Scheitern als Chance
«Et hat noch immer joot jegangen» - der dritte Artikel des rheinischen Grundgesetzes sollte allen Scheiternden als Motto dienen. Denn nach der Kündigung nicht am Boden liegen zu bleiben, ist die beste Devise.
Erfolg und Misserfolg liegen oft eng beieinander. Das gilt gerade im Beruf: Karrieren gehen selten nur bergauf. Umso wichtiger ist es, Niederlagen wegzustecken und nicht aufzugeben, wenn etwas schief geht. Das kann die geplatzte Beförderung sein, die Kündigung oder ständige Kritik vom Chef. Gründe für Frust im Job gibt es viele - es kommt darauf an, wie man damit umgeht.
«Misserfolge sind unvermeidlich», sagt Gerhard Scheucher, Autor und Kommunikationsberater aus Wien. «Keiner redet gerne darüber, aber ohne sie geht es nicht: Scheitern ist die Voraussetzung von Erfolg.» Viele Ziele seien überhaupt nur erreichbar, wenn nach einigen Fehlversuchen immer wieder ein neuer Anlauf genommen wird. «Das ist im Sport so, in der Forschung und im Berufsleben.»
Offener Umgang mit Fehlern ist gut
In einer Gesellschaft, in der vor allem Erfolg zählt, gelte Scheitern allerdings als Makel: «Auf denjenigen, der Fehler macht, wird mit dem Finger gezeigt», sagt Scheucher. Dabei sei ein offener Umgang mit Fehlern und Misserfolgen für alle von Vorteil: «Der Druck wird kleiner, und das hilft, weitere Fehler zu vermeiden.» Misserfolge sind Misserfolge, daran ist nicht zu rütteln: «Sie sind für jeden Menschen negativ», sagt Nathalie Galais, Psychologin an der Universität Erlangen-Nürnberg. Aber wie man damit umgeht, das sei sehr unterschiedlich. Ebenfalls ganz verschieden sei, was der Einzelne als Misserfolg erlebt, sagt Thomas Steinert, Coach und Psychoanalytiker in Hannover. Schließlich hätten nicht alle die gleichen Werte und Ziele.
Zwei Typen: Erfolgsorientierte und Fehlervermeider
Auch die Strategien im Umgang mit Erfolg können sehr unterschiedlich sein, sagt Galais. Generell gibt es zwei Typen: den Erfolgsorientierten und den Fehlervermeider. Letzterer ist anfälliger für Misserfolgserlebnisse und in der Regel öfter frustriert. Für das berufliche Vorwärtskommen ist das nicht entscheidend: «Erfolgsorientierte sind nicht grundsätzlich erfolgreicher als Fehlervermeider», sagt Galais. Aber Fehlervermeider sind potenziell weniger glücklich: Denn wer sich Erfolge wünscht, kann sich in der Regel Freude, wenn sie sich einstellen. Wer vor allem Fehler vermeiden möchte, ist einfach nur erleichtert, wenn er keine macht.
«Hilflosigkeit ist erlernt»
Boris Grundl hat Erfahrung mit Niederlagen und Rückschlägen: Tauchen und Fallschirmspringen waren nur ein paar seiner Hobbys, bis ein Unfall ihn mit Mitte 20 an den Rollstuhl fesselte. Heute lebt Grundl wieder in seinem Heimatort Trossingen am Rand des Schwarzwalds, spielt Rollstuhl-Rugby und ist Management-Trainer. Seine Botschaft lautet: Selbstverantwortung übernehmen.
«Hilflosigkeit ist erlernt», betont er. Wir alle neigten dazu, immer andere für das eigene Scheitern verantwortlich zu machen. Aber es bringe nichts, sich einzureden, der Chef oder die Familie seien schuld an Misserfolgen. «Wenn man selbst die Verantwortung dafür übernimmt, kann man auch Hürden nehmen und auf diese Weise positive Erfahrungen machen», sagt Grundl.
«Dann liegt der Weg vor einem.» Nicht «alles ist möglich» sei dabei das Motto, aber: «Es gibt viel mehr Möglichkeiten, als ich denke.» Entscheidend sei, sich innerlich aufzurichten, auch wenn man gerade am Boden liegt. Wenn es nicht funktioniert wie gewünscht, müsse man eben daran arbeiten, wie es sich trotzdem hinkriegen lässt: «Dabei gibt es kein 'Nie'», sagt Grundl, «sondern nur ein 'Noch nicht' oder 'So nicht'.» (dpa)
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