Kräuter für die Rauhnächte: die wichtigsten Pflanzen und wie man richtig räuchert

Bald kommen die Rauhnächte. Hier erklärt eine Expertin die geheimnisvolle Zeit zwischen den Jahren, ihre Bräuche und Rituale. Elfie Courtenay gibt in der AZ Einblicke in die Tradition.
von  Ida Birke
Getrocknete Kraeuter fuer die Rauhnachts-Raeucherung,
Getrocknete Kraeuter fuer die Rauhnachts-Raeucherung, © IMAGO/F. Hecker

Die Autorin, Gesprächs- und Focusing-Therapeutin aus Eschenlohe wuchs mit alten Bräuchen und Mythen auf. Sie bietet u. a. meditative Wanderungen, Wildkräuterexkursionen und Vorträge über die Rauhnächte an. Zudem ist sie als Sterbeamme tätig.

AZ: Frau Courtenay, warum und seit wann gibt es die Rauhnächte?
ELFIE COURTENAY: Ihr Ursprung stammt aus vorchristlicher Zeit. Auch damals haben die Menschen versucht, die Zeit zu berechnen. Als Maßstab verwendeten sie den Lauf der Sonne, das Sonnenjahr. Auch unser heutiger Kalender richtet sich nach dem Lauf der Sonne. Damals hat man auch das Mondjahr berechnet, das elf Tage und zwölf Nächte kürzer ist als das Sonnenjahr. Man hat versucht, die beiden Umlaufzeiten auszugleichen, was allerdings nie gelang. Somit wurden diese elf Tage und zwölf Nächte auch die Zeit zwischen den Jahren genannt: die sogenannten Rauhnächte, in denen der Schleier zwischen Diesseits und Jenseits besonders dünn ist. Man war sich damals natürlich bewusst, dass es die materielle diesseitige Welt gibt und eben die jenseitige, in der die Geister und Toten beheimatet sind. Man hat gesagt, zu dieser Zeit ist das Unsichtbare stärker wahrnehmbar – und man hat um die Möglichkeit gewusst, den Schleier zu durchbrechen.

Aus welchem Kulturkreis stammen die Rauhnächte?
Überwiegend aus den alpenländischen Regionen, besonders aus Oberbayern, aber auch Tirol – wobei es hinsichtlich der Bräuche geringfügige Unterschiede gibt.

Zur Ruhe kommen, Innenschau betreiben: In Bayern stehen die Rauhnächte bevor. Die Aufnahme ist mit Blick auf die Loretokapelle bei Altdorf entstanden.

Abendliche Winterlandschaft.
Abendliche Winterlandschaft. © Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Woher kommt der Begriff Rauhnacht?
Zum einen hat es wohl mit den damals üblichen Räucherungen der Höfe und Stallungen zu tun, zum anderen gibt es natürlich die Erklärung, dass diese Nächte raue Nächte waren. Es gibt noch eine andere Deutung, die ich selbst nicht so passend finde: Man sagt zu Tierfellen auch Rauchwaren, die man bei Rundgängen wie denen des Knecht Ruprecht oder den Perchtentänzen zu sehen bekommt. Aber die Rauhnächte waren lang vorher bekannt.

Wann genau finden die Rauhnächte statt?
Obwohl die Heilige Nacht am 24. Dezember stattfindet, beginnen die Rauhnächte erst danach. In manchen Regionen wurde der Tag des 25. Dezembers bereits dazugerechnet, meist begann die erste Rauhnacht zwischen 25. und 26. Dezember, die letzte endete am 6. Januar. Und genau in der Mitte, am 31. Dezember, wurde der Jahreswechsel gefeiert.

Wie kann der moderne Mensch die Zeit der Rauhnächte für sich nutzen, um daraus Kraft und Erneuerung zu ziehen?
Die Botschaft der Rauhnächte hat sich nicht wesentlich geändert. Damals galten die Rauhnächte als Ruhezeit, als Seelenzeit. Man sollte keine Wäsche waschen, und man sollte keine Spinnräder laufen haben, weil man davon ausging, dass es den Ablauf der Zeit stört, wenn sich noch andere Räder drehen. Man sollte auch keine schweren Arbeiten verrichten. Es ging darum, zur Ruhe zu kommen und Innenschau zu betreiben. Ein wichtiger Aspekt war das Bilanzziehen, indem man schaute, welche Dinge sich im vergangenen Jahr ereignet haben. Welche Sachen gut und welche weniger gut gelaufen sind. Wichtig war auch, dass man keine unerledigten Angelegenheiten mit in das neue Jahr nahm, etwa Schulden abzuzahlen oder zu verzeihen, wenn es etwas zu verzeihen gab. Also dass man mit sich im Reinen sein konnte – eine Art Seelenhygiene sozusagen.

Während der Rauhnächte soll man traditionell aufs Wäsche-Waschen verzichten.
Während der Rauhnächte soll man traditionell aufs Wäsche-Waschen verzichten. © Imago

21. Dezember: Was die Thomasnacht besonders macht

Die Thomasnacht vom 21. auf 22. Dezember ist die Nacht vor der Wintersonnenwende. Sie zählt nicht zu den Rauhnächten. In manchen Regionen begannen die Rauhnacht-Rituale und Räucherungen allerdings bereits zu diesem frühen Zeitpunkt, ab dem die lebensspendende Kraft der Sonne langsam wieder zurückkehrt.

Ist es wichtig, jede der zwölf Rauhnächte mit einem Ritual zu begehen?
Natürlich wäre das ideal. Manchmal reicht aber schon eine kleine Auszeit in der Natur, in der man diese bewusst wahrnimmt und zur Ruhe kommt. Am besten allein. Ob täglich oder zweimal wöchentlich, ist individuell. Das Verbinden mit alten Bräuchen und Ritualen schafft Inhalte - und das ist etwas, was jeder für sich, für seine Familie oder sogar für sein Haustier tun kann. Durch die eigene Erfahrung, die man damit macht, nähert man sich den Lebensinhalten wieder mehr an. 

Rauhnacht-Tradition: Die wichtigsten Räucherpflanzen

MISTEL
Gilt seit jeher als mächtige Heilpflanze und Inbegriff von Fruchtbarkeit. Zum Räuchern wird nur das Kraut verwendet. Der würzig-süßliche Rauch fördert das Traumerleben und bewirkt die Umwandlung verdichteter Energiefelder.

SALBEI
Wirkt desinfizierend, löst negative Energiefelder – etwa zum Ausräuchern von Krankenzimmern.

WILDER THYMIAN
Auch Thymian wirkt desinfizierend und wird beim Räuchern zusätzlich als stärkend und aufbauend empfunden.

BEIFUSS
Ihm wurden ihm stark reinigende Kräfte nachgesagt; traditionelles Räucherkraut zum Schutz für das eigene Energiefeld, aber auch für Haus und Stall. Die hier genannten Pflanzen sind für Räucherungen generell unbedenklich, trotzdem kann es im Einzelfall zu Unverträglichkeitsreaktionen kommen, etwa bei Korbblütlern wie Beifuß.

WACHOLDER
Reinigend und desinfizierend, klärend, vitalisierend und zentrierend. Holz, Harz, Nadeln und getrocknete Beeren wurden oft an Krankenlagern eingesetzt; zu Zeiten der Pest wurden an vielen Orten große Wacholderfeuer entzündet.

JOHANNISKRAUT
Klärt die Atmosphäre, neutralisiert negative Stimmungen und bringt Licht und Leichtigkeit ins Haus.

SCHAFGARBE
Macht empfänglich für intuitive Wahrnehmungen.

HARZE
Geeignet sind Harze heimischer Nadelbäume (Lärche, Tanne, Fichte, Kiefer), aber auch Harz des Weihrauch- oder Pistazienbaumes.

Richtig räuchern: So klappt es

Elfie Courtenay rät: "Zuerst Kräuter und Harze als Zutaten für die Räuchermischung auswählen. Manches lässt sich mit den Fingern zerbröseln, am besten zerreiben wir unsere Mischung aber in einem Mörser. Wir brauchen ein feuerfestes Gefäß, um unsere Räuchermischungen zu verglühen, und haben dazu verschiedene Möglichkeiten. Zweckmäßig dafür sind feuerfeste Räucherschalen, -kelche oder -pfännchen aus Ton oder Metall."

Das Räuchern ist ein uraltes Ritual, das Geister vertreiben und die Energie von Räumen reinigen soll.
Das Räuchern ist ein uraltes Ritual, das Geister vertreiben und die Energie von Räumen reinigen soll. © ninelutsk

Man füllt etwas Sand hinein und legt dann die Räucherkohle auf, die man zuvor seitlich über einer Kerzenflamme entzündet hat. Das geschieht am besten mit einer speziellen Pinzette, da der Funke sofort durch die Kohle wandert.

Erst wenn sie außen grau und gleichmäßig durchgeglüht ist, streut man die erste Prise der Räuchermischung auf. Beim Umhergehen im zu räuchernden Raum wird der Rauch mit einem Federfächer oder einem Stück festen Karton bis in jeden Winkel verteilt. Für unsere Urahnen war das Ausräuchern von Haus und Stall eine andachtsvolle Handlung, und auch wir sollten sie auf andächtige, rituelle Weise gestalten.

Die verkohlten Reste werden jeweils nach einigen Minuten von der Kohle abgestreift und durch eine neue Prise Räucherwerk ersetzt. Da die Kohle am Ende noch bis zwei Stunden nachglühen kann, sollte sie mit der Pinzette aus der Schale genommen werden. Lassen Sie den Rauch für eine Weile wirken, lüften Sie danach gut durch."

Altes abschließen, Neues begrüßen

Ein Ritual, das durchgeführt werden kann, wenn etwas Altes abgeschlossen und etwas Neues begrüßt werden soll, legt Elfie Courtenay den AZ-Lesern besonders ans Herz:

"Ziehen Sie sich für Ihr Ritual an Ihren meditativen, ungestörten Ort zurück. Lassen Sie vor ihrem inneren Auge die Ereignisse auftauchen, die Sie gern rituell beenden möchten.

Blicken Sie aus der jetzigen Distanz möglichst neutral auf die Vergangenheit. Üben Sie sich in Akzeptanz, dass zuweilen auch traurige und schmerzhafte Erfahrungen zum Leben gehören. Würdigen Sie nun das Vergangene – Gutes wie Schwieriges gleichermaßen.

Sie können alles, was ‚das Alte' symbolisiert, auf ein Blatt Papier schreiben. Sie können dafür auch ein Foto oder einen Gegenstand verwenden. Platzieren Sie ‚das Alte' zur Linken und zünden dort eine Kerze an.

Was möchten Sie für die Zukunft in ihr Leben einladen? Verwenden Sie ein Symbol für Schöpfungskraft, etwa eine Blume oder einen Kristall. Platzieren Sie das Zukünftige zur Rechten und zünden Sie auch dort eine Kerze an. Nehmen Sie eine Räucherschale und platzieren sich selbst zwischen Vergangenheit und Zukunft.

Räuchern Sie sich zuerst selbst ab, wenden Sie sich dann der Vergangenheit zu und räuchern dort die Objekte ab. Verbinden Sie sich noch einmal mit Ihren inneren Bildern. Formulieren Sie Ihre Gedanken und Gefühle und danken für das Erlebte. Drücken Sie nun aus, was Sie hinter sich lassen wollen, verabschieden Sie sich und blasen dann die Kerze aus.

Halten Sie kurz inne und machen sich bewusst, dass Sie an der Schwelle stehen. Das Alte ist abgeschlossen, aber das Neue ist noch unsichtbar.

Räuchern Sie sich anschließend noch einmal selbst ab und wenden sich dann der Zukunft zu, räuchern Sie das ab, was dort die Zukunft repräsentiert. Tauchen Sie nun ein in ein Gefühl der Zuversicht und Vorfreude. Danken Sie für all die guten Dinge, die Sie in Ihrem Leben schon erfahren haben."

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.