden zudem neun Personen an der Schule verletzt. Bei seiner Flucht erschoss Tim K. einen Passanten, entführte ein Auto und tötete nach einer Verfolgungsjagd zwei Menschen in einem Autohaus in Wendlingen. Bei dem Schusswechsel mit der Polizei verletzte er zwei Beamte schwer, bevor er nach Angaben der Staatsanwaltschaft verletzt wurde und sich dann offenbar selbst tötete.
Die bei dem Einsatz verletzten Polizisten seien außer Lebensgefahr, sagte Michelfelder. Von den verletzten Schülern seien sieben noch im Krankenhaus. Sie seien teilweise schwer verletzt, «bis hin zu Bauchschüssen», aber glücklicherweise auch außer Lebensgefahr. Die Polizei in Waiblingen sprach am Morgen von insgesamt neun Verletzten, darunter fünf Schüler. Tim K. habe bei dem Amoklauf allein in der Schule mindestens 60 Schüsse abgefeuert, sagte Michelfelder. Es deute vieles darauf hin, dass der Vater bei der Aufbewahrung der Tatwaffe «nachlässig war». Eine Bewertung obliege aber der Staatsanwaltschaft.
Rektor warnte mit verschlüsselter Durchsage vor Amoktäter
Während des Amoklaufs des 17-jährigen Tim K. in der Albertville-Realschule hat der Rektor eine verschlüsselte Warnung über die Lautsprecheranlage durchgegeben. „Frau Koma kommt“ habe er gesagt, berichtete eine Schülerin am Mittwochabend im ZDF. „Das heißt ja Amok rückwärts.“ Die Lehrerin habe die Tür des Klassenzimmers abgeschlossen. Möglicherweise konnte so noch schlimmeres verhindert werden. (nz/dpa/AP)