Raus aus dem Atom – und dann?

60 Prozent des in Bayern bislang erzeugten Stroms stammt aus der Kernkraft. Das klingt viel, einen einfachen Ersatz gibt es nicht. Wir brauchen also mehr Wind, Sonne, Wasser – und Selbstdisziplin
Michael Heinreich |
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München - Vier Wochen nach Fukushima – und noch eiert die Politik ziemlich herum, was Zeitpunkt und Umfang des Atomausstiegs betrifft. Doch laut Umfragen wollen ihn zwei Drittel der Bürger – sogar wenn dadurch die Preise steigen. Auch viele Experten sind sich sicher: Schon bis 2020 ist die Kernenergie bei uns ersetzbar – mit diesem Energiemix:

  • Energiesparen: Dieses Potenzial hält Energie-Experte Richard Mergner vom Bund Naturschutz für das zentralste. In zehn, vielleicht sogar schon innerhalb von fünf Jahren könnte bei uns der Energieverbrauch um 50 Prozent gedrosselt werden – ohne dass der Einzelne auf Luxus verzichten müsste oder neue Techniken benötigt würden. Neben dem Stromsparen in privaten und öffentlichen Gebäuden ist zum Beispiel das Austauschen alter Heizungspumpen gegen moderne ein großes Potenzial.
  • Kraft-Wärme-Kopplung: Bei ihnen wird in einem Heizkraftwerk, das normalen Strom produziert, die entstehende Wärme – die sonst verpufft – in Fernwärme verwandelt. Während der übliche Nutzungsgrad zwischen 33 und maximal 55 Prozent beträgt, steigt er so auf 80 Prozent.
  • Windkraft könnte in zehn Jahren in Bayern einen Anteil von 30 Prozent haben (heute 0,5 Prozent). Mergner: „Dazu benötigt es gar nicht die oft kritisierten Stromautobahnen von den Windparks in Nord- und Ostsee. In Bayern gibt es rund 1500 Standorte, an denen naturverträgliche Windanlagen gebaut werden könnten. Wichtig wäre nur, dass die Staatsregierung endlich eine vernünftige Regionalplanung macht.“
  • Solarkraft: Bei ihr belaufen sich die Schätzungen auf einen Anteil von 20 bis 25 Prozent am Energiemix im Jahr 2020 – wenn man Photovoltaik (Stromerzeugung) und Solarthermie (Warmwassererzeugung) zusammen nimmt. Dazu müsste allerdings, so Mergner, der „Wirrwarr“ bei der staatlichen Förderung der Solarenergie beseitigt werden. Viele Interessenten zögerten derzeit, weil es von den Behörden keine klaren Ansagen gibt, ob weiterhin überhaupt und wenn ja, wie viele Zuschüsse fließen werden. Wasserkraft liefert in Bayern immerhin 13,3 Prozent des erzeugten Stromes, das ist viermal so viel wie auf Bundesebene – den Bergen sei es gedankt. Das Ausbaupotenzial sehen die Experten skeptisch, weil Wasserkraftwerke und Stauseen einen ganz erheblichen Eingriff in die Natur darstellen. Allerdings kann die Leistung der vorhandenen Kraftwerke, zum Beispiel des Walchenseekraftwerkes noch gesteigert werden. Der Vorteil von
  • Wasserkraft: Strom ist kurzfristig auf Abruf verfügbar, es muss einfach mehr Wasser durch die Turbinen geschleust werden. Das hilft bei Netzschwankungen und kurzfristigen Bedarfsspitzen.
  • Biomasse Bei dem aus ihr gewonnenen Strom, der heute in Bayern einen Anteil von rund 4 Prozent hat, gibt es ganz gewaltige Steigerungspotenziale. Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) hält eine Verdoppelung der Strommenge für möglich, der Bund Naturschutz in Bayern schätzt den Anteil im Jahr 2020 auf bis zu 20 Prozent.

Fazit: 2020 müsste in Bayern kein einziges Licht ausgehen, wenn die Atomkraftwerke komplett abgeschaltet würden. Sonne, Wind, Wasser und Biomasse könnten 70 bis 80 Prozent des bis dahin durch größere Effizienz drastisch reduzierten (vielleicht sogar halbierten?) Strombedarfs liefern – und damit die knapp 60 Prozent von der Kernenergie gelieferten mehr als ersetzen.

 

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