"Niemand kauft etwas": Über diese Touristen regt sich Italien jetzt besonders auf

Venedig empört sich über Urlauber, die nichts kaufen. In Südtirol wird Eintritt für besonders schöne Fleckerl in den Bergen erhoben. Reicht das als Maßnahme gegen Besuchermassen?
Martina Scheffler
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Für ein instagram-taugliches Selfie gehen Touristen auch an Orte – hier in den Dolomiten vor den Drei Zinnen –, für deren Zuwegung Bauern mancherorts ein kleines Entgelt erheben.
Für ein instagram-taugliches Selfie gehen Touristen auch an Orte – hier in den Dolomiten vor den Drei Zinnen –, für deren Zuwegung Bauern mancherorts ein kleines Entgelt erheben. © imago
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Schlange stehen fürs Selfie am See, Bauern, die kostenpflichtige Zugangssperren errichten – in den Sozialen Medien häufen sich in der Urlaubszeit Videos und Fotos, die die Folgen des Overtourism in Südtirol zeigen. Die beliebte Ferienregion in den italienischen Alpen ächzt unter dem Besucheransturm.

Wie das Nachrichtenmagazin "Südtirol Heute" berichtete, kommen beispielsweise in der Landeshauptstadt Bozen auf jeden Einwohner und jede Einwohnerin der Stadt fast 69 Touristen. Damit liege die Stadt auf Platz drei der Top-Reiseziele in Italien hinter Venedig und Rimini. "Es braucht unbedingt Maßnahmen", schreibt eine Nutzerin auf Facebook.

Und eine andere macht die Sozialen Medien selbst verantwortlich: "Instagram und Tiktok ruinieren meine geliebten Berge — immer mehr Leute gehen dort hoch und haben keine Ahnung davon, wie sie sich zu verhalten haben, nur, wie sie Selfies machen." Das Landesamt für Statistik Astat listet Zahlen auf, die zeigen, wie stark sich der Tourismus in den vergangenen 75 Jahren in der Region entwickelt hat. Übernachtungen in den 116 Südtiroler Gemeinden stiegen von 1950 bis 2024 von gut 1,8 Millionen auf gut 37 Millionen, die Zahl der Ankünfte von 330.000 auf gut 8,7 Millionen.

Auch an manchem Gipfel ist keine Ruhe mehr zu haben: hier am Roßkopf in Südtirol.
Auch an manchem Gipfel ist keine Ruhe mehr zu haben: hier am Roßkopf in Südtirol. © imagebroker/imago

Und während 1950 noch die übergroße Mehrheit aus Italien kam, sind es nun mehr als doppelt so viele Ausländer wie Inländer. "Kann eine touristisch dermaßen überbeanspruchte Region noch Heimat sein?", fragte im vergangenen Jahr der Heimatpflegeverband Südtirol. Immerhin sei der Landstrich im Norden Italiens "seit Jahren die tourismusintensivste Region der Zentralalpen, an vierter Stelle in der ganzen EU".

Bettenobergrenze kam 2022

2022 führte Südtirol eine Bettenobergrenze ein. In der sogenannten Durchführungsverordnung zum Landestourismusentwicklungskonzept 2030+ legte die Landesregierung Regeln für den Tourismus der Zukunft fest. Zunächst sollte die Zahl der bestehenden Gästebetten erhoben werden. Die Obergrenze sollte dann aus der Summe "aller rechtmäßigen Schlafgelegenheiten für Gäste im Alter von über 14 Jahren" bestehen, so die Landesregierung damals. Pro Betrieb sollten maximal 150 Betten erlaubt werden.

Der Heimatpflegeverband sieht die Maßnahme aber als gescheitert an: Es sei "keine echte Kehrtwende auf politischer Ebene wahrzunehmen, auch nicht durch den sogenannten Bettenstopp", der zu einer sprunghaften Zunahme der Beherbergungskapazität geführt habe "und weiter führen wird".

"Lebensqualität der Bewohner muss Priorität haben"

"Im Sinne eines umfassenden und konkreten Heimatbegriffs soll der Lebensqualität der Bewohner und Bewohnerinnen die Priorität eingeräumt werden", forderte die Obfrau des Heimatpflegeverbandes Claudia Plaikner 2024. "Beginnt damit, eine Erlaubnis für den Besuch der Wanderwege anzufordern, auf diese Weise kann man die Zahl der Besucher kontrollieren", schlägt eine Nutzerin auf Instagram vor.

Gondelstau in Venedig - das ist wenig romantisch.
Gondelstau in Venedig - das ist wenig romantisch. © Christoph Sator/dpa

Eintrittskarten für Stadt und Land: Diesen Weg ist Venedig bereits gegangen. Allerdings ist der Test mit einer Gebühr für Tagestouristen heuer beendet. "Wie es nun weitergeht, hängt von der Bilanz ab, die im Herbst vorgestellt wird", schreibt der ADAC. Von Mitte April bis Ende Juli kostete der Eintritt in die Lagunenstadt tagsüber zehn Euro. Laut ADAC nahm Venedig von insgesamt gut 720.000 zahlende Besuchern rund 5,4 Millionen Euro ein.

Was machen von Touristen in Venedig halten, haben sie hier ganz offen bekannt.
Was machen von Touristen in Venedig halten, haben sie hier ganz offen bekannt. © viennaslide/imago

Doch manchem reicht das nicht: Viele dieser Tagestouristen sparten und gäben kaum einen weiteren Euro aus. "Sie teilen sich einen Teller Nudeln und kaufen nichts", zitiert "Südtirol News" Setrak Tokatzian, Präsident des Vereins Piazza San Marco. "Jeden Tag sehe ich Ströme von Menschen, die in der Stadt ankommen, aber ohne Ziel. Sie ziehen von einem Ort zum anderen, oft unter Anleitung von Reiseveranstaltern, sie steigen in Gondeln, steigen in Taxis, fahren hierhin und dorthin, aber niemand kauft etwas", klagte der Präsident dem "Corriere del Veneto" sein Leid.

Anzeige für den Anbieter Instagram Reel über den Consent-Anbieter verweigert

"Es tut mir leid, das sagen zu müssen, aber dieser Tourismus ist obszön." Tokatzian schlug vor, die Tagesgebühr auf 100 Euro zu erhöhen. Der Nachrichtenanbieter Brut America zeigt in einem Südtirol-Video Touristen, denen eine Zugangsgebühr von etwa fünf Euro für "instagram-taugliche Bereiche" abverlangt wurde, etwa zu den Drei Zinnen.

Wenn es nach den Nutzern geht, reicht das offenbar noch nicht, um die Menschen abzuhalten. "Sie sollten 20 Euro nehmen und die Natur kann vielleicht atmen", schreibt jemand. Ob es so kommt?

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  • Der Münchner vor 4 Stunden / Bewertung:

    Wer rief den die Geister?

    Antworten lädt ... Kommentar melden
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