Nigeria verheiratet HIV-Positive miteinander

In Nigeria geht die Regierung einen ungewöhnlichen Weg, um der sich ausbreitenden Aids-Seuche zu begegnen. Was die Betroffenen als große Hilfe empfinden, stößt auf Kritik bei Aids-Aktivisten.
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Rund vier Millionen der 140 Millionen Einwohner Nigerias leben mit HIV.
AP Rund vier Millionen der 140 Millionen Einwohner Nigerias leben mit HIV.

In Nigeria geht die Regierung einen ungewöhnlichen Weg, um der sich ausbreitenden Aids-Seuche zu begegnen. Was die Betroffenen als große Hilfe empfinden, stößt auf Kritik bei Aids-Aktivisten.

Mit ihrem goldschimmernden Kleid und den kunstvollen Henna-Malereien auf den Händen wirkt Hauwa Idris wie der Inbegriff einer strahlenden Braut. Die Hochzeit der Nigerianerin ist jedoch alles andere als gewöhnlich: Braut und Bräutigam sind beide mit dem HI-Virus infiziert und wurden durch ein staatliches Programm zum Heiraten ermutigt. Die Regierung der Region Bauchi im muslimisch geprägten Norden des afrikanischen Landes unterstützt Ehen zwischen HIV-Positiven finanziell.

Ziel dieser Kampagne ist es, die weitere Ausbreitung des Aids-Erregers zu stoppen. «Wir leben in einer polygamen Gesellschaft, in der Scheidungen üblich sind und der Gebrauch von Kondomen locker ist», sagt Yakubu Usman Abubakar von der staatlichen Aids-Initiative Bauchi, die hinter dem Hochzeitsprogramm steht. «Wenn es uns gelingt, die mit der Krankheit Infizierten davon abzuhalten, das Virus auf den gesunden Teil der Bevölkerung zu übertragen, dann bekommen wir Aids unter Kontrolle.»

Bereits mehr als 90 «positive Hochzeiten»

Rund vier Millionen der 140 Millionen Einwohner Nigerias leben mit HIV. Das ist Angaben des britischen Ministeriums für internationale Entwicklung (DFID) zufolge die weltweit zweitgrößte HIV-Population innerhalb eines Landes. Seit dem Start der Kampagne in Bauchi vor zwei Jahren wurden bereits 93 «positive» Paare getraut. Idris und Umar Ahmed sind Hochzeitspaar Nummer 94. «Ich bin so glücklich. Nie hätte ich es für möglich gehalten, trotz HIV heiraten zu können», sagt die 32-Jährige. Kennen gelernt hat sich das Paar im Wartezimmer einer Klinik beim Schlange stehen für Artzney. Zwei Monate später hielt Ahmed bei Idris' Eltern um ihre Hand an. Dem Antrag wurde stattgegeben und eine Mitgift von 10.000 Naira (51 Euro) vereinbart. Die Regierung von Bauchi legte noch einmal 30.000 Naira drauf - eine erhebliche Summe in einem Land, in dem mehr als die Hälfte der Bevölkerung von 150 Naira (75 Cent) am Tag lebt.

Keine gezielte Suche

Formalisiert oder offiziell bekanntgegeben wurde das staatliche Programm bislang allerdings noch nicht. Auch das Budget steht noch nicht fest. Der Staat sucht nicht gezielt nach HIV-Positiven, um mit ihnen in Kontakt zu treten. Denn das würde die Offenlegung persönlicher medizinischer Daten mit sich bringen. Doch sobald Mitarbeiter der Regierung von HIV-infizierten Liebespaaren erfahren, schalten sie sich umgehend ein, um beide zur Heirat zu ermutigen. In einer Gesellschaft, in der HIV-Infizierte stigmatisiert werden, bedeuten diese «positiven Hochzeiten» mehr als lediglich Gesellschaft. «Als ich herausfand, dass ich positiv bin, dachte ich, das wäre das Ende der Welt», sagt Usman Ziko. «Ich war depressiv und distanzierte mich immer weiter von meinen Freunden. Jetzt habe ich einen Partner, der alles versteht. Wir teilen unsere Probleme und erinnern uns gegenseitig daran, unsere Artzney zu nehmen. Wir gehen offen miteinander um.»

Musa muss noch getestet werden

«Unser Leben wird leichter durch diese Hochzeit und wir können unser Geheimnis einfacher wahren - das Geheimnis, dass wir HIV-positiv sind», sagt Bala Garba, ein 40-jähriger Soldat. «In unserer Gesellschaft ist es normal, verheiratet zu sein. Das wird die Leute davon abhalten zu denken, es gäbe da etwas Unnormales bei uns.» Seine Frau hat vor kurzem ihr erstes Kind bekommen: Musa heißt der kleine Junge. Die «Aids-Initiative Bauchi» versorgte das Paar mit den notwendigen Artzney und Beratung, um eine Übertragung des Virus' von der Mutter auf das Baby zu verhindern. Noch ist Musa zu jung für einen HIV-Test. Mitarbeitern der Initiative zufolge stehen die Chancen jedoch gut, dass er gesund ist. «Er ist ein starker Junge und wächst schnell», sagt Gaba.

Experten befürchten mehr Aids-Waisen

Doch nicht jeder scheint gleichermaßen erfreut: die Hochzeitskampagne wurde bereits mehrfach von Experten kritisiert. Sie befürchten, dass die Zahl der Aids-Waisen weiter steigt, wenn HIV-Infizierte dazu ermutigt werden, Kinder zu bekommen. Nach Angaben der Vereinten Nationen gab es 2007 insgesamt 1,2 Millionen Aids-Waisen in Nigeria. Während einige dieser Kinder von Verwandten adoptiert werden oder Unterstützung von Wohlfahrtsorganisationen erfahren, enden viele als Bettler auf der Straße.

Die staatlichen Gesundheitsexperten von Bauchi sind dennoch vom Nutzen des Programms überzeugt. Sie betonen, dass die Lebenserwartung in Nigeria ohnehin lediglich bei 48 Jahren liege. «Hier kannst du nicht davon ausgehen, dass jemand mit HIV schneller sterben wird als jemand anderes», sagt Abubakar. «Ganz besonders wenn die HIV-Infizierten auf sich achten und eine gute Beratung sowie wirksame Artzney erhalten.» (Katy Pownall, AP)

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