Schiedsrichterin in Berlin: Anpfiff von einer Muslimin

Integration auf dem Fußballfeld: Gülseren Gül (34) ist in Berlin Schiedsrichterin. Die Muslimin leitet seit 14 Jahren Fussballspiele und ist sich ihrer Vorbildrolle dabei immer bewusst.
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Die 34-jährige Gülseren Gül bei der Arbeit.
dpa Die 34-jährige Gülseren Gül bei der Arbeit.

BERLIN - Integration auf dem Fußballfeld: Gülseren Gül (34) ist in Berlin Schiedsrichterin. Die Muslimin leitet seit 14 Jahren Fussballspiele und ist sich ihrer Vorbildrolle dabei immer bewusst.

Gülseren Gül pfeift scharf, zieht die Gelbe Karte aus ihrer Brusttasche und reckt den Arm weit hinauf in den Berliner Nieselregen. Sie ist nur 1,53 Meter groß, aber sie hat die Fußball-Männer voll im Griff. Die Neuköllner Sperber liegen bereits 0:6 hinten, die Landesligapartie gegen den BSC Rehberge bleibt aber friedlich. „Echt ein grottenlangweiliges Spiel heute“, sagt die Schiedsrichterin nach dem Schlusspfiff.  

 Für den Ausländerkritiker Thilo Sarrazin mag es so aussehen, als wollten sich Muslime nicht integrieren. Auf den Berliner Fußballplätzen gehören sie jedoch längst dazu. Etwa ein Drittel der 110000 Mitglieder hat einen ausländischen Hintergrund. Muslimin Gülseren Gül geht nach dem Spiel mit den Spielern aus arabischen, türkischen, russischen und serbischen Familien ins Vereinsheim des BSC Rehberge und isst Gulasch mit Kartoffeln.   „Geh in Deiner Heimat pfeifen!“, hört die Schiedsrichterin aus einer türkischen Familie immer wieder.

Dabei ist die 34-Jährige in Deutschland geboren und in Berlin aufgewachsen. Sie lässt ihr schwarzes Haar offen, trägt kein Kopftuch. Allerdings trägt sie im Stadion gerne den Trainingsanzug der türkischen Nationalmannschaft. Gülseren Gül ist seit 14 Jahren Schiedsrichterin und sich ihrer Vorbildrolle voll bewusst – nicht nur für Frauen mit Migrationshintergrund. Auch die Gesellschaft soll endlich wahrnehmen, dass nicht alle Musliminnen Kopftuch und lange Hose tragen, sondern auch mal Shorts und Stollenschuhe, findet sie. „Erst waren meine Eltern dagegen, dass ich Schiedsrichterin werde. Mittlerweile haben sie sich aber damit abgefunden“, erzählt Gül. Und nun seien die Schiedsrichter-Kollegen wie eine zweite Familie für sie geworden. Deswegen sieht sie auch kein Problem darin, sich mit ihren Assistenten eine Umkleidekabine zu teilen – und erntet komische Blicke auf Männerseite. Vielleicht ist auf dem Fußballplatz das Geschlecht tatsächlich wichtiger als die Religion. „Geh in die Küche, Du Frau!“, rufen ihr die Spieler immer wieder zu. Gül: „Dann schmeiße ich die runter und fertig. Da muss man sich durchsetzen – oder einfach weghören.“

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