Lust auf Liebe?

Online flirten – so geht’s: Schon sechs Millionen Deutsche haben im Internet zueinander gefunden – auch AZ-Reporterin Marie ist via Singlebörse auf Partnersuche gegangen. Für die AZ machte sie den Selbsttest.
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Marie hat sich für die Partnersuche im Internet entschieden – und loggt sich bei einer Flirtbörse ein.
Gregor Feindt Marie hat sich für die Partnersuche im Internet entschieden – und loggt sich bei einer Flirtbörse ein.

MÜNCHEN - Online flirten – so geht’s: Schon sechs Millionen Deutsche haben im Internet zueinander gefunden – auch AZ-Reporterin Marie ist via Singlebörse auf Partnersuche gegangen. Für die AZ machte sie den Selbsttest.

Trägst du gern Strumpfhosen“, fragt 7E8D531934. Hinter der unschönen Kennziffer soll ein schöner, wenn auch sehr direkter Mann stecken. Das verspricht mir ElitePartner, eine Online-Partnervermittlung, bei der ich mich vor Kurzem registriert habe. Die Strumpfhosen-Frage finde ich trotzdem komisch und befördere den Unsympathen via Absage-Button ins Flirt-Jenseits. Schließlich suche ich einen Traumprinzen und keinen Nylon-Fetischisten.

Im Internet haben schon über sechs Millionen deutsche Singles zueinander gefunden. Und im Bekanntenkreis höre ich ständig von Pärchen, die sich im WWW kennen gelernt haben. Jetzt soll Date-Doktor ElitePartner auch mir helfen. Deren Strategie: ein wissenschaftliches Matching (to match = zusammenpassen). Dazu muss jedes der über eine Million Mitglieder – von „athletisch trainiert“ bis „ein paar Pfunde zu viel“ – einen Persönlichkeitstest machen. Ich soll angeben, was mir in einer Beziehung wichtig ist und ob ich eher der hilflose, ausdauernde oder verschmelzungs-fähige Typ bin? Kann ich verschmelzen? Aus Spaß rufe ich meinen Ex-Freund an und lande am Ohr meiner Nachfolgerin. Ich habe vergessen, dass sie bei ihm eingezogen ist und lege auf.

Nach dem Psychotest kommt der Wunschbaukasten

Nach dem Online-Psychotest lande ich endlich auf der Seite mit dem „Wunschbaukasten“. Hier darf ich mir meinen Traummann basteln. Wie wichtig ist Ihnen die äußere Attraktivität Ihres Partners? Wichtig. Soll er offen, treu und ehrlich sein? Logisch. Ich nehme das volle Programm. Naives Wunschdenken ist hier erlaubt.

Realistisch werde ich erst in der Rubrik „Fragen an andere Mitglieder“. Ich gebe ein: „Bist du dir sicher, dass du nicht verheiratet bist?“ In letzter Zeit treffe ich nämlich häufig Herren, die ihre Ehe kurzfristig vergessen haben. Huch – verheiratet! Wie ist das denn passiert?

Nach anderthalb Stunden habe ich alle Felder gewissenhaft ausgefüllt. Jetzt werden Mitglieder gesucht, mit denen ich die größte Übereinstimmung habe. Dann werden beide Seiten einander vorgeschlagen. Ich bleibe altmodisch und warte bis mich jemand anschreibt.

Der elektronische Briefkasten quillt über

Drei Tage später bemerke ich ein rotes Fähnchen über meiner Elite-Postbox das signalisiert „Grüße von Interessenten“. 32 Männer haben mir gemailt. Damit hatte ich nicht gerechnet. Erwartungsvoll klicke ich mich durch die Briefe. Manche haben ihr Foto frei geschaltet, manche sehe ich nur anonymisiert.

Leider benutzt die Hälfte der Poeten vorgefertigte Gruß-Vorlagen à la „Ich würde Sie gern kennen lernen, denn ich finde Ihr Profil sehr interessant“. Das ist grauenvoll langweilig. Ich bemerke: Je hübscher die Kerle, desto einfallsloser die Mails. Und die, die sich nett und natürlich geben, sind entweder zu jung oder weit über die Alters- oder optische Grenze hinaus geschossen. Vier Männer bleiben übrig. Ich „unterhalte“ mich mit ihnen wie wir wann nach München kamen und welche unsere Lieblingslokale sind.

Thomas (alle Namen geändert), 34 und Architekt, wohnt nur ein paar Minuten von mir entfernt und isst oft in meinem Lieblings-Restaurant. Merkwürdig, dass man sich erst im WWW begegnet.

Zum Glück schlagen er und die anderen nach ein paar Mails ein Date in der realen Welt vor. Das ist zwar nichts für meine Nerven, aber immer noch besser, als sich einen Fantasietyp à la „Liebe auf den ersten Klick“ zu formen.

Das erste Date in der realen Welt

Zwanzig Minuten vor dem Blind Date bereue ich meine Entscheidung. Ich will umdrehen. Was ist, wenn ich ihn gar nicht erkenne? Ich laufe schneller, damit ich vor ihm da bin. Erste. Den Eingang im Blick sortiere ich Haare, Blazer, Beine. Ich bin nervös. Hinter mir sagt jemand „Marie?“. Ich reagiere erst, als mir einfällt, dass ich ja Marie bin. Ich habe bei Elite unter einem Pseudonym gemailt. „Nötige Sicherheitsvorkehrungen“ nannten das meine Freundinnen.

Zu meiner Erleichterung hat Thomas Verständnis. Insgesamt scheint er ein recht sensibles Kerlchen zu sein. Als seine Ex ihn vor drei Jahren verließ, sei er zurück zu seinen Eltern gezogen, habe seinen Job gekündigt und sei spazieren gegangen. Über ein Jahr lang ging er spazieren. Nur noch spazieren(!). Das macht mir Angst.

Mister Model hat einen geistigen Totalschaden

Zwei Tage später treffe ich Franz. Ich bin positiv überrascht. Er schaut viel besser aus als auf dem Foto. Zwar wirkt er verkrampft, aber sympathisch. Für das zweite Treffen lockt er mich zum Tegernsee. Was sich dort abspielt, ist unglaublich. Franz fragt, warum auch im Sommer auf den Bergen Schnee liegt – schließlich scheint doch die Sonne. Franz fragt, warum die Enten nicht frieren und warum es am Ufer große und kleine Sandkörner gibt. Sind wir bei „Marie erklärt die Welt“ oder leidet Mister Model unter einem geistigen Totalschaden?

Und apropos Schaden – Date Nummer drei sollte auch enttäuschend enden: Alex und ich sitzen am Starnberger See. Die Sonne knallt mir auf den Rücken und ich bitte ihn, mir Sonnencreme auf die Schulterblätter zu schmieren. Aber Alex macht einen Satz nach hinten und sagt „nein, ich habe da zu schlechte Erfahrungen gemacht“. Zwei seiner Ex-Freundinnen sollen ihn geschlagen haben und er brauche nun Zeit, um körperliche Nähe zuzulassen.

Damit scheint Harry – mein „beinahe Date Nummer vier“ – weniger Probleme zu haben. Er besteht auf ein privates Rendezvous daheim. Bars und Restaurants seinen ihm viel zu laut. Dafür kassiert er einen Absage-Klick.

Irgendwann geht der Richtige ins Netz

Langsam schleicht sich bei mir das Gefühl ein, dass manche Männer nicht grundlos solo sind. „Du hast bloß ein Händchen für Freaks“, sagen meine Freunde. Eine neue Taktik muss her. Zum ersten Mal werfe ich einen Blick auf meine Partnervorschläge und maile die Typen als Erste an. Nach ein paar Stunden habe ich zwei neue, vielversprechende Kontakte. Mein Plan: erst mal telefonieren, dann zum Traumprinz-Casting treffen. Spannend und amüsant ist’s allemal. Und irgendwann geht sicher auch der Richtige ins Netz.

Marie

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