Merkel-Doppelgängerin Ursula Wanecki: "Ich mag sie sehr"
Sie ruft auf eine Interview-Anfrage einfach zurück - und eigentlich ist schon damit klar: Es kann nicht die Kanzlerin höchstpersönlich sein. Ursula Wanecki (65) ist Büroangestellte aus Attendorn im Sauerland, sitzt wie viele andere momentan im Homeoffice - und ist Angela Merkels Doppelgängerin. Vom Blick bis zum Blazer: wie ein Zwilling.
Ursula Wanecki: "Die Hosenanzüge lasse ich erst einmal hängen"
Die Kanzlerin geht im September in den politischen Ruhestand und damit ebbt vermutlich auch der große Trubel um ihr Double ab. Für Wanecki war es zuletzt viel, sie sagt schon vorab: "Das ist jetzt erstmal mein letztes Interview."
AZ: Frau Wanecki, wenn Angela Merkel bald als Bundeskanzlerin aufhört, was machen Sie dann als Erstes? Eine neue Frisur schneiden lassen oder erstmal die bunten Kostüme aussortieren?
URSULA WANECKI: An meiner Frisur werde ich nichts ändern, denn die hatte ich schon immer. Eher hat sich die Bundeskanzlerin an mich angepasst. (lacht) Ich habe dafür die Raute von ihr - also sind wir quitt. Die Hosenanzüge lasse ich erst einmal hängen. Mal sehen, was passiert.

Sie schlüpfen vielleicht doch nochmal in die Merkel-Rolle?
Ich bin jetzt 65 und will auch die Rente zum Ende des Jahres beantragen. Ich wünsche mir zum Beispiel, gedankenlos durch den Wald zu spazieren, in meine Heimat Polen zu reisen und einfach Freiheit zu spüren. Aber wenn vielleicht noch irgendetwas Schönes kommt... Mal schauen, was sich unsere Bundeskanzlerin ausgedacht hat. Wenn sie ganz in den Ruhestand geht, wäre das auch schade für uns, weil wir sonst nicht mehr von ihren Erfahrungen profitieren können. Dass sie sich ganz zurückzieht, kann ich nicht glauben.
"Ich hätte auch die Lachnummer der Nation werden können"
Wem ist denn als Erstes aufgefallen, dass Sie der Kanzlerin sehr ähnlich sehen?
Der Entdecker war mein Enkel, er war damals sechs Jahre alt. Er hat Wahlkampf-Plakate mit Angela Merkel im orangen Kostüm - so eines hatte ich auch - gesehen und hat immer gesagt: "Da ist Oma!" Ich habe mich dann im Karneval als Angela Merkel verkleidet - grüner Blazer, schwarze Hose, meine Tochter hat meine Haare geföhnt. Als ich so zum Bäcker gegangen bin, wurde mir entgegengerufen: "Frau Merkel ist da!"
Mittlerweile sind Sie bei einer Agentur, haben einen Double-Manager und viel gedreht, auch für Stefan Raab.
Ich war damals sehr unerfahren und verunsichert, ich hätte auch die Lachnummer der Nation werden können. Ich habe gelernt, dass ich nicht alles machen muss und auch bestimmen kann. Ich möchte die Kanzlerin nicht lächerlich machen.
Wie stehen Sie zu ihr?
Ich mag sie sehr. Ich habe für die Politik manchmal meine eigenen Wünsche, aber als Frau und große Demokratin schätze ich sie. Sie ist eine kämpferische Frau, weil sie sich in der Männerwelt behaupten kann.
Was nehmen Sie aus der Zeit mit?
Ich habe mich durch die Arbeit als Merkels Double auch weitergebildet und bin reifer geworden, habe politische Kompetenzen entwickelt. Dafür bin ich Frau Merkel sehr dankbar. Ich bin durch ganz Europa gereist, habe Politiker kennengelernt, konnte an verschiedenen Veranstaltungen teilnehmen. Es war eine abenteuerliche Zeit.
"Abgeguckt ist nur die Raute, die habe ich vorher nicht gemacht"
Mussten Sie es trainieren, so wie die Kanzlerin zu sein?
Das Schöne ist: Meine Gestik und Mimik sind angeboren so wie bei Angela Merkel. Ich habe ihre Aura, hat man mir am Anfang schon gesagt. Sobald ich es übe, wirke ich nicht wie sie. Ich muss einfach natürlich sein. Auch die Bernsteinketten tragen wir beide, in meiner Heimat Polen gehören die in jedes Schmuckkästchen. Abgeguckt ist nur die Raute, die habe ich vorher nicht gemacht.
Haben Sie die so verinnerlicht, dass Sie sie auch privat formen?
Ich habe mich tatsächlich dabei ertappt, dass ich die Raute bei Gesprächen mache. Das ist das Einzige, was ich mir abgewöhnen muss. Ich trage im Privatleben auch keine Blazer, ich kleide mich feminin. Aber ich glaube, dass auch Angela Merkel eigentlich modebewusst ist. Aber sie hat absichtlich diese Kleidung gewählt.
"Wenn Autos mir zu nahe kommen, habe ich Angst"
Warum?
Sie ist die mächtigste Frau der Welt und bewegt sich unter Männern mit ihren schwarzen Anzügen. Das ist Merkels Stärke: Sie hat sich angepasst, aber hat bunte Blazer ausgesucht, und dadurch steht sie immer im Fokus.
Haben Sie als Double Schattenseiten erlebt?
Die Flüchtlingskrise war für mich sehr schwierig, als die Kanzlerin beschimpft wurde. Daraus haben sich Ängste bei mir entwickelt, die bis heute geblieben sind. Wenn ich zum Beispiel am Bahnhof in Berlin stehe, achte ich darauf, dass ich weit genug weg stehe, damit ich nicht geschubst werden kann. Auch wenn Autos mir zu nahe kommen, habe ich Angst. Ich habe immer gedacht, es könnte jemand ausnutzen und eine Schlagzeile provozieren: "Merkel-Double vor den Zug gestoßen". Also sozusagen der Kanzlerin über ihr Double zu schaden.

Verkleiden Sie sich, um nicht als Merkel-Double erkannt zu werden?
Ich werde immer angesprochen. Fast jeden Tag und egal, was ich trage.
Holen Sie dann den Personalausweis raus, um aufzuklären?
Ich bin die "stumme Kanzlerin". Sobald ich etwas sage, merken die Leute sofort, dass ich nicht die Kanzlerin bin - weil ich den Ostakzent habe. Bei Auftritten sage ich immer: Ich habe zu lange mit Wladimir Putin telefoniert, davon ist mir ein Akzent geblieben.
Ursula Wanecki: Noch hat sie Angela Merkel nicht persönlich getroffen
Haben Sie noch einen lustigen Merkel-Moment parat?
Zuletzt waren wir in Österreich mit den Doubles von Trump, Putin und Greta Thunberg. Wir saßen abends in einem Restaurant - eine Situation, die so in Realität wohl nie eintreten wird. Wir wurden viel angesprochen und fotografiert.
Haben Sie Merkel schon mal persönlich gesprochen?
Es sollte kürzlich ein Treffen geben, leider wurde es abgesagt. Aber es soll nachgeholt werden. Für mich wäre es so schön, wenn ich sie treffen könnte. Sie hat mir schon ein signiertes Buch geschickt.