Nobelpreis für erste Computermodelle chemischer Reaktionen

Die Nobelpreisträger haben mit ihren Computersystemen die chemische Forschung revolutioniert. Grundlegende Reaktionen lassen sich nun erstmal am Bildschirm beobachten.
dpa |
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Die Nobelpreisträger haben mit ihren Computersystemen die chemische Forschung revolutioniert. Ob bei der Entwicklung von Medikamenten oder Solarzellen: Grundlegende Reaktionen lassen sich nun erstmal am Bildschirm beobachten, bevor die Chemiker eine Pipette schwingen.

Berlin/Stockholm – Viele Biochemiker arbeiten heute nicht nur im Labor, sondern beobachten am Computer hochkomplizierte Reaktionen. Die Grundlagen dafür schufen die diesjährigen Chemie-Nobelpreisträger Martin Karplus (83), Michael Levitt (66) und Arieh Warshel (72), die heute alle in den USA arbeiten. Forscher an Universitäten und in der Industrie können mit den neuen Computersystemen wesentlich schneller als zuvor Medikamente, Katalysatoren oder Solarzellen entwickeln.

„Sie haben das absolut verdient“, sagt Helmut Grubmüller, Direktor am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen. Andere Forscher könnten nun ihre Erkenntnisse in einen Film umsetzen und dann in Ruhe bei der Reaktion zuschauen. „Mit dem Computerverfahren hat man sozusagen ein Supermikroskop und Superzeitlupe in einem.“ Die Arbeit habe schon ganz konkret zu Wirkstoffen geführt: „Es gibt einige wenige neuere Medikamente, die tatsächlich mit Hilfe dieser Technik auch mitentwickelt wurden. Das hat zum Beispiel mitgeholfen, einen Mix an Medikamenten für Aids-Patienten zu entwickeln.“

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Komplizierte Eiweißstoffe und andere Moleküle schauen Chemiker schon seit Jahrzehnten auf dem Computer an. „Nun kann man aber besser in chemische Reaktionen hineinschauen“, erläutert Udo Heinemann vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin. „Mit der Kombination aus Kraftfeld- und quantenchemischen Methoden lässt sich genau sichtbar machen, wie chemische Reaktionen im Einzelnen ablaufen.“ Es bleibe zwar jede Reaktion im Computer eine Modellierung und müsse im Labor experimentell überprüft werden. „Vom Grundsatz her ist die Methode aber durch Experimente bestätigt.“

„Wir von der Strukturbiologie sitzen inzwischen sehr viel vor dem Computer“, sagt Heinemann. Seine Arbeitsgruppe schaue an, wie bestimmte Faktoren Gene an- und ausschalten, die bei Krebs eine Rolle spielen. „Die experimentelle Arbeit wird dadurch enorm erleichtert, und wir kommen auch zu besseren Ergebnissen.“ Die Pharmaindustrie arbeite ebenfalls bereits mit diesen Computersystemen.

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Karplus beobachtete damit, wie die Netzhaut Licht verarbeitet. Andere Forscher untersuchten mit dem Programmen, wie Pflanzen Licht aufnehmen und wie ein Blatt daraufhin in Sekundenbruchteilen Wasser aufspaltet. Wenn der Mensch dies kopieren könne, ließen sich bessere Solarzellen entwickeln, schreibt das Nobel-Komitee.

Ein Großteil der Grundlagen für die Computersysteme sei am Weizmann-Institut in Rehovot (Israel) gelegt worden, sagte Amnon Horovitz, der dort lehrt. „Es hat alles schon Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre begonnen.“ Der 1940 in einem Kibbuz geborene Warshel habe zusammen mit Levitt an dem Institut gearbeitet. Karplus, der als Kind vor den Nazis aus Österreich in die USA geflohen war, sei zu einem Sabbatical dort gewesen.

Mit Levitt und dem gebürtigen Deutschen Thomas Südhof hat allein die Stanford Universität in Kalifornien diese Woche schon zwei diesjährige Nobelpreisträger. 2012 war der Chemie-Nobelpreis an den Stanford-Kollegen Brian Kobilka gegangen. „Meine persönliche Meinung ist, dass es in den USA eine Reihe von Universitäten gibt, an denen eine sehr kreative Atmosphäre herrscht“, sagte Hans Ågren, Leiter der Abteilung für Theoretische Chemie am Königlichen Institut für Technologie in Stockholm. „Das ist ziemlich fantastisch.“

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