Leben im Dampfgarer

Gullydeckel als Herdplatte, Küken schlüpfen aus gelagerten Eiern - die Temperaturen in China sind seit Tagen über 40 Grad. Ein Land lebt im Ausnahmezustand, und es gab schon Hitzetote.
Jinan - Unbeeindruckt von dem Verkehr um ihn herum kniet der kleine Junge auf dem heißen Asphalt vor einem Gullydeckel und brutzelt sich ein Spiegelei mit Garnelen. Es ist seit Tagen so heiß in Jinan, der Hauptstadt der Provinz Shandong, rund 400 Kilometer südlich von Peking, so heiß wie seit 140 Jahren nicht mehr.
Lesen Sie hier: Nächste Hitzewelle mit Blitz und Donner im Gepäck
Eine ungewöhnliche Hitzewelle in China hat in den vergangenen Tagen zahlreiche Menschen das Leben gekostet. Zwei Dutzend Tote durch Hitzschlag wurden bereits aus mehreren Regionen nach Medienberichten gemeldet, davon starben allein zehn in Shanghai. Die Temperaturen erreichen historische Höchstwerte über 40 Grad, Chinas Wetterämter riefen die höchste Warnstufe aus.
Ein Drittel des Landes ist betroffen. Schwere Dürre plagt weite Teile und Abkühlung ist vorerst nicht in Sicht. Zwei Millionen Menschen in der Südprovinz Guizhou leiden unter Trinkwassermangel, wie Staatsmedien am Mittwoch berichteten. Die Ernte ist schwer geschädigt. Millionen von Bauern sind betroffen.
Lesen Sie hier: Gluthitze: Tipps zum cool bleiben
Vor allem im Süden und im Osten der Volksrepublik kämpfen die Menschen mit der Hitze. Chinas Wetterbehörde (CMA) verhängte zum ersten mal seit Einführung des Warnsystems 2009 die höchste Gefahrenabwehrstufe über sieben Provinzen und die beiden Metropolen Chongqing und Shanghai. Sie warte vor allem die Bewohner vor Hitzschlag udn Brandgefahr. Die Leute sollten sich kühl halten und so wenig wie möglich vor die Tür gehen.
Mit 42,7 Grad war die Stadt Fenghua in der Provinz Zhejiang im Osten die heißeste Stadt in China. Auch die Provinzhauptstadt Hangzhou stellte mit Temperaturen von mehr als 40 Grad über eine Woche einen landesweiten Rekord auf. So heiß war es in Hangzhou seit Beginn der Messungen vor sechs Jahrzehnten nicht. Auf der Suche nach Kühlung strömten die Menschen in die klimatisierte Bibliothek der Stadt. Die Besucherzahl verdreifachte sich am Sonntag auf 20 000.
„Klimawandel und menschliche Aktivitäten tragen gemeinsam zu der Hitzewelle bei“, sagte Forscher Zheng Yan vom Institut für Stadt- und Umweltstudien der Akademie der Sozialwissenschaften der Nachrichtenagentur dpa in Peking. Nicht alles sei durch die Erderwärmung zu erklären, aber die Hitze verstärke sich durch Verkehr, Betonbauten, Abwärme von Klimageräten und Industriebetriebe in den Städten. „Es sind regionale Auswirkungen menschlichen Handelns“, sagte der Forscher. „Sie akkumulieren sich mit der Erderwärmung und führen zu der Hitze, die wir jetzt erleben.“
Lesen Sie hier: "Bei Hitze: Ruhe!" - Interview mit dem Kardiologen Markus Matula
Die Ernteschäden durch die Dürre allein in Guizhou im Süden wurden Medienberichten zufolge auf 5 Milliarden Yuan (613 Millionen Euro) beziffert. Auch weite Teile der Provinzen Hubei, Hunan und Zhejiang leiden unter Trockenheit. In Zhejiang fiel im Juli 74 Prozent weniger Regen als sonst. Besserung ist nicht in Sicht. Ärzte wiesen ältere Menschen an, Klimageräte anzustellen. Viele alte Chinesen lehnen solche Kühlung ab, weil sie es für ungesund halten oder Strom sparen wollen.
Um genügend Energie zu haben, wurden in Zhejiang stromfressende Fabriken angewiesen, mindestens drei Tage die Woche die Produktion zu stoppen, wie der Stromversorger mitteilte. Einkaufszentren, Restaurants, Schulen und Behördengebäude dürfen die Temperaturen nicht niedriger als auf 26 Grad abkühlen.