Schlammlawine stürzt auf Zug – neun Tote
ROM - Ein Bergrutsch in Südtirol löst große Mengen Erde aus einem Hang. Als sie einen fahrenden Zug treffen, kippt einer der Triebwagen um – nur Bäume bewahren ihn vor einem Sturz in den Fluss
Südtirol steht unter Schock: Bei einem schlimmen Zugunglück im Meraner Land wurden gestern neun Menschen in den Tod gerissen – darunter der Lokführer und vermutlich mehrere Jugendliche. 28 Insassen sind verletzt, sieben davon schwer.
Ob auch Deutsche betroffen waren, konnten die Behörden zwar nicht ausschließen, aus dem Auswärtigen Amt hieß es jedoch auf AZ-Anfrage: „Bisher gibt es keine Hinweise auf Deutsche unter den Opfern“. Auch in Südtirol geht man offenbar davon aus, dass vor allem Einheimische dem Unglück zum Opfer fielen. Insgesamt hatten 37 Menschen in dem entgleisten Zug gesessen, hieß es.
Der Schock im etwa 40 Kilometer entfernten Bozen saß tief: Gestern um 9.03 Uhr ereignete sich der tragische Unfall, berichtete das Landespresseamt. Im Vinschgau-Tal war der Regionalzug R 108 von Mals in Richtung Meran unterwegs – eine Region, in der auch die Münchner gerne Urlaub machen. Die Gegend liegt nur wenige Autostunden von München entfernt.
Was sich jedoch gestern in der Urlaubsregion inmitten idyllischer Landschaft abspielte, erinnerte eher an einen Horrorfilm: Wie aus dem Nichts stürzt in einer engen Schlucht eine Lawine aus Schlamm und Gesteinsbrocken auf den Zug und trifft diesen mit voller Wucht. Die vorderen Waggons werden aus den Gleisen geschleudert, der Zug kippt um, und stürzt über eine Böschung in die Tiefe.
Hätten Bäume ihn nicht abgebremst, wäre der Zug sogar im Fluss gelandet, berichten die entsetzten Rettungshelfer. Und Landeshauptmann Luis Durnwalder, der sofort zur Unglücksstelle geeilt war, erklärt: „Der Unglückszug, dessen erster Waggon über die Böschung hinaus geraten war, wurde sofort stabilisiert, die Hänge über der Unfallstelle gesichert und die Verletzten erstversorgt.“
Warum sich die Felsbrocken gelöst hatten? Vermutlich hatte eine defekte Beregnungsanlage den Erdrutsch ausgelöst. Bei frostigen Temperaturen war in der Nacht ein Rohr geplatzt, Wasser strömte aus und weichte das Gelände auf. „Es hat den Anschein, als ob einsickerndes Wasser den gesamten Hang in Bewegung gesetzt habe“, nimmt die Behörde in Bozen Stellung. Die Schlamm-und Gesteinsmassen bewegten sich in einer Breite von 10 bis 15 Metern talwärts und drangen auch in die Waggons ein, sagte der Bozener Chefgeologe Ludwig Nössing. Landesrat Richard Theiner fand für das Unglück kaum Worte: „Es ist eine Katastrophe.“
Auch die Bergung der Verletzten und Toten gestaltete sich schwierig, denn die Waggons waren bis zu eineinhalb Meter von Erde, Geröll und Schlamm bedeckt. Die Retter waren im Dauereinsatz, sogar mit Hubschraubern. Die Männer mussten die Toten und verletzten teilweise aus den Schlammmassen bergen. „Der hoffentlich letzte Verletzte ist um 12.20 Uhr geborgen worden“, gibt Landeshauptmann Durnwalder am Nachmittag Entwarnung. Die Verletzten wurden in umliegende Kliniken gebracht.
Man könne jedoch nicht ausschließen, dass noch Opfer gefunden werden – unter dem Waggon, der noch nicht geborgen werden konnte.
Der Landeshauptmann kann es kaum fassen: „Das ist die schlimmste Zugtragödie, die wir jemals in der Provinz Bozen gehabt haben.“ Anne Hund
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