Prozess gegen Adrian Ursache: Wie aus Mister Germany ein gefährlicher Reichsbürger wurde

Unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen hat am Montag in Halle der Prozess gegen einen "Reichsbürger" begonnen. Der 42-jährige Adrian Ursache war einst "Mister Germany", jetzt ist er wegen versuchten Mordes angeklagt.
Christoph Elzer |
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Unter massiven Sicherheitsvorkehrungen hat der Prozess gegen Adrian Ursache begonnen.
dpa/privat Unter massiven Sicherheitsvorkehrungen hat der Prozess gegen Adrian Ursache begonnen.

Einst stand er als schönster Mann Deutschlands im Rampenlicht. Jetzt steht der einstige "Mister Germany" wieder im Blitzlichtgewitter: Unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen hat am Montag in Halle der Prozess gegen einen "Reichsbürger" begonnen, den 42-jährigen Adrian Ursache.

Halle - Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten Adrian Ursache vor, am 25. August 2016 ohne Vorwarnung mit einem Revolver auf den Kopf des Polizeibeamten geschossen zu haben. "Der Angeklagte hat versucht, einen Menschen aus niedrigen Beweggründen zu töten", sagte Oberstaatsanwalt Uwe Damaschke am ersten Prozesstag am Montag. Er habe den Tod des Mannes billigend in Kauf genommen. Nur der Sichtschutz des Helms der schweren Schutzkleidung des Polizisten habe verhindert, dass er tödlich getroffen worden sei. Der Beamte wurde am Hals verletzt.

Adrian Ursache wies die Vorwürfe zurück. Er habe eine Waffe in der Hand gehabt, aber nicht geschossen. Die Richter bezeichnete er als "Spinner", er selbst sei ein "politischen Gefangener" und in "Geiselhaft" genommen worden.

Es ist ein bizarrer Fall, der mit einem ebenso bizarren Prozessbeginn aufwartet: Noch vor Verlesung der Anklage beantragte die Verteidigung die Einstellung des Verfahrens. Zudem forderte sie, den Haftbefehl aufzuheben. Eine Beteiligung des ehemaligen "Mister Germany" sei nicht genügend konkretisiert. Die Anklage weise weitere gravierende Mängel auf, etwa zum Tathergang, hieß es zur Begründung. Die Staatsanwaltschaft wies die Vorwürfe zurück, der Prozess wurde fortgesetzt.

Was vor der Tat geschah: Adrian Ursache hatte sein Grundstück in Reuden (Burgenlandkreis) im Jahr 2014 zu seinem "Staatsgebiet" erklärt und dort den Fantasie-Staat "Ur" ausgerufen. Er lebte zusammen mit seiner Frau Sandra, einer ehemaligen "Miss Germany" und den zwei gemeinsamen Kindern auf dem Grundstück. Da die Familie - die einzigen "Staatsbürger" von "Ur" - einen sechsstelligen Schuldenberg angehäuft hatte, kam es im August 2016 zu einer Zwangsräumung, bei der Ursache die Polizisten angriff.

"Werde meine Gegner abschlachten wie Vieh"

Bereits am Tag zuvor war ein Räumungsversuch ohne Polizei-Beteiligung am massiven Widerstand Ursaches und seiner Mitstreiter gescheitert, der Gerichtsvollzieher musste unverrichteter Dinge wieder abziehen. Zu den Personen, die Ursache an diesem Tag dabei halfen, den Gerichtsvollzieher in die Flucht zu schlagen, gehörte auch Wolfgang P., jener Reichsbürger, der rund acht Wochen später in Georgensmünd einen Polizisten erschoss.

In YouTube-Videos berichtete das ehemalige Model Ursache immer wieder von Polizei-Einsätzen rund um sein "Reich", wobei er die Polizisten als "Kriminelle mit der Wortmarke Polizei" bezeichnete. Dabei stellte er auch klar, dass er "zu jedem Zeitpunkt bereit [sei], die Freiheit seines Volkes mit Blut und Eisen zu verteidigen" und Gegner seines Fantasie-Reichs "abzuschlachten wie Vieh". Das Ergebnis dieser Eskalation ist der aktuelle Prozess.

Bei der Zwangsräumung wurden die insgesamt rund 200 angerückten Polizisten zunächst von Unterstützern des selbsternannten "Staatsmannes" mit Pflastersteinen beworfen, anschließend kam es zu dem Schusswechsel mit Beamten des Spezialeinsatzkommandos. Neben dem von Ursache angeschossenen Polizist wurde noch ein weiterer Beamter verletzt – durch einen Biss eines Ursache-Unterstützers.

Ursache-Fans befürchteten Mordanschlag im Krankenhaus


Adrian Ursache im Haftkrankenhaus. Das ehemalige Model wurde durch Polizeikugeln an der linken Schulter und der rechten Hand verletzt. Fotos: privat

Nach dem Einsatz schwebte Ursache zeitweise in Lebensgefahr und verbrachte mehrere Monate im Haftkrankenhaus. Unterstützer, die ihn dort besuchen durften, veröffentlichten später Bilder ihres verletzten Idols, da es "Befürchtungen das (sic) Adrian Ermordet werden soll" gebe. Angeblich trachte ihm die BRD nach dem Leben: "Die Beschuldigten (sic) Kriminellen (sic) (Behörden und Polizei) Beteiligten wollen wahrscheinlich den Zeugen loswerden!! Wir befürchten das (sic) es hier eventuell zu einem Mord kommen soll!" Dazu kam es dann aber offenbar doch nicht und so steht Adrian Ursache jetzt vor Gericht.

Der Prozess wird von scharfen Sicherheitsvorkehrungen begleitet. Der Angeklagte, der seine Personalien nicht nennen und sich auch nicht neben seine beiden Verteidiger setzen wollte, musste im Gerichtssaal Fußfesseln tragen. Polizisten mit Sturmhauben bewachten den Raum und das Gebäude. Einen Antrag der Verteidigung auf eine Einstellung des Verfahrens und Aufhebung des Haftbefehls lehnte das Gericht ab. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft gehört der 42-Jährige der "Reichsbürger"-Bewegung an. Dies wies er von sich. "Ich bin deutscher Staatsbürger", sagte er. "Reichsbürger" erkennen die Bundesrepublik Deutschland und ihre Gesetze nicht an. Der Verfassungsschutz stuft die Bewegung als verfassungsfeindlich ein und beobachtet sie.

Neben versuchtem Mord wirft die Staatsanwaltschaft dem 42-Jährigen noch gefährliche Körperverletzung, Verstöße gegen das Waffengesetz und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vor. Bei einer Verurteilung droht dem 42-Jährigen eine lebenslange Haftstrafe. Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt. Mit einem Urteil wird Ende November gerechnet.

Weitere Informationen zur Reichbürgerszene lesen Sie im AZ-Hintergrund "Reichsbürger - Wer sie sind, woran sie glauben und was sie gefährlich macht"

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