Psychologin erklärt Hamsterkäufe: Warum horten wir eigentlich?

"Selten heißt wertvoller", sagt Psychologin Anja Kluge über Hamsterkäufe. Nutzt es etwas, die Menschen zu ermahnen?
von  Martina Scheffler
Anja Kluge.
Anja Kluge. © Jacqueline Häußler

Die Kabelbäume für die Autos, das Sonnenblumenöl, der Weizen für Brot und Semmeln, der Zellstoff für Toiletten- und Küchenpapier - vor Knappheit bei vielen Gütern wird seit Beginn des Krieges in der Ukraine gewarnt, vor Hamsterkäufen aber ebenso. Was macht das mit den Menschen, und kann man Hamsterkäufe überhaupt irgendwie verhindern?

"Wenn man denkt, etwas ist selten, dann ist es wertvoller", erläutert die Münchner Psychologin Anja Kluge im Gespräch mit der AZ den Verknappungseffekt. Dieser funktioniere in der Wirtschaft ohnehin: "Wenn es bei irgendwelchen Sonderangeboten heißt: nur solange der Vorrat reicht, oder Sie schauen sich ein Grundstück an und es heißt: Es interessieren sich noch zwei andere dafür, Sie müssen jetzt schnell kaufen, oder bei Buchungsportalen: Drei andere Leute schauen sich dieses Hotel auch gerade an - das ist immer etwas, wo die Werbung diesen Effekt ausnutzt."

Anja Kluge.
Anja Kluge. © Jacqueline Häußler

Kurzfristig könne schon allein die Warnung vor Knappheit eben diese auslösen, ohne dass tatsächlich ein Mangel vorliegt. "Weil die meisten Leute sich nicht die Mühe machen zu recherchieren, woher beziehen wir denn überall Sonnenblumenöl, wo wird das produziert, stimmt das, dass das knapp wird? Da sucht die Mehrheit nicht nach Fakten, sondern die meisten gehen dann nach der kurzen Schlagzeile und denken sich, es wird schon stimmen."

Der Mensch ist ein Herdentier

Zudem, so Kluge, sei der Mensch einfach ein Herdentier. "Wenn jetzt alle Hamsterkäufe machen, dann bin ich vielleicht blöd, wenn ich der Einzige bin, der das nicht macht", dieser Gedanke könne bei den Verbrauchern aufkommen.

Dabei hat das eigene Umfeld mitunter sogar noch mehr Einfluss, wie die Psychologin erläutert. "Wenn mir alle meine Leute erzählen, sie gehen jetzt Nudeln kaufen, und ich muss das auch machen, weil es bald keine mehr gibt, dann würde ich mich im ersten Moment emotional mehr angesprochen fühlen, als wenn ich eine Schlagzeile lese."

Aufrufe zu Solidarität und Vermeidung von Hamsterkäufen, wie sie etwa kürzlich vom Sprecher des Bundesverbands des Deutschen Lebensmittelhandels, Christian Böttcher, kamen, seien daher nur bedingt erfolgversprechend. Wer sich beispielsweise das knapp gewordene Sonnenblumenöl kaufe, sei erstmal versorgt und mache sich keine Gedanken darüber, "dass, wenn jeder das macht, ich die Lage verschlimmere und dadurch die Preise steigen und es dann wirklich Leute gibt, die keines mehr kaufen können", so die Psychologin.

Meldungen über einen vorübergehenden Mangel sollten besser erklären, woher die entsprechende Ware noch bezogen werden könne oder welche Alternativen sich anbieten.

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