Rechtschreib-Experte: "Diese Reform ist ein Flop“

Groß oder klein? Getrennt oder zusammen? 20 Jahre gibt es nun die neuen Regeln – das Fazit eines Germanisten ist vernichtend: Schüler hätten deswegen massive Probleme. Was Lehrer sagen.
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Schüler einer 6. Klasse üben die neue Rechtschreibung.
dpa Schüler einer 6. Klasse üben die neue Rechtschreibung.

Da viel mir als erstes ein“ oder: "Der Dünne Mann“. Solche Fehler in Diktaten sind an deutschen Schulen keine Einzelfälle. Die Schwächen bei der Rechtschreibung hat für den Germanisten Uwe Grund (76) eine Ursache, die 20 Jahre zurückliegt: die Rechtschreibreform.
In seiner neuen Studie kommt er zu dem Ergebnis, dass die Rechtschreibleistungen deutscher Schüler seither noch schlechter geworden sind. Rund die Hälfte aller Neuntklässler verfügten über "nicht ausreichende“ Rechtschreibkenntnisse, konstatiert der Saarbrücker Experte.

Die Fehlerzahl bei Vergleichsdiktaten von Schülern in der 5. bis 7. Klasse ist Grund zufolge von vier Fehlern in den 1970er Jahren auf sieben Fehler in den 2000er Jahren gestiegen, zitiert die "Bild“ aus der Studie, für die Grund zahlreiche Studien anderer Wissenschaftler ausgewertet hat.

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Die drei Kernbereiche der Reform machen in Diktaten Probleme

Die meisten Patzer (75 Prozent) machten die Schüler genau in den wichtigsten Bereichen der Rechtschreibreform: Wenn es um Groß- und Kleinschreibung geht, um Getrennt- und Zusammenschreibung sowie der s-Schreibung.

Bei der Unterscheidung zwischen "ss“ und "ß“ hätten sich die Erwartungen "offensichtlich nicht erfüllt“. Denn bei "das“ und "dass“ hätten "die Schüler, und nicht nur sie, mehr Probleme als früher“, sagt Grund. Aber die auffälligsten Unsicherheiten liegen laut dem Forscher hier: "Die größten Probleme treten beim Getrennt- und Zusammenschreiben auf und bei der Groß- und Kleinschreibung – hier hat sich die Fehlerquote im Schnitt verdoppelt oder sogar vervielfacht.“

Häufig würden Adjektive großgeschrieben wie "der Dünne Mann“. Die Logik der Schüler dahinter: Nach einem Artikel muss ein Hauptwort folgen – und das gehört groß. Der Germanist kommt in seiner Studie "Schulische Rechtschreibleistungen vor und nach der Rechtschreibreform“ (Verlag Frank & Timme, Berlin, 36 Euro) zusammengefasst zu dem vernichtenden Ergebnis: "Diese Reform ist ein Flop.“

Philologenverband: Kinder und Jugendliche lesen zu wenig

Der Deutsche Philologenverband sieht das etwas anders. Die Rechtschreibreform vor 20 Jahre ist nach Worten des Vorsitzenden, Heinz-Peter Meidinger, nicht Hauptursache für die nachlassenden Rechtschreibleistungen von Schülern.

Es sei zwar eine unbestreitbare Tatsache, dass die Rechtschreibleistungen auch an Gymnasien immer schwächer würden. Die Hauptursache sieht Meidinger aber darin, "dass wir es insbesondere bei den meisten Jungen mittlerweile mit einer Generation von Jugendlichen zu tun haben, die kaum mehr liest“. Ohne intensives Lesen erwerbe man aber auch keine ausreichende Rechtschreibkompetenz, betont der Bildungsexperte.

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Der Bildungspolitik wirft Meidinger vor, den Rechtschreibunterricht in den Lehrplänen seit den 90er Jahren systematisch zu vernachlässigen. Weil Rechtschreibung als Bildungsbarriere gelte, führe sie in manchen Bundesländern insbesondere in der Mittelstufe ein Randdasein.

"Ich halte es für einen schweren Fehler, dass es Bundesländer gibt, in denen zumindest in bestimmten Jahrgangsstufen keine benoteten Rechtschreibdiktate mehr geschrieben werden dürfen“, kritisierte Meidinger. In keinem anderen europäischen Land werde dem muttersprachlichen Unterricht in den Stundentafeln so wenig Platz eingeräumt.


Liebe Leserinnen und Leser, was halten Sie von der Rechtschreibreform? Flop oder doch nicht so schlecht? Schreiben Sie uns an leserforum@az-muenchen.de

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