Prostata-Krebs: „Alles bricht über einen herein“
Die Zwillingsbrüder Uli und Michael Roth bekamen binnen eines halben Jahres dieselbe Diagnose. Die ehemaligen Handball-Stars machen Lafontaine und den anderen Patienten Mut
Der Mann mit der sonoren, sympathischen Stimme weiß, wovon er spricht. „Oskar Lafontaine wird, wenn es keine Komplikationen gibt, in einer Woche aus der Klinik entlassen. Dann braucht er vor allem Ruhe, ganz viel Ruhe. Eine Kur ist auch nicht schlecht“, sagt Michael Roth (47). Den einstigen Spitzen-Handballer hat in diesem Jahr das gleiche Schicksal ereilt wie den Spitzen-Politiker: Die Diagnose Prostata-Krebs.
Sie kam im Frühjahr. Wie schon seit Jahren war der Sportler bei der Vorsorgeuntersuchung gewesen. Als die Erkrankung fest stand, kam der gebürtige Heidelberger sofort unters Messer von Professor Hartwig Huland. In der Hamburger Martini-Klinik wurde ihm operativ der bösartige Tumor entfernt. „Ich hatte Glück im Unglück.“ Und das hatte auch sein eineiiger Zwillingsbruder Uli.
Auch der war im Handball sehr erfolgreich. Olympia-Silber 1984 in Los Angeles, die gemeinsamen Erfolge beim MTSV Schwabing mit Vizemeisterschaft und Pokalsieg. Doch seit dem Sommer teilen die beiden Brüder nicht nur die sportlichen Erfolge, sondern auch ihr Kranken-Schicksal.
Auch sein Bruder wird operiert - auch er erfolgreich
Im Juli wird auch bei Uli Prostata-Krebs im Frühstadium festgestellt, auch er wird bald operiert, auch er erfolgreich.
Ursprünglich wollten beide Männer ihr Schicksal für sich behalten. „Der Schock saß natürlich tief. Auch, weil wir immer Glückskinder waren. Alles war schon sehr emotional“, sagt Michael Roth: „Ich habe es donnerstags erfahren, am Samstag wäre das nächste Spiel gewesen, meine Tochter hatte Geburtstag. Alles bricht über einen herein.“ Die verbreitete Angst vor dauerhafter Impotenz und Inkontinenz sei natürlich auch bei ihm aufgetaucht.
Im Gegensatz zum Bruder hat sich der Manager der Pop-Band Pur eine Samenspende einfrieren lassen. Uli Roth: „Ich möchte mir die Möglichkeit offen halten, noch einmal Vater zu werden“, sagt der verheiratete Geschäftsführer, der bereits zwei Kinder hat. Michael Roth flüchtete sich in Galgenhumor: „Das Thema One-Night-Stand hat sich erledigt.“
„Je offener man mit der Krankheit umgeht, umso leichter kann man sie verarbeiten.“
Nach Wochen der Geheimhaltung entscheiden sich die Zwillinge für den Gang an die Öffentlichkeit. „Je offener man mit der Krankheit umgeht, umso leichter kann man sie verarbeiten.“
Dies empfiehlt Michael Roth im Gespräch mit der AZ auch Oskar Lafontaine, fügt aber hinzu: „Es muss natürlich jeder für sich persönlich entscheiden, wie er mit solch einer Krankheit umgeht.“
Während Michael („Ich war nicht mehr in der Lage, eine Mannschaft zu führen“) seinen Trainerjob beim TV Großwallstadt nach der Diagnose vorzeitig beendete, stürzte sich Uli in die Arbeit. „Mir hat die Hektik des Alltags gut getan", berichtet der frühere Weltklasse-Kreisläufer. Aber auch Michael kann nicht lange inne halten – schon im Sommer übernimmt er das Traineramt beim Bundesligisten HSG Wetzlar.
„Wird auch Oskar Lafontaine wieder in die Politik zurückkehren?“ fragen wir den 47-Jährigen, als wir ihn im Verein in der Mittagspause erwischen. Auch die Antwort darauf fällt differenziert aus: „Wenn mit ihm medizinisch alles Ordnung ist, spricht nichts dagegen, dass er nach sechs bis acht Wochen wieder als Politiker arbeitet. Man hat viel Zeit, über den Sinn des Lebens nachzudenken. Und der kann ja durchaus auch in der politischen Betätigung bestehen, auch wenn man 66 ist.“
Freuen würde es Michael Roth, wenn der Politiker – so wie er und sein Bruder Uli – andere Männer dazu animieren würde, regelmäßig zu den Vorsorgeuntersuchungen zu gehen. Die Roths haben über ihre Mission sogar ein Buch geschrieben: „Unser Leben – unsere Krankheit“ (Verlag Zabert Sandmann, 19,95 Euro). Michael Roth: „Wir wollen mit ihm das Tabuthema thematisieren. Kaum ein Mann spricht darüber – doch jährlich sterben 13000 an dem Karzinom.“ Michael Heinrich
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