„Sänk ju for träweling“
Unfreundliche Schaffner, unzureichende Auskunft am Schalter, patziges Service-Personal: Auf dieser Seite lesen Sie acht kurze Geschichten von AZ-Redakteuren über ihre Erfahrungeg mit der Deutschen Bahn
Peter Lehner, Layouter: „Neuer Fahrplan, alles anders. Jahrelang gepasst – jetzt soll alles schneller und pünktlicher sein. Und nun Anschlüsse, bei denen ich mir wünsche, ich wäre Superman. Ankunft gleichzeitig mit Abfahrt des Anschlusszuges. Ich jammere nicht, das tut die Bahn und erhöht die Preise. Ab geht's, aber Mitte des Weges wird umgestiegen, Wartezeit sieben Minuten. Ich verdrücke mir die Tränen. Also nehme ich eine andere Strecke, die ist zwar gleichlang, dafür hält der Zug öfter. Schwuppdiwupp bin ich länger unterwegs. Von wegen schneller. Verspätungen tagtäglich, wieder mal der Anschluss weg. Ich geb's zu: ein wütender Anruf bei der Bahn, die durch nichts aus der Ruhe zu bringende Dame am Telefon erklärt: „Schreiben Sie uns doch, da können Sie Dampf ablassen.“ Wunderbar, da kann ich gleich die eine Stunde Wartezeit auf den nächsten Zug dazu verwenden. Sehr fürsorglich von der Bahn.“
Christoph Landsgesell, Volontär: „Die Bahn hat oft Verspätung. Manchmal ein paar Minuten, manchmal eineinhalb Monate. So lange musste ich nämlich auf meine neue BahnCard warten. Doch zum Glück gibt es ja die ,Vorläufige BahnCard’, deren Nummer mir ein netter Herr vom Service-Telefon nannte. Wo ich sie abholen kann? Aufgelegt. Also vor der nächsten Zugfahrt eine halbe Stunde früher zum Bahnhof, mit der Nummer an den Automaten - und dann: keine Ahnung, wo ich jetzt diese vielen Zahlen eintippen soll. Zum Schalter. Die Mitarbeiterin mit dem Oberlippenbart antwortet barsch: „Sie müssen die Nummer am Automaten eingeben.“ – „Und wo genau?“ – „Am Automaten.“ Wieder zurück, rumdrücken. Die Bahnangestellte war da schon in der Mittagspause. Irgendwann hatte ich dann doch das richtige Feld gefunden. Nummer eingegeben, meine vorläufige BahnCard hatte ich. Nur meinen Zug – den hatte ich leider bereits verpasst.“
Ralph Hub, Lokalredakteur: „Meine Frau, unsere zwei Kinder, unser Hund Timmy und ich wären mal fast aus dem Zug geflogen, obwohl wir alle eine Fahrkarte hatten. Wir waren im Dezember 2007 auf dem Rückweg vom Salzburger Weihnachtsmarkt. Der Zug nach München war bereits eine halbe Stunde vor Abfahrt brechend voll. Unser Hund (40 Kilo Lebendgewicht, ein Hovawart) passte nicht mehr zwischen uns und musste deshalb mit seinem Hinterteil ein Stück im Gang liegen. Die Passagiere, die in den vorderen Zugteil wollten, mussten über ihn steigen. Was unseren Hund nicht besonders störte, auch nicht die Fahrgäste. Nur der Schaffner, der als letzter über unseren schlafenden Hund steigen musste, flippte aus. Obwohl wir für den Hund eine Fahrkarte hatten, drohte er uns an der nächsten Station (Freilassing) aus dem Zug zu werfen. Wir hatten unserem Hund keinen Maulkorb angelegt. Der ist angeblich Pflicht. Allerdings heißt es nicht umsonst: schlafende Hunde beißen nicht. Unserer beißt nicht mal im wachen Zustand. Einen Maulkorb hatten wir sogar dabei. Den hätte allerdings eher dieser freundliche Schaffner nötig gehabt. . .“
Annette Baronikians, Gastro-Redakteurin: „Ich verdanke der Bahn ein wahrlich unvergessliches Erlebnis. Beim Umsteigen von einem S-Bahn-Abteil zum nächsten – das bei meiner Fahrt zum Flughafen nicht abgehängt werden sollte – schlossen sich plötzlich die Türen und mit einem Arm blieb ich „stecken“. Ich versuchte mich zu befreien, hörte schon die Ansage zur Weiterfahrt und bekam es mit der Angst zu tun. Mit aller Kraft riss ich meinen Arm heraus, der große Goldring an meinem Finger wurde dabei zerstört. Doch ich war mehr als froh, dass nicht Schlimmeres passiert ist. Am Bahnsteig sah ich dann, nur etwa drei Meter entfernt, drei Bahnmitarbeiter stehen, die mir in keinster Weise geholfen haben. Auch ein anschließender Briefwechsel mit der Bahn war erstaunlich. Der Tenor: Was mir passiert ist, könne so eigentlich gar nicht passiert sein. Meine schwer geprellte Hand habe ich allerdings noch wochenlang gespürt...“
Markus Jox, Politikredakteur: „Kürzere Fahrten mit dem ICE verbringe ich gerne im Speisewagen, auch, weil einen die vertraute Sänk-ju-for-träweling-wiss-deutsche- bahn-Stimme per Lautsprecher-Durchsage so nett dorthin einlädt. Da kann man dann ein, zwei Bierchen zischen und dazu die AZ verschlingen. Das Unschöne ist nun, dass die Innenarchitekten des ICE3, der mit brüchigen Achsen durch die Gegend heizt, für das Restaurant lediglich zwei Vierer- und zwei Zweierplätze vorgesehen haben. Daneben gibt es nur noch einen höchst unbequemen Stehplatzbereich – das sogenannte Bord-Bistro. Neulich also nahm ein sehr vornehmer Herr mit einer sehr gut gebügelten Anzughose schräg gegenüber Platz – und las die FAZ. Als die Bedienung, das Gesicht zur Faust geballt, endlich an den Tisch kam, bestellte der Herr freundlich „ein Wasser und einmal Currywurst bitte“. „Das geht nicht“, pampte die junge Dame vom sogenannten Service, „die Currywurst verkaufen wir nur im Bistro“. „Habe ich Sie richtig verstanden“, fragte der Herr noch immer freundlich, „wenn ich aufstehe und zwei Meter weiter in den Stehbereich gehe, bekomme ich die Wurst?“ „Ja“, kam schneidend die Antwort der Bedienung. Der Gast tat das einzig Richtige. „Ihr Wasser können Sie selber trinken“, spie er aus. Und verließ fassungslos das Abteil.“
John Schneider, Gerichtsreporter: „Vor einigen Wochen verzögerte sich die Abfahrt des Regional-Expresses gen Geltendorf wegen Betriebsstörung um einige Minuten. Nicht weiter schlimm, sowas kommt öfter vor. Was dann passierte, war allerdings außerordentlich fies: Die Reisenden im Zug warteten über eine halbe Stunde – und mussten zur Krönung auch noch mitansehen, wie auf dem Nebengleis ein Zug in dieselbe Richtung (der fahrplanmäßig eigentlich eine halbe Stunde später dran war als unser Zug) vor dem Regionalexpress abfuhr. Man hätte also in aller Seelenruhe noch umsteigen können, um früher nach Hause zu kommen. Aber weder auf dem Bahnsteig noch im Zug war die längere Wartezeit noch die Umsteigemöglichkeit der Bahn eine Ansage wert.“
Anja Timmermann, Politikredakteurin: „Mein Fahrrad und ich wollen von Prag nach München reisen, ordnungsgemäß im Besitz einer tschechischen und einer deutschen Fahrradkarte. In Pilsen geht eine Schaffnerin durch den Zug, um anzukündigen, dass die Hälfte der Waggons inklusive Fahrradcontainer abgehängt wird. Die Radler mögen sich einzeln auf den Platz zwischen den Zugtüren verteilen. Damit sind dann sowohl sämtliche Türen blockiert wie auch der Durchgang zwischen den Waggons. Die deutsche Schaffnerin, die an der Grenze zusteigt, trifft fast der Schlag. Sie fordert uns auf, in der ersten deutschen Station (Furth im Wald) auszusteigen. Alle weigern sich – wer weiß, wie man mit Fahrrad von dort wegkommen soll. Also ruft sie den draußen wartenden Passagieren zu, dass sie nicht einsteigen dürfen, weil die Lage im Zug nicht den Sicherheitsrichtlinien entspreche. Einige schummeln sich rein, als sie nicht guckt. Manchmal muss man bei der Bahn durchsetzungsstark sein.“
Matthias Maus, Chefreporter: „Die liegengebliebene Lok, die Signalstörung am Ostbahnhof – ich kenne sie alle. Bevorzugt am Freitagabend passiert das. Auf dem Weg ins Wochenende mit grantigen Mitinsassen eine Stunde auf die Weiterfahrt warten – aber sicher.
Und doch gilt es nach fast zwei Jahrzehnten und über 229900 Kilometern Pendlerexistenz eine Lanze zu brechen: für die Bahn und vor allem für ihre Leute. In den uralten Loks, die oft pünktlich sind, in den manchmal ungeheizten Wagen arbeiten meistens freundliche Schaffner, die den ganzen Ärger der Kundschaft abkriegen und die trotzdem nett bleiben. Geldbeutel samt Monatskarte vergessen? „I kenn Eahna ja!“ Schirm vergessen? „Kollege im Gegenzug bringt ihn wieder mit!“ Kleinigkeiten, sicher, aber sie machen das Leben leichter.“
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