Mental Load an Weihnachten: So werden Frauen entlastet

"Weihnachten ist die schönste Zeit des Jahres": Diesen Satz liest man immer wieder. Für viele Frauen und Mütter sind die Wochen vor dem Fest jedoch eine Belastungsprobe. Die Geschenke für die Kinder müssen gekauft, ein Weihnachtsessen organisiert und die Feier geplant werden - und das neben Arbeit und Haushalt. Doch warum liegt diese Planung meist bei ihnen? Autorin Katharina Hingsammer schreibt in ihrem Buch "Realtalk" über den Mental Load von Frauen. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot und news erzählt sie, woher die Erwartungen kommen und wie sich die To-dos rund um Weihnachten fair verteilen lassen.
Welche Rollenbilder oder alten Erwartungen an Frauen zeigen sich in der Weihnachtszeit besonders?
Katharina Hingsammer: Diese Weihnachtsmagie, der Grund, warum sowohl das Fest als auch die Vorweihnachtszeit schön wird, liegt an der unsichtbaren Arbeit von Frauen. Sie machen die Adventskalender, organisieren das Familienfest, besorgen die Geschenke und packen sie ein und planen das Menü. Es wird erwartet, dass die Frau alles managt, und der Mann vielleicht noch kocht oder einfach nur dabei ist.
Welche Strukturen stecken dahinter?
Hingsammer: Es sind alte Strukturen, nach denen die Frau für die Familie zuständig ist. Die Frau wird als Bedienerin angesehen. Sie wird beispielsweise für die Geschenkeplanung verantwortlich gemacht, an die der Mann niemals einen Gedanken verschwenden muss.
Wie lassen sich diese Muster oder Erwartungshaltungen durchbrechen?
Hingsammer: Man muss realisieren, was man macht und überlegen, ob es Spaß macht oder nicht. Man muss die Muster nicht durchbrechen, wenn man in dieser Organisationsrolle aufgeht und darunter nicht leidet. Dann ist es gut, zu erkennen: Ich leiste viel in diesem Bereich und mein Partner in einem anderen. Wenn es mich aber belastet und ich es als unfair empfinde, sollte ich es ausstreiten. In vielen Beziehungen ist Streit etwas Bedrohliches. Aber wenn man mit dem Partner diskutieren kann, sollte man das tun. Streiten ist ein Katalysator für Veränderung. Außerdem kann man sich schon im November zusammensetzen und zusammentragen, was zu organisieren ist. Dann überlegt man: Was davon willst du übernehmen und was mache ich?
Wie können Männer dazu beitragen, dass die Aufgaben fair geteilt werden?
Hingsammer: Weil die Strukturen und Systeme schon lange funktionieren, müssen Männer nicht mitdenken. Es ist zwar unfair, dass wir auch die Aufgabe übernehmen müssen, ihnen zu sagen, was zu tun ist, aber Dinge vorauszusetzen, für die sie nie verantwortlich waren, funktioniert nicht. Eine offene Kommunikation ist ganz wichtig. Es gibt auch Mental-Load-Listen, die man gemeinsam ausfüllen kann. Dann wird sichtbar, was diese unsichtbare Arbeit beinhaltet.
Statt alles allein zu machen und nicht zu kommunizieren, sollte man sagen: "Es stehen diese Wochen 40 Aufgaben an. Wir müssen sie aufteilen, weil ich das nicht allein schaffe. Was davon wirst du übernehmen?" Zumindest am Anfang, wenn man Rollen neu verteilen will, sollte man auch nicht zu viele Vorwürfe machen. Sonst hören sie nur das.
An Weihnachten vergleichen sich Frauen oft, zum Beispiel bei selbst gebastelten Adventskalendern für die Kinder. Warum passiert das und was verstärkt den Vergleich?
Hingsammer: Social Media trägt einen großen Teil dazu bei, dass nach außen alles immer perfekt wirkt. Man muss sich darüber klar werden, dass jeder andere zeitliche und finanzielle Möglichkeiten hat. Die Kindheit ist nicht mehr oder weniger perfekt, je nachdem, was für einen Adventskalender es gab. Nicht jedes Kind braucht einen selbst gebastelten Adventskalender und ist unglücklich, wenn es keinen bekommt. Wenn es ein einfacher Schoko-Kalender ist und das Kind Schokolade liebt, passt das auch. Davon wird das Kind kein Trauma mitnehmen.
Wie können sich Frauen von diesen Vergleichen lösen?
Hingsammer: Wir sollten uns an die eigene Kindheit zurückerinnern, in der es noch kein Social Media gab. Außerdem sollten wir daran denken, dass es in der Weihnachtszeit um Präsenz geht. Und uns vor allem beim Thema Kinder und Geschenke zurücknehmen und fragen, worum es an Weihnachten eigentlich geht.
Wie können Frauen in der Weihnachtszeit erkennen, dass sie nicht ständig alles leisten müssen?
Hingsammer: Wir sollten einen Schritt zurücktreten und uns fragen: Wird es irgendjemandem außer mir auffallen, wenn jetzt ein Geschenk weniger da ist oder wenn ich weiße Servietten statt Weihnachtsservietten auf den Tisch lege? Oder ist das mein eigener Anspruch? Dann auch: Mache ich mir Dinge unnötig schwer, weil ich es für Social Media so perfekt herrichten möchte? Ist das gerade etwas Lebensnotwendiges oder nicht? Und dann durchatmen und realisieren, dass man nicht allein ist. Ich schreibe meinem Mann, einer Freundin oder meiner Mutter, ob sie nicht ein Geschenk im Spielzeuggeschäft aussuchen kann. Es gibt auch viele Frauen, die ein minimalistisches Weihnachtsfest feiern - jeden Tag Geschenke auspacken lassen und alles reduzieren. Das ist eine sehr positive Bewegung.