Melderegister für Ärztepfusch gefordert

Rund 40.000 Beschwerdeverfahren wegen Ärztefehlern sind bundesweit anhängig. Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung will nun per Gesetz mehr Transparenz schaffen. Die Lobby der Mediziner lehnt das strikt ab.
von  Abendzeitung

BERLIN - Rund 40.000 Beschwerdeverfahren wegen Ärztefehlern sind bundesweit anhängig. Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung will nun per Gesetz mehr Transparenz schaffen. Die Lobby der Mediziner lehnt das strikt ab.

Angesichts einer steigenden Zahl von Behandlungsfehlern will der Patientenbeauftragte Wolfgang Zöller ein Melderegister für Ärztepfusch einführen.

Skeptische Ärztekammer

Die Forderung des CSU-Politikers stieß am Montag in Berlin allerdings auf Ablehnung und Skepsis. Nötig seien keine Zwangsregister, sondern vernünftige Arbeitsbedingungen, erklärte die Bundesärztekammer.

Das Gesundheitsministerium verwies lapidar darauf, ein Melderegister sei «bisher in der Koalition nicht besprochen» worden. Ministeriumssprecher Christian Lipicki erklärte, auch seinem Hause sei an einer Stärkung der Patientenrechte gelegen. «Wenn Behandlungsfehler besser verhindert werden sollen, geht das nur gemeinsam mit allen Beteiligten. Zumal: Ein Großteil der Behandlungen verläuft zur vollen Zufriedenheit der Patienten», meinte er.

Zöller will die Einführung eines bundesweiten Melderegisters für Behandlungsfehler im Patientenrechtegesetz verankern, das nächstes Jahr in Kraft treten soll. Die Daten sollten zunächst anonym ohne Nennung des Arztes erfasst werden und öffentlich zugänglich sein, sagte er der «Hannoverschen Allgemeinen Zeitung» und forderte eine «neue Fehlerkultur.»

Nach einer Statistik der Bundesärztekammer vom vergangenen Juni wurden 2008 bei Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen rund 11.000 Anträge wegen mutmaßlicher Behandlungsfehler gestellt. Die Fallzahl stieg danach allein bei den ärztlichen Schlichtungsstellen um 5,1 Prozent.

Höchste Fehlerquote: Hüft- und Kniegelenksbehandlungen

An der Spitze der Fehlervorwürfe lagen Hüft- und Kniegelenksbehandlungen. Die Gesamtzahl aller Beschwerdeverfahren in Deutschland schätzt die Bundesärztekammer auf etwa 40.000. Davon landete 2008 rund ein Viertel (10.976) auf den Tischen der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen, die die Ärzte eigens dafür eingerichtet haben. Die übrigen Fälle werden gleich vor Gericht oder in außergerichtlichen Verfahren ausgetragen.

Der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, sprach sich angesichts dieser Zahlen gegen Zwangsmaßnahmen aus. «Unser Ziel ist und bleibt es, dass Ärzte ohne Angst über Pannen sprechen können, dass sie aus ihren Fehlern lernen», erklärte er. «Gerade in Anbetracht der Komplexität moderner Medizin brauchen wir eine systematische und auf Freiwilligkeit beruhende Aufarbeitung von Fehlern im Sinne einer Fehlervermeidungskultur.»

(apn)

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.