Obacht: Wenn der Chef mitsurft

München - Sie arbeiten im Homeoffice oder von unterwegs per Smartphone und Tablet – viele Chefs bekommen ihre Mitarbeiter immer seltener zu Gesicht. Und trotzdem können sie sich dank digitaler Datenströme ein genaues Bild darüber machen, wo, wann und wie lange die Beschäftigten aktiv sind. Mit wem sie kommunizieren und was sie nebenbei posten oder bloggen.
So schafft die digitale Arbeitswelt auch neue Möglichkeiten der Leistungskontrolle und Überwachung – zur Sorge von Gewerkschaftern und Datenschützern.
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Probleme bereitet vor allem die zunehmende Verschmelzung von Arbeit und Privatleben über Aktivitäten in sozialen Netzwerken, wie Experte Karl-Heinz Brandl von der Gewerkschaft Verdi sagt. Unternehmen können in kürzester Zeit Internet-Profile von Mitarbeitern oder Bewerbern durchstöbern. Deshalb ist Vorsicht bei der Selbstdarstellung im Netz geboten, mahnt Brandl. Selbst ein vermeintlich harmloses Foto, eine Meinungsäußerung oder auch nur ein unbedachter Gefällt-mir-Klick kann viel aussagen über Interessen und Verhalten eines Mitarbeiters. Aber auch im Job selbst hinterlassen die Beschäftigten zunehmend digitale Spuren, und das nicht nur, wenn sie am Computer arbeiten.
Wie einige große Logistik-Unternehmen setzt auch so mancher Handwerksbetrieb inzwischen auf die GPS-Ortung seiner Fahrzeuge und weiß so Bescheid über Standort, Fahr- und Standzeiten und Kraftstoffverbrauch. Diese Form der Überwachung führt immer wieder auch zu Reibungspunkten zwischen Unternehmern und Beschäftigten.
Achtung bei Fitness-Apps
Bedenken haben Experten auch bei sogenannten Fitness-Armbändern und Apps. Wenn sie in Firmen für Sport-Programme eingesetzt und Beschäftigte dazu aufgerufen werden, Fitness- und Gesundheitsdaten zu sammeln und zu vergleichen, kann schnell sozialer Druck entstehen, sagt der bayerische Landesdatenschutzbeauftragte, Thomas Petri.
Probleme wie in anderen Ländern, wo Arbeitnehmer, die eine Preisgabe solch hochsensibler Daten verweigern, entlassen werden können, gebe es in Deutschland zwar noch nicht. Trotzdem: „Wer nicht mitmacht, grenzt sich unter Umständen aus“, sagt Petri.
Rechtliche Regelungen für all diese Themen fehlen weitgehend – ein Gesetzesvorhaben zum Arbeitnehmerdatenschutz liegt schon länger auf Eis. Der Ruf danach war vor Jahren nach mehreren Bespitzelungs- und Datenskandalen in großen Unternehmen lauter geworden. Aus solchen Fällen hat man in der Wirtschaft zwar gelernt, glaubt Verdi-Experte Brandl, trotzdem gebe es durchaus noch Probleme.
Nicht alle Firmen gerüstet
Wenn Leistungskontrollen in Unternehmen technologisch möglich sind, greift grundsätzlich die Mitbestimmung. Deshalb haben sich Betriebsräte besonders in vielen größeren Firmen in Betriebsvereinbarungen auf Spielregeln für den Umgang mit personenbezogenen Daten geeinigt.
Auch nach Einschätzung der Datenschutzrechtlerin Patricia Lotz von der Münchner rbi Rechtsanwaltsgesellschaft sind nicht alle Unternehmen für Datenschutz-Themen gerüstet. „Hierzu gehört der richtige Umgang mit Bewerbungsunterlagen genauso wie Richtlinien für die Arbeitnehmer, ob Diensthandys oder auch das betriebliche WLAN für private Zwecke genutzt werden dürfen oder eben nicht“, sagt Lotz.
Info: Darf der Chef E-Mails lesen? Viele denken, dass der Chef private E-Mails seiner Mitarbeiter unter keinen Umständen mitlesen darf. Doch es gibt rechtliche Graubereiche, etwa wenn am Arbeitsplatz die private Nutzung des Computers verboten ist: „Dann darf der Arbeitgeber mit Hilfe von Stichproben überprüfen, ob sich die Mitarbeiter an das Verbot halten“, erklärt Nathalie Oberthür, Fachanwältin für Arbeitsrecht.
Was er dabei sieht oder nicht, könne man nie genau wissen. Wer also auf der sicheren Seite sein will, sollte Privates besser in der Pause über das eigene Handy schreiben statt über den Dienstcomputer oder das Diensthandy. Kommuniziert ein Mitarbeiter trotz des Verbotes privat, droht ihm eine Abmahnung oder in extremen Fällen sogar eine Kündigung, warnt Oberthür. Ist die private Nutzung hingegen erlaubt, darf der Arbeitgeber die E-Mails nicht mitlesen. Deshalb rät Oberthür: „Klären Sie zunächst, ob Sie am Arbeitsplatz privat surfen, mailen und chatten dürfen.“