Kinderschänder Christoph G. - Er trainierte kleine Buben

Als Kellner im Sonthofener Gasthaus „Zum Löwen“ war Christoph G. genauso beliebt wie als Jugend-Betreuer in der Eifel. Die Ermittler glauben, dass er die Opfer für seine Kinderpornos im Verein kennen gelernt hat.
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Das Fahndungsfoto
dpa Das Fahndungsfoto

SONTHOFEN/MAYEN - Als Kellner im Sonthofener Gasthaus „Zum Löwen“ war Christoph G. genauso beliebt wie als Jugend-Betreuer in der Eifel. Die Ermittler glauben, dass er die Opfer für seine Kinderpornos im Verein kennen gelernt hat.

Christoph G. hat einen guten Eindruck hinterlassen. Der mutmaßliche Kinderschänder arbeitete seit Ende Mai in Sonthofen (Kreis Ostallgäu) als Kellner beim Hotel-Gasthof „Zum Löwen“. Der 37-Jährige war tiptop gekleidet, in Trachtenjanker und sauberer Hose. Brachte das Bier prompt auf den Tisch und hat immer nett gegrüßt. Auch die Kinder mochten ihn gern.

Am Donnerstag um 11.30 Uhr steht Christoph G., der Saisonarbeiter aus Mayen in der Eifel, mit einem Seesack über der Schulter auf dem kleinen Platz vor der Terrasse seines Arbeitgebers – Stammgast Manni sieht ihn da stehen und wundert sich. „Ich habe mir gedacht: Warum grüßt er uns nicht?“ Da marschiert Christoph G. in die Fußgängerzone des 20000-Einwohner-Ortes, biegt beim kleinen Brunnen nach links und steht 50 Meter weiter vor der Polizei. Er klingelt, die Tür geht summend auf. Er meldet sich an der Pforte und stellt sich.

Die Flucht ist zu Ende, ohne Jagd, ohne Schüsse. Fotos, Video-Ausschnitte und Stimmproben von Christoph G. kursierten seit Donnerstagmorgen im Internet, weil das ZDF am Mittwochabend in der Sendung „Aktenzeichen XY“ einen Fahndungsaufruf ausgestrahlt hatte (siehe unten). G. hatte keine Chance. Jetzt sitzt er in Kempten in Untersuchungshaft, am Freitag wurde er einem Haftrichter vorgeführt. Am Nachmittag erließ der Richter den Haftbefehl.

Ein ausländischer Journalist hatte der Polizei rund 40 Videos zugespielt. Sie zeigen einen Mann, der mehrere kleine Jungen missbraucht. Der Kinderschänder hatte die Filme ins Internet gestellt. Die Videos, glauben die Fahnder, seien vor allem im Jahr 2006 in Rheinland-Pfalz entstanden. Also zu der Zeit, als Christoph G. in seinem Heimatort Mayen in der Eifel Lehrer im Turnverein TUS Kaisersesch war. Dietmar Larm, Vorsitzender des Vereins, ist geschockt. „Bei uns war er nie auffällig“, sagt Larm über den Mann, der von März 2004 bis September 2008 Buben zwischen vier und zwölf Jahren in Turnen und Leichtathletik unterrichtete. „Er war ein Kumpeltyp und kam gut mit den Eltern und den Kindern klar.“ Weil er zu viel zu tun hätte, sagt Larm, hätte Christoph G. seine Arbeit im September 2008 aufgegeben. Er war geschieden, Kinder hatte er keine.

Larm rechnet damit, dass nun auch Jungen aus seinem Verein Befragungen ausgesetzt sein werden. Die Fahnder gehen davon aus, dass Christoph G. im Sportverein mit seinen Opfern Kontakt aufnahm. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm mehrfachen schweren sexuellen Missbrauch und die Herstellung und Verbreitung von Kinderpornos vor.

Dass bereits 2006 ein Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs in Daun (Kreis Vulkaneifel) gegen Christoph G. lief – davon wusste im Sportverein keiner. Weil die Geschädigten damals keine Angaben machen wollten, kam es zu keinem Prozess. Auch ein Glaubwürdigkeitsgutachten hatte den Verdacht des sexuellen Missbrauchs damals nicht erhärten können. Inzwischen deutet sich allerdings an, dass die aufgetauchten Videos im Zusammenhang mit dem eingestellten Verfahren stehen.

In Sonthofen hatte sich Christoph G. in den vergangenen zwei Monaten ganz gut eingelebt. Erst am Mittwoch hatte er mit seinem Chef Georg L. vereinbart, bis Mitte September zu bleiben. Er kellnerte sechs Mal die Woche, am Sonntag hatte er frei. Er bewohnte ein Zimmer im „Löwen“, surfte in seiner Freizeit oft im Internet oder trank ein Bier im Musikpub „Fässle“, nur einige hundert Meter weiter. Stammgast Manni erzählt, Christoph G. habe seinem Sohn einmal ein Eis gezahlt, „das ist jetzt schon ein bisschen komisch“. An einem Freitag vor einigen Wochen zeigte der Kinderschänder sogar Kunststücke zu Akkordeonsmusik: „Der hat da einen Handstandüberschlag überm Stuhlrücken gemacht“, sagt Manni.

Vor vier, fünf Wochen stieg Christophs Mutter mit ihrem Mann im Löwen ab. „Sie wollten 14 Tage Urlaub machen“, sagt ein älterer Gast. „Ich habe ihnen Wandertouren empfohlen. Adrette Leute – der Christoph, der war ja auch ein netter Bursche. Dass der das getan haben soll, das hätte ich von seinem Wesen und seinem Benehmen nie gedacht.“ Eine Sonthofenerin hat eine andere Meinung: „Für solche Leute gibt es keine Therapie – also sollte man sie gleich wegsperren. Für immer. Dass nie wieder was passiert.“ Eine weitere Frau meint bedrückt: „Man denkt, dass man hier in einem Idyll lebt, abseits von dem ganzen Trubel da draußen – aber so ist es wohl doch nicht.“

Thomas Gautier, Christoph Landsgesell

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.