Mordmotiv Schnarchen? - Gib Ruhe, Mann!
Seine Frau hatte Mordgelüste. Sie hat Sex-Entzug angedroht und ihn zum Schlafen in die Badewanne geschickt. Denn Autor Markus Götting schnarcht. Sehr, sehr laut. Kann das gutgehen?
AZ: Herr Götting, Sie schnarchen so donnernd wie ein LKW vorm Fenster. Hasst Ihre Frau Sie sehr?
MARKUS GÖTTING: Oh Gott, sie hat! Anfangs. Sie hat im Zwei-Tages-Rhythmus gedroht, mich zu verlassen. Sie musste jede Nacht auswandern. Es gab definitiv Momente, da hätte sie mich verprügeln, erstechen, vierteilen können ...
Die grässlichste Nacht, an die Sie sich erinnern?
Das war nach einem Formel-1-Rennen im Hotel mit nur einem Minizimmer, ich habe sie ständig geweckt und dann sie wieder mich. Das war Terror, echt, Guantanamo in Satinbettwäsche. Am Ende musste ich in der Wanne schlafen und sie die nächste Nacht auf dem Balkon. Im Urlaub in Spanien war's genauso. Schliesslich bin ich am Pool eingeschlafen - da habe ich auch geschnarcht. Das war ungemein peinlich, weil ich da auch nicht allein war.
Was haben Sie alles probiert?
Irrsinnigste Dinger, ohne Witz, das Internet ist voll davon. Nasenpflaster, die heben Nasenflügel an und sollen die Atmung verbessern. Das sah absurd aus, meine Frau brach in schallendes Gelächter aus. Dann: Der Nasenring, der die Nasenflügel auseinanderbiegt. Ich sah aus wie ein Zuchtbulle mit Plastikring. Sogar einen Schnuller habe ich versucht, den ein Logopäde entwickelt hat. Bei mir hat der nur einen Würgereflex ausgelöst. Am schlimmsten war diese Mundspülung "Der kleine Schnarcher", ich habe gestunken wie ein Koala.
Das klingt jetzt aber schon ziemlich abtörnend.
Ja, es waren sehr kontraproduktive Versuche. Sexverhinderung mit Ansage. Als meine Frau ernsthaft Liebesentzug androhte, ging ich zum Arzt.
Wieviele haben Sie aufgesucht?
Unzählige. Allgemeinmediziner, HNO-Ärzte, Chirurgen im Krankenhaus, Professoren im Schlaflabor, das ganze Programm. Der einzige, der mir am Ende geholfen hat, war ein Zahnarzt.
Ach?
Doch wirklich. Der war selber ein Schnarcher, der seit Jahren an Schnarcher-Schienen herumforschte. Er verpasste mir einen Mundschutz, den man auf die Zähne klickt und vorne durch ein Häkchen verlinkt, das dafür sorgt, dass der Unterkiefer nicht zurückfällt.
Eine Art Maulsperre?
Intraorale Protrusions-Schiene nennt sich das. Mit einer Schraube vorn dran, die man fester oder lockerer machen kann. Die nutzt meine Frau wie einen Lautstärkeregler am Radio. Wenn sie volles Rohr zudreht, hört sie gar nichts mehr. Nur habe ich dann am nächsten Morgen so Muskelkater im Kiefer, dass ich nicht frühstücken kann.
Ist das sexy?
Es ist das Gegenteil von sexy. Es sieht wahnsinnig behämmert aus. Und es ist inzwischen ein nonverbales Signal bei uns. Trage ich die Schiene, signalisiere ich definitiven Paarungsunwillen. Trage ich sie nicht, heisst das: Hey, kuscheln heute!
Und wenn Sie dann ausgekuschelt haben ...
... jaja, dann sagt sie: "Was ist übrigens mit der Spange?"
Seither haben Sie sich wieder lieb?
Ja! Die erste Nacht mit diesem Ding im Mund war irre. Ich bin um drei wach geworden, drehte mich zur Seite, da lag sie noch! Um fünf schaute ich nochmal: Sie war noch da. Und als sie um neun immernoch dort lag, dachte ich: Wow, das ist der beste Tag meines Lebens. Jetzt können wir endlich leben wie andere.
Worunter leidet ein Schnarcher am meisten?
Du weisst, du bist nicht gesellschaftsfähig. Du hast Angst, in der Öffentlichkeit einzuschlafen, im Zug, im Flieger, am Hotelpool. Du hast die permamente Paranoia, dass dich Menschen böse anschauen. Du wirst nicht in die Berge fahren und in Alpenvereinshütten übernachten, weil du weisst, dass dich die Bett- und Zimmernachbarn killen werden. Schnarchen macht so einsam - wie Mundgeruch.
Das ist dann die Stelle, an der Sie um Mitgefühl werben könnten. Irgendeine Bitte an alle Schnarcher-Frauen?
Klar. Haltet durch, ihr seid nicht allein! Bucht die grösste Suite, wenn ihr Urlaub macht und verabredet euch zum Spontansex. Schmeisst eure Kerle nicht raus, sondern schleppt sie zum Arzt, es gibt ja Rettung! Der Mann, der schnarcht ist Täter, ja, aber auch Opfer seiner Anatomie, für die kann er halt nix.
Interview: Irene Kleber
- Themen:
- Terrorismus