Kinderarzt Dr. Vitor Gatinho: "Gemüse zu verstecken, bringt wenig"
"Kinder lernen über Nachahmung - nicht über Erziehung": Kinderarzt Dr. med. Vitor Gatinho verrät, wie Kinder eine gesunde Einstellung zum Essen und zu körperlicher Aktivität bekommen. Der Mediziner, der am "Bluey Tag" im Disney Channel (25. Oktober ab 05:45 Uhr) in unterhaltsamen Clips über "Ernährung und Gesundheit" aufklärt, spricht im Interview zudem über Süßigkeiten, Bewegung und Social Media. "Gesundheit entsteht nicht durch Perfektion, sondern durch Balance", erklärt der Arzt, der als "Kids.Doc" auf Instagram 817.000 Follower hat.
Beim "Bluey Tag" dreht sich alles um die Emmy-prämierte australische Animationsserie "Bluey", die mit humorvollen Alltagsgeschichten Familienleben und kindliche Entwicklung in den Mittelpunkt stellt.
Lieber Herr Gatinho, wie fördern Eltern spielerisch eine gesunde Einstellung zu Lebensmitteln bei ihren Kindern?
Dr. med. Vitor Gatinho: Kinder lernen über Nachahmung - nicht über Erziehung. Wer selbst mit Freude isst, Neues probiert und neugierig bleibt, vermittelt automatisch eine gesunde Haltung. Essen darf Spaß machen und alle Sinne ansprechen. Kinder wollen beteiligt sein: beim Einkaufen, Zubereiten oder Servieren. Wenn Eltern das gemeinsame Essen als Erlebnis und nicht als Pflicht gestalten, entsteht ganz von selbst ein natürlicher Zugang zu Lebensmitteln.
Haben Sie Tricks, wie man kleine Kinder für Gemüse begeistern kann, wenn diese ablehnend reagieren?
Dr. Gatinho: Das Wichtigste ist Geduld. Die meisten Kinder brauchen zehn bis fünfzehn Begegnungen mit einem neuen Lebensmittel, bevor sie es annehmen. Gemüse zu verstecken, bringt meist wenig, denn Vertrauen ist entscheidend. Besser ist, Kinder einzubeziehen: Sie dürfen schneiden, würzen oder abschmecken. Wenn das Gemüse Namen, Geschichten oder Farben bekommt, entsteht Neugier statt Druck. Studien zeigen, dass positive Esserlebnisse und wiederholte, entspannte Angebote langfristig den größten Erfolg haben.
Was raten Sie im Umgang mit Süßigkeiten, die oft allgegenwärtig sind?
Dr. Gatinho: Süßes gehört zum Leben dazu - entscheidend ist, wie bewusst wir damit umgehen. Kinder lernen gesunde Balance, wenn sie verstehen, dass Süßigkeiten kein Verbotsthema sind. Feste, kleine Süßzeiten sind sinnvoller als ständiges Naschen. Wichtig ist auch, Süßes nicht mit Trost oder Belohnung zu verknüpfen, denn so wird es emotional überlagert. Eltern, die selbst maßvoll genießen, vermitteln ihren Kindern intuitiv den richtigen Umgang - das ist durch viele Beobachtungsstudien gut belegt.
Ist eine vegetarische oder vegane Ernährungsweise für Kinder gefährlich?
Dr. Gatinho: Vegetarische Ernährung ist bei Kindern problemlos möglich, solange sie abwechslungsreich gestaltet ist. Bei veganer Ernährung ist die Lage komplexer: Sie erfordert gute Planung, Wissen und medizinische Begleitung. Vor allem Vitamin B12, Eisen, Zink, Kalzium und Omega-3-Fettsäuren müssen gezielt zugeführt werden. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung rät bei veganer Ernährung im Kindesalter zu regelmäßigen Blutkontrollen und Supplementierung. Unter fachlicher Anleitung kann sie funktionieren, sollte aber nie unkontrolliert erfolgen. Entscheidend ist nicht die Ideologie, sondern die Nährstoffdeckung.
Wie beeinflusst die Ernährung als Kind das Essverhalten in späteren Jahren?
Dr. Gatinho: Die Forschung zeigt deutlich, dass frühe Ernährungserfahrungen prägend sind. Kinder, die eine große Geschmacksvielfalt kennenlernen und Essen mit positiven Emotionen verbinden, haben im späteren Leben ein stabileres Essverhalten. Strenge Regeln, Druck oder Schuldgefühle hingegen können zu Stress und späteren Störungen führen. Gemeinsame Mahlzeiten, bei denen Kommunikation und Freude im Vordergrund stehen, fördern emotionale Stabilität und schützen langfristig vor problematischem Essverhalten.
Wie viel Bewegung brauchen Kinder pro Tag mindestens, und wann raten Sie zu organisierten Aktivitäten wie in Vereinen?
Dr. Gatinho: Kinder sollten laut WHO und DGKJ mindestens 60 Minuten pro Tag körperlich aktiv sein - und zwar mit moderater bis intensiver Bewegung. Dabei zählt jede Form: Rennen, Klettern, Springen, Fahrradfahren, Tanzen. Ab etwa fünf bis sechs Jahren sind Sportvereine sinnvoll, wenn das Kind Spaß an Bewegung hat und nicht unter Leistungsdruck gerät. Regelmäßige Bewegung stärkt das Herz-Kreislauf-System, die Motorik und auch die psychische Gesundheit. Wichtig ist, dass Bewegung kein Muss ist, sondern Teil eines erfüllten Alltags.
Wie hängen körperliche Aktivität und kognitive Entwicklung zusammen?
Dr. Gatinho: Sehr eng. Bewegung fördert die Durchblutung und Sauerstoffversorgung des Gehirns und steigert damit Aufmerksamkeit, Merkfähigkeit und Stressregulation. Zahlreiche Studien zeigen: Kinder, die sich regelmäßig bewegen, können sich besser konzentrieren und lernen nachhaltiger. Außerdem fördert körperliche Aktivität die Selbstwahrnehmung und das Selbstbewusstsein - wichtige Grundlagen für erfolgreiches Lernen.
Die Nutzung sozialer Medien soll das Risiko erhöhen, ein problematisches Essverhalten zu entwickeln. Was sind Ihre Tipps für den Umgang mit Instagram, YouTube und Co.?
Dr. Gatinho: Soziale Medien prägen das Körperbild junger Menschen massiv. Kinder brauchen daher Begleitung statt Kontrolle. Eltern sollten gemeinsam mit ihnen über Inhalte sprechen, zeigen, was bearbeitet ist, und Werbung als solche benennen. Das stärkt Medienkompetenz. Ebenso wichtig: Kinder früh darin unterstützen, ihren Selbstwert nicht über Likes oder Aussehen zu definieren. Offline-Erlebnisse - Bewegung, Freundschaften, echtes Spiel - sind der beste Gegengewichtsfaktor. Studien aus den letzten Jahren belegen klar: Je stabiler das Selbstbild, desto geringer das Risiko für gestörtes Essverhalten.
Sie begleiten den "Bluey Tag" im Disney Channel. Was ist für Sie das Besondere an dieser Serie?
Dr. Gatinho: "Bluey" ist ehrlich und nah dran an der Realität von Familien. Die Serie zeigt Eltern, die Fehler machen, Kinder, die fühlen, und Momente, die einfach echt sind. Das ist selten in der Kinderunterhaltung. Pädagogisch wertvoll ist "Bluey", weil die Geschichten aus dem Alltag kommen, ohne Druck, ohne Moral. Kinder sehen: Spielen bedeutet Lernen, und Familie bedeutet Miteinander, nicht Perfektion.
Ab wann sollten Kinder frühestens fernsehen, und wie lange höchstens pro Tag?
Dr. Gatinho: Die aktuelle Studienlage und Empfehlungen der AAP (American Academy of Pediatrics) und des BIÖG (Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit) sind eindeutig: Unter zwei Jahren sollte auf Bildschirmmedien weitgehend verzichtet werden. Ab etwa drei bis vier Jahren sind kurze, kindgerechte Inhalte - etwa 20 bis 30 Minuten täglich - in Begleitung der Eltern unproblematisch. Entscheidend ist, dass Medien bewusst genutzt werden und in ein aktives, abwechslungsreiches Familienleben eingebettet sind. Inhalte wie bei "Bluey" sind dabei ein positives Beispiel: ruhig erzählt, humorvoll, empathisch - und sie regen Kinder dazu an, das Gesehene im echten Leben nachzuspielen.
Abschließend gefragt: Was ist Ihr wichtigster Rat für Eltern?
Dr. Gatinho: Gesundheit entsteht nicht durch Perfektion, sondern durch Balance. Kinder brauchen Bewegung, Nähe, Spiel und gemeinsames Essen. Das sind die besten Grundlagen für Körper und Seele. Wenn Familien miteinander lachen, reden und einander ernst nehmen, wachsen Kinder gesund auf: innerlich wie äußerlich.
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