Münchner (66) radelt bis nach Ägypten – über eine Sache dort sagt er: "Ich war entsetzt"

Von München nach Kairo - und das weitgehend mit dem Fahrrad: Dieses Abenteuer hat Peter Harnisch (66) gewagt. Auf der einen Seite hat der Historiker unvergessliche Momente erlebt. Auf der anderen war die Route teilweise "entsetzlich". Seine Geschichte.
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Eine einmalige Reise: Peter Harnisch mit seinem Fahrrad vor den Pyramiden.
Eine einmalige Reise: Peter Harnisch mit seinem Fahrrad vor den Pyramiden. © privat

Peter Harnisch (66) ist in Kairo gerade dabei, sein Fahrrad einzupacken. Die Pedale und den Sattel hat er schon abgebaut. Für den Heimflug. Für die AZ macht der Münchner aber eine Pause, um noch vor Ort von seinem ungewöhnlichen Ägypten-Abenteuer zu berichten.

Er hat in sieben Wochen rund 3500 Kilometer zurückgelegt. Von seiner Heimat Bayern aus hat er drei Kontinente und neun Länder durchquert. Mit dem Fahrrad. Kein E-Bike, sondern angetrieben mit reiner Muskelkraft. Und das bei bis zu 35 Grad, aber zum Glück immer mit Wind. Wenn er doppelt Glück hatte, sogar mit Rückenwind.

Der Historiker ist bekannt für seine ausgefallenen (Orient-)Radl-Reisen. Stets von München aus. Nun hat er sich das erste Mal nach Afrika gewagt. Wie ist es ihm ergangen? So viel vorab: kein einziger platter Reifen, keine Fahrrad-Panne, nichts! Sein Fazit: "Der Held ist mein Radl."

Blick auf die Stufenpyramdie von Sakkara.
Blick auf die Stufenpyramdie von Sakkara. © Peter Harnisch

Aber von vorn. Der erste Abschnitt bis Istanbul in der Türkei sei für ihn schon "fast Routine" gewesen. "Ich bin bereits das fünfte Mal nach Istanbul geradelt, alles war wie gewohnt." Die von ihm selbst erstellte Route führte über Österreich in die Slowakei, weiter nach Ungarn, Serbien, Rumänien und Bulgarien bis in die Türkei. Mitunter bis zu knapp 130 Kilometer pro Tag.

Istanbul: "Die schönste Bootsfahrt meines Lebens"

"In Istanbul schaue ich mir jedes Mal etwas anderes an. Dieses Mal bin ich mit der Fähre über den Bosporus ans asiatische Ufer gefahren. Das war mit die schönste Bootsfahrt, die ich je in meinem Leben gemacht habe." Er schwärmt vom "fantastischen Blick auf die Silhouette der für mich am schönsten gelegenen Stadt der Welt".

Aber er wäre nicht Peter Harnisch, wenn er nicht auch die Geschichte eines Ortes erkunden würde. "Es war mir wichtig, den asiatischen Stadtteil Kadiköy zu sehen." Der Historiker erklärt: Es handle sich dabei um das byzantinische Chalkedon, "wo 451 nach Christus jenes Konzil stattfand, bei dem sich die orientalischen Kirchen, also auch die ägyptisch-koptische Kirche, von den westlichen getrennt haben". Auf den koptischen Glauben wollte sich der 66-Jährige in Ägypten am meisten fokussieren. Eine passende Annäherung zu seinem Zielland.

Ein besonderer Moment: In der Dunkelheit geht es los

Nach Ägypten gelangt er allerdings nicht auf zwei Rädern, sondern ausnahmsweise mit dem Flugzeug - weil es aktuell auf dem Landweg, etwa durch den Gazastreifen, nicht möglich ist.

Im Vorfeld befürchtete er, dass ihm die ägyptischen Behörden schon am Flughafen in Alexandria einen Strich durch die Radl-Rechnung machen könnten. Zu ungewöhnlich und zu gefährlich könnten sie die Pläne des Alleinreisenden finden, so seine Sorge. Aber: "Alles war problemlos. Vor dem Flughafen habe ich nach Ankunft nachts das Fahrrad zusammengebaut und um 5 Uhr morgens bin ich noch im Dunkeln gestartet - zu einem koptischen Kloster."

Hier hat der Münchner ausnahmsweise den Sattel gewechselt - vom Drahtesel zum Kamel.
Hier hat der Münchner ausnahmsweise den Sattel gewechselt - vom Drahtesel zum Kamel. © privat

Dieser erste Kontakt mit dem Land, mit der Wüste, und das bei Sonnenaufgang, hat ihn sehr ergriffen. So erzählt er es am Telefon, während er noch in Kairo sitzt. "Unvergesslich schön", erinnert er sich - obwohl er die Nacht vorher überhaupt nicht geschlafen hatte. Aber der Moment hat die Müdigkeit vertrieben. "Das ist ein einmaliges Erlebnis im Leben."

Müll in Alexandria: "Ich war sehr entsetzt"

60 Kilometer radelt er im Anschluss ins Stadtzentrum von Alexandria zu einem Hotel am Meer. Kurios: "Erst wollten sie mich mit dem Radl nicht reinlassen, bis sie begriffen haben: Er hat ja fünf Nächte reserviert." Ansonsten habe es keine Irritationen mehr gegeben wegen des deutschen Fahrradfahrers in Nordafrika. Im Gegenteil. Immer wieder habe er von den so freundlich-zugewandten Ägyptern gehört "Welcome to Egypt!"

Die Ortsdurchfahrten hat Peter Harnisch als besonders schwierig für Radfahrer empfunden.
Die Ortsdurchfahrten hat Peter Harnisch als besonders schwierig für Radfahrer empfunden. © Peter Harnisch

Was ihm in Alexandria - historisch gesehen die Markus-Stadt mit der ersten Kathedrale überhaupt für den Evangelisten - besonders aufgefallen ist, allerdings negativ: der viele Müll. "Ich war sehr entsetzt. Ich habe nicht für möglich gehalten, wie diese einst so kosmopolitische Stadt verfällt und im Müll erstickt. Jede Ritze, jede Fuge, alles ist mit Müll zugekleistert."

Diese Erfahrung hat er später auch im Rest des Landes gemacht. "Das Gelände um die Pyramiden wird wegen der Touristen ziemlich gepflegt und sauber gehalten. Aber das sind die seltenen Ausnahmen."

Radeln übers Land: "Es war die Hölle"

Eines der Highlights Ägyptens: der Nil. Den Fluss sieht Harnisch in Rosetta das erste Mal. Auch dazu hat er - natürlich - geschichtlichen Hintergrund parat: "Dort wurde 1799 zufällig jener Stein von Rosetta gefunden, der in einem Text die ägyptischen Hieroglyphen in griechischer Übersetzung lieferte. Dadurch konnte man das erste Mal überhaupt die Hieroglyphen übersetzen und verstehen."

Über seinen weiteren Weg sagt er: "Allmählich begriff ich, wie es auf dem Land abläuft: Es ist für Radler entsetzlich." Schlaglöcher, Stolperschwellen, Wüstensand. Dazu der Lärm, das ständige Hupen. "Es war die Hölle. Mein Radl und ich waren noch nie so eingestaubt wie hier in Ägypten." Was er dann erzählt, lässt aufhorchen: "Wo immer es ging, bin ich dann auf der Autobahn geradelt." Wie bitte? Das sei ohne Weiteres machbar gewesen. "Das ist alles nicht so streng wie bei uns."

Übernachtung im Wüstenkloster - ohne Strom

Ein weiterer Stopp: Wadi Natrun, ein Wüstental mit koptischen Klöstern. "Im größten war ich zwei Nächte im Gästehaus, das war erholsam nach drei Tagen im Nil-Delta." Auch später auf seiner Reise bleibt er noch einmal in einem Wüstenkloster. Allerdings viel ursprünglicher. Ohne Strom, ohne Internet. Dafür mit Stockbetten und einem Plastiksack mit Essensration darin: "braune Bohnen und Fladenbrot".

Das Wüstenkloster, in dem es keinen Strom gab.
Das Wüstenkloster, in dem es keinen Strom gab. © Peter Harnisch

Was in Ägypten natürlich nicht fehlen darf: die Pyramiden in Gizeh. Klick, klick - hier müssen Erinnerungsfotos her. Samt Radl. Harnisch hat noch so viel mehr zu berichten, von den Stufenpyramiden in Sakkara zum Beispiel. Oder einem Wasserfall in der Wüste. Seine Erzählungen fühlen sich an wie ein Schatzkästchen, aus dem er immer mehr herauszaubert. Die gute Nachricht: „Ich werde in München und Umgebung wieder Vorträge halten.“ Über sein ägyptisches Abenteuer auf zwei Rädern.

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