Schlumpfwillige gesucht

Sei sind jeden Tag blau - und das seit genau 50 Jahren. Am 23. Oktober 1958 kamen die Schlümpfe in Brüssel zur Welt. 100 Männer und nur eine Frau. Doch das soll sich jetzt ändern. Die blonde Schlumpfine bekommt Konkurrenz.
von  Abendzeitung
Blondine bevorzugt: Schlumpfine ist der Schwarm der  Blaumänner, aber Sex ist tabu in Schlumpfhausen.
Blondine bevorzugt: Schlumpfine ist der Schwarm der Blaumänner, aber Sex ist tabu in Schlumpfhausen. © Super RTL

Sei sind jeden Tag blau - und das seit genau 50 Jahren. Am 23. Oktober 1958 kamen die Schlümpfe in Brüssel zur Welt. 100 Männer und nur eine Frau. Doch das soll sich jetzt ändern. Die blonde Schlumpfine bekommt Konkurrenz.

Nein, alles haben sie in ihrem „Verwunschenen Land“ nicht verschlumpft. 1970, ein Jahr nach der Mondlandung von Apollo 11, ist auch der Cosmo-Schlumpf auf und davon ins All. Die übrigen 100 Zwerge, die ihre Mützen nie absetzen, sind im Mikrokosmus ihrer Wohnpilze geblieben. Eine eingefahrene Männer-Kommune, fern jeder zivilisatorischen Zwänge – mit nur einem weiblichen Wesen, der strohblonden und busenlosen Schlumpfine. Die Wichte liegen ihr zu Füßen, doch mehr auch nicht. Sex sells nicht in Schlumpfhausen. Kinderkriegen und Elternzeit sind, wie Drogen, Kriminalität und Geld, keine Themen. Die kleinen Schlümpfe bringt der Storch.

Wo und wie’s lang geht in dem weltfernen Dorf, das weiß nur Papa Schlumpf, der als Übervater bärtig und rotbemützt ist. Vom Kochschlumpf, über den Witzbold-, Angeber-, Bastel- oder Schlaubischlumpf – hören alle auf ihn, leben aber in erster Linie ihre Neigungen aus.

"Eine Utopie, zu schön, um schlumpf zu sein"

Das soll jetzt anders werden. Zum Jubiläum kündigt Hendrik Coysman, Chef der Schlumpf-Produktionsfirma MPS, „soziokulturelle Veränderungen“ an. „Da Frauen inzwischen immer stärker an die Macht gekommen sind“, sollten bald mehr Mädchen in Schlumpfhausen einziehen und die alterslosen Fuffzger etwas aufmischen.

„Gender Mainstreaming bei den Schlümpfen? Dies scheint mir ein Marketing-Gag“, sagt Medien-Professor Thomas Knieper von der TU Braunschweig. „Aber vielleicht steckt hinter der soziodemographischen Anpassung für eine derartige Gesellschaft auch mehr: Ein generationenübergreifendes und funktionierendes Zusammenleben. Verluste und Gewinne werden gemeinsam getragen. Eine Utopie, zu schön um Schlumpf zu sein.“

In den 80ern tummelten sich die Schlümpfe in fast jedem Kinderzimmer. Können die Kids von heute, im Zeitalter der Animes, noch viel mit ihnen anfangen? „Ab fünf bis sechs Jahren kommen Kinder gut mit der Serie zurecht“, sagt Experte Knieper. Der Erfolg liege weniger am Zeichenstil als am stets wiederkehrenden Grundmuster: „Obwohl der Zauberer Gargamel und seine Katze Azreal die Schlümpfe ständig bedrohen, befreien sie sich mit Witz und Intelligenz aus jeder Gefahr. Die Kleinen siegen über die Großen. Wenn da nicht das Kinderherz aufgeht.“

"Ihre himmelblaue Haut war ein Zufall"

Ins Licht der Comic-Welt blinzelten die Zwerge am 23. Oktober 1958 in dem belgischen Magazin „Spirou“. Pierre Culliford, genannt Peyo, (1928 – 1992) brachte sie in seinem Mittelalter-Comic „Johan und Pfiffikus“ unter. Der Beginn einer Welt-Karriere (siehe Info). „Ihre himmelblaue Haut war ein Zufall“, erinnert sich Peyos Witwe Niné. „Mein Mann konnte nicht besonders gut mit Farben umgehen.“ Ebenfalls ungeplant ist auch der Name. Beim Essen mit einem Kollegen fällt Peyo das richtige Wort für Salzstreuer nicht ein und er bittet um „le schtroumpf“. Der Name verschlumpft sich schnell, gerade in Deutschland werden Wörter durch den Begriff „Schlumpf“ ersetzt oder ergänzt.

1969 taucht die blaue Bande erstmals bei uns auf – in einem „Fix und Foxi“-Band. Acht Jahre später erobern sie mit Vader Abraham und dem „Lied der Schlümpfe“ 48 Wochen lang die Charts (siehe Interview). Inzwischen hiphoppen und rappen sie selbst, sind online sehr gefragt.

Die Plastikfiguren werden zwischen zehn und 1000 Euro gehandelt und sorgen in einschlägigen Foren für Gesprächsstoff. Sieht Papa Schlumpf nicht aus wie Karl Marx? Keine Frage – für manche Hobby-Forscher. Die blauen Genossen, so ihre Interpretation, sind Kommunisten. Das Schlumpf-Dorf symbolisiere die sozialistische Gesellschaft. Und Zauberer Gargamel, der die putzigen Kerlchen zu Gold verarbeiten will, gilt als Vertreter des Kapitalismus.

Ist der böse Zauberer Gargamel ein Kapitalist?

Peyos Sohn Thierry Culliford, der sich mit Mutter, Schwester und Autoren um die Zukunft der Blaumacher kümmert, kann damit nichts anfangen: „Mein Vater war politisch nicht aktiv. Die Schlumpf-Geschichte basiert aus der Beobachtung zu seiner Umwelt. Er wollte seinen Lesern Solidarität und Toleranz vermitteln.“

Medienwissenschaftler Knieper kann das nur unterstreichen: „Im Sinn einer Gesellschaftsutopie, wo einer dem anderen hilft, brauchen wir unbedingt mehr Schlumpfwillige. Für den Anfang würde es nicht schaden, zumindest in der Bankenwelt und in der Politik mehr Schlümpfe zu haben.“Renate Schramm

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