Roboter wollen nur spielen
Sympathisch und doch etwas unheimlich: Die Messe „Automatica“ zeigt einem interessierten Publikum, was Roboter heute schon alles können. Vom Haushalts-, Barkeeper- bis zum Mülltrennungsroboter ist alles dabei.
Natürlich ist das alles ein Heidenspaß: Wenn die vier „La Ola“ machen, den Schal in die Höhe wedeln, und dabei „I werr narrisch“ brüllen. Sogar die vier asiatischen Besucher, aus geografischen Gründen eigentlich weniger im EM-Fieber, sind amüsiert: Sie verstehen und grinsen und knipsen. Auch wenn die „Fans“ nur Roboter sind und nur einen Arm haben.
Am Fußball kommt keiner vorbei in diesen Tagen, auch nicht auf der Münchner Messe, wo die „Automatica“ in den nächsten beiden Tagen einem interessierten Publikum vorführt, was Roboter heute schon können. Also hat eine Firma einen mechanischen Elfmeterschützen im Innenhof aufgebaut, der, so der Programmierer, „in zwölf verschiedenen Schussvarianten“ den Ball aufs Tor zu schießen versteht.
Die Messebesucher können, körperliche Fitness vorausgesetzt, den Torwart geben. Die Schüsse sind platziert, aber nicht hart, damit der durchschnittlich sportliche Außendienstler eine Chance hat. Doch der Betreuer – er trägt Nationaldress – lässt keinen Zweifel: Man könnte den Kerl auch so programmieren, dass der schöne Begriff „Eisenfuß“ eine neue Bedeutung bekäme und der Torwart recht alt aussähe.
"Der will ja nur spielen"
Aber man will sich ja nicht gleich den Spaß verderben mit roher Gewalt oder rauen Wahrheiten. Und davon gibt es auf den zweiten Blick mehr als genug auf der Messe – weniger zu besichtigen als zu erahnen.
Es präsentieren die humorvolleren der über 870 Aussteller ihre Produkte mit ein bisschen Witz und der Botschaft: „Der will ja nur spielen.“ Da kicken sich kleine solargespeiste Maschinchen die Bälle zu, ein elektronischer Trommler dilettiert bemitleidenswert am Schlagzeug, oder vier Apparate sitzen an den Paddeln eines Ausflugsboots. Sie demonstrieren glaubhaft, dass sie die Richtung halten oder ändern könnten, wenn sie denn ins Wasser dürften.
Doch dazu sind die Kisten viel zu wertvoll, und es verknüpfen sich ja auch weit ernsten Wünsche und Hoffnungen mit den Möglichkeiten der Roboter als nur Jux und Dollerei. Der Haushaltsroboter „Care-o-Bot“ zum Beispiel, der kann einem schon mal ein Glas Wasser bringen – demnächst irgendwann mal. Dem Messe-Exemplar darf man nicht zu nahe treten, sonst verweigert die graue Kiste den Service.
Im Labor sicher, draußen noch nicht
Sympathischer – aber auch irgendwie unheimlicher – ist da doch „Robotino“, ein lustiger Gesell aus den Labors des „Danish Technological Institute“. Er ist einen Meter groß und reagiert auf Blickkontakt. „Wenn Sie stehen bleiben und ihn anschauen, kommt er auf Sie zu“, sagt Morten Vestergaard-Lund. – Und warum sollte man das gut finden?
„Stellen Sie sich eine Situation auf dem Flughafen vor“, sagt der Projektleiter: „Sie sind ratlos, und der Roboter erkennt, dass sie Hilfe brauchen.“ Soweit, so gut. Nur sollten nicht zuviele Menschen in der Nähe sein, „dann ist er verwirrt“, sagt Lund. „Im Labor ist er selbstsicherer“. Fast menschlich irgendwie, Robotino fremdelt. Und den richtigen Weg nach draußen kennt er in München auch nicht.
So kann man sich mühelos verlaufen zwischen zischenden, rasenden Metallarmen, die in einer Affengeschwindigkeit Pralinen auf Bändern sortieren, oder ganze Paletten mit Gurkengläsern; die Autos lackieren „ohne Farbverlust“, die Kurbelwellen erst schleifen und dann montieren; die Mühle spielen oder Karbon für Flugzeugfensterrahmen flechten.
Auf den ersten Blick wird klar, dass kein Mensch das so schnell könnte, so sauber und so klaglos. Von einer Elf-Milliarden-Industrie“ hat EU-Kommissarin Viviane Reding zur Begrüßung gesprochen und davon, dass die Robotik „in unseren Hochlohnländern eminent wichtig“ sei.
Den Kerl im Wertstoffhof müsste es nicht mehr geben
Klar, Roboter sind teuer, aber sie verdienen nichts. Von der Automobil-Industrie bis zur Neuro-Chirurgie, von der Backstraße bis zum Abfall-Fließband reichen die Anwendungsgebiete. Und wenn man Matthias Fritsch am IBM-Stand zuhört, vergeht einem das Mitleid mit dem armen Kerl im Wertstoffhof, der den Müll noch mal nachtrennen muss: Es muss ihn nämlich längst nicht mehr geben. Den Unterschied erkennen zwischen Altmetall und Restmüll? Eine leichte Übung. Die Maschine kann so viel Arbeit abnehmen – und so vielen die Arbeitsplätze. Es kann einem angst und bange werden.
Sogar Drinks können sie mixen, die Dinger. Mit Eis und rühren und Leergut wegräumen – der gelbarmige Barkeeper von Fanuc macht’s spielend vor. „Sex on the Beach“ oder „Tequila Sunrise“, der Bar-Robot hat sie alle drauf – da Freude sich die Studenten vom Technikum Wien. Sie sind auf Betriebsausflug und die dankbaren Abnehmer der Drinks. „Und er nimmt noch nicht mal Trinkgeld.“
Matthias Maus
Automatica Messe München, bis Freitag, 13. Juni 2008, 9 - 17 Uhr, Tageskarte: 25 €, online 19 € (www.automatica-muenchen.de)
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