Prozess um "Inzest-Monster" Josef F.: Das Leid der Opfer

Die Kinder von Josef F. kämpfen um ihre Anonymität. Das akzeptiert nicht jeder: Die britische Boulevardzeitung "The Sun" hat sie an einem eigentlich unbekannten Ort aufgespürt und fotografiert.
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Josef F. bekennt sich in allen Anklagepunkten für schuldig.
AP Josef F. bekennt sich in allen Anklagepunkten für schuldig.

ST. PÖLTEN - Die Kinder von Josef F. kämpfen um ihre Anonymität. Das akzeptiert nicht jeder: Die britische Boulevardzeitung "The Sun" hat sie an einem eigentlich unbekannten Ort aufgespürt und fotografiert.

Das Thema heute: Jugendstilgalerie und Stadtgeschichte. Die Stadt St. Pölten versucht, das Beste aus dem Prozess gegen Josef F. zu machen, sie nutzt die Anwesenheit der Weltpresse für eine Imagekampagne. Stadtführungen sollen die Medien ablenken, nicht auf dumme Ideen bringen – die sie aber längst verfolgen. In der nachrichtenarmen Zwischenphase des Prozesses hat die Jagd begonnen, die Jagd auf die Opfer.

Für die Dauer des Prozesses hat sich die Tochter mit ihren sechs Kindern wieder in die Sicherheit des Landesklinikums Mauer bei Amstetten geflüchtet. Ein paar Kilometer entfernt von dem Keller, in dem die mittlerweile 43-Jährige 24 Jahre ihres Lebens fristen musste. Dass sich die Familie nach Mauer geflüchtet hat, ist bezeichnend. Hier waren sie sicher in den ersten Wochen nach der Befreiung, hier sahen die Kinder erstmals Himmel und Wiesen.

Es gibt Leute, die wissen, wo "irgendwo" ist

„Irgendwo in Oberösterreich“ hätten sich Mutter und Kinder – im Alter zwischen fünf und 20 Jahren ein neues Leben aufgebaut. Es gibt aber sicher Leute, die genauer wissen, wo „irgendwo“ ist. Die Polizei hat in dem betreffenden Ort jüngst zwei Kameras mit Selbstauslöser sichergestellt. Ein Indiz dafür, dass es mit der neuen schwer erkämpften Anonymität nicht weit her ist.

Aber wo sollen sie hin? Schon wieder fliehen, wieder eine neue Existenz, nachdem die traumatisierten Kinder vielleicht erstmals etwas Stabilität erlebt haben? Eine alleinerziehende Mutter mit sechs Kindern, die irgendwo neu hinzieht, wird vermutlich überall in Österreich auffallen. Auch nach dem Ende der Gefangenenschaft ist das Leid der Opfer noch längst nicht vorbei.

Schon seit Mai haben Mutter und Kind neue Identitäten – drei von ihnen mussten erst mal zu österreichischen Staatsbürgern werden, es gab sie vor der Befreiung gar nicht.

Zwar klagen die Opferanwälte gegen jeden, der die Identität kenntlich macht. Unklar ist aber, ob sich vor allem die britischen Medien davon abschrecken lassen. In der „Sun“, dem wüstesten der Revolverblätter, gab es bereits ein verfremdetes Foto der Kinder des „Evil Dad“. Es soll der Auflage geholfen haben.

Keine Öffentlichkeit und keine Interviews

Die Kinder und die Mutter wollen keine Öffentlichkeit und keine Interviews. Die Anwälte werden ihnen entsprechend geraten haben. Sie haben aus der Affäre Natascha Kampusch gelernt. Die junge Frau, die nahe Wien achteinhalb Jahre Gefangene eines Entführers war, ging den umgekehrten Weg. Sie wollte den Druck wegnehmen, gab ein ausführliches Interview, moderierte eine Talkshow, kassierte dafür durchwachsene Kritiken und musste sich am Ende fragen lassen, welche Tampons sie benutzt.

An der Presseführung durch das schöne St. Pölten nahmen übrigens 20 Journalisten teil, 20 von 300. Nach Amstetten werden auch ein paar gefahren sein.

Matthias Maus

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