Polen entscheidet in Stichwahl über Staatsoberhaupt
WARSCHAU - Rund drei Monate nach dem Unfalltod des Staatspräsidenten Lech Kaczynski war Polen am Sonntag zur Wahl eines Nachfolgers aufgerufen. Ungeachtet der Urlaubszeit zeichnete sich zunächst eine höhere Wahlbeteiligung als beim ersten Durchgang vor zwei Wochen ab.
Insgesamt konnten sich die mehr als 30 Millionen Wahlberechtigten zwischen dem national-konservativen Oppositionsführer und Zwillingsbruder des Verunglückten, Jaroslaw Kaczynski, und dem proeuropäischen Parlamentschef Bronislaw Komorowski entscheiden. Der bisherige Präsident Lech Kaczynski war am 10. April bei einem Flugzeugabsturz in Russland ums Leben gekommen.
Eine Prognose zum Ausgang der Wahl wurde unmittelbar nach Schließung der Wahllokale um 20.00 Uhr erwartet. Erste Teilergebnisse sollten dann gegen 23.00 Uhr veröffentlicht und während der Nacht immer wieder aktualisiert werden. Das amtliche Endergebnis wurde für Montagnachmittag angekündigt.
Den ersten Wahlgang hatte Komorowski mit 41,5 Prozent für sich entschieden, sein Herausforderer lag fünf Prozentpunkte hinter ihm. Auch diesmal galt der 58-jährige Komorowski als Favorit. Sein Gegenspieler konnte allerdings in jüngster Vergangenheit stark aufholen. Erwartet wurde ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit ungewissem Ausgang.
In den ersten zwei Stunden nach Öffnung der Wahllokale haben nach Angaben der staatliche Wahlkommission in Warschau 2,52 Prozent der Wahlbeteiligten ihre Stimme abgegeben. Am 20. Juni waren bis 8.00 Uhr nur 1,85 Prozent zu den Urnen gegangen. Im Falle einer niedrigen Wahlbeteiligung gingen Experten davon aus, dass dann der 61-jährige Kaczynski im Vorteil wäre, weil seine Wähler disziplinierter sind und seltener in den Sommerferien verreisen. Die Möglichkeit einer Briefwahl gibt es in Polen nicht. Am ersten Urnengang hatten sich 55 Prozent der Wahlberechtigten beteiligt.
Komorowski sagte nach seiner Stimmabgabe in Mackowa Ruda im Nordosten des Landes, er warte den Wahlausgang «sehr ruhig» ab. Er angle, schlafe aus, faulenze und treffe sich mit Freunden. Beide Kontrahenten hatten bis Freitagabend um jede Stimme hart gekämpft, seit Samstag gilt Wahlruhe, Wahlkampf ist streng verboten.
Während des Wahlkampfs sprach sich Kaczynski für einen starken Nationalstaat aus, der die Ärmeren sowie die benachteiligten Teile des Landes unterstützt. Für Polen forderte er einen Platz unter den G20-Staaten. Komorowski wurde von der liberal-konservativen Regierungspartei Bürgerplattform (PO) von Ministerpräsident Donald Tusk aufgestellt. In der Außenpolitik setzt Komorowski auf die Europäische Union. Er gilt als deutschfreundlich. Seit dem Tod von Lech Kaczynski führt er kommissarisch die Geschäfte des Staatsoberhauptes.
Ein polnisches Staatsoberhaupt hat weite Kompetenzen in der Außen- und Sicherheitspolitik. Er kann zudem eigene Gesetzentwürfe vorlegen und vom Parlament beschlossene Gesetze mit seinem Veto blockieren.
dpa
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