Kinder immer im digitalen Blick

Egal ob Personal-Tracker, Trackyourkid oder Protect-Systems: Elektronische Ortungsgeräte zeigen Eltern im Internet den Standort ihrer Kinder an. Auf der Cebit werden einige von ihnen zu sehen sein.
Kinder sind Entdecker. Erst erforschen sie nur die elterliche Wohnung, später Stadtviertel und Wälder. Spätestens dann leben viele Eltern in Sorge: Das Kind könnte sich verlaufen, im Wald an einem einsamen Fleck verletzt werden oder - schlimmstenfalls - in die Hände eines Unbekannten geraten, der Böses vorhat.
Diese Ängste sollen Ortungsgeräte und -dienste nehmen. Entweder wird das Kind mit einem speziellen Gerät ausgestattet oder der Standort des Handys angezeigt. Eltern können dann im Internet sehen, wo sich ihr Nachwuchs aufhält. Sicherheit bieten die Geräte aber nicht, sagen Experten. Der Einsatz sollte gut überlegt sein. Auf der diesjährigen Cebit, die vom 3. bis zum 8. März in Hannover stattfindet, werden verschiedene Geräte zur Ortung von Kindern zu sehen sein. Ein Anbieter ist Protect-Systems aus Bremen. Die Ortung erfolgt über ein kleines Gerät, das die Kinder bekommen. Über Assistant GPS (AGPS) lasse sich die Position sowohl draußen als auch in Räumen bestimmen. Das Gerät verfügt außerdem über Knöpfe mit eingespeicherten Kurzwahlen und einen SOS-Knopf für einen SMS-Notruf.
Personal-Tracker Zonenüberwachung
Sind Sohn oder Tochter nicht erreichbar, können Eltern eine Nummer anwählen. Bis auf 30 Meter hören sie dann alles, was gesprochen wird, erklärt Wolfgang Lingott, Vorstandsvorsitzender von Protect-Systems. «So sollen gefährliche Situationen erkannt werden.» Der Personal-Tracker von Datcom aus Schlüchtern verfügt ebenfalls über Notruftasten und Knöpfe, die mit Telefonnummern belegt werden können. Dem Anbieter zufolge kann der Standort der Person auf einer Karte oder auf einem Satellitenbild angezeigt werden. Außerdem lasse sich eine Zonenüberwachung aktivieren. Beim Überschreiten der Zone werde eine automatische Benachrichtigung versandt. «Bislang wird der Personal Tracker vorwiegend von Sicherheitsdiensten genutzt», sagt Ralf Hoffmann von Datcom. Es sei aber auch denkbar, dass das Gerät im Schulranzen liegt.
Trackyourkid in der Sim-Karte
Ein anderes System bietet JackMobile aus Gelsenkirchen an. Bei Trackyourkid wird das Handy geortet, entsprechend ist kein Extragerät erforderlich. Mit einem speziellen Text an den Netzbetreiber werde die Sim-Karte für die Ortung freigeschaltet, erklärt Kundenbetreuerin Peggy Otto. Bei der Anmeldung würden die Handynummern der Eltern angegeben, nur sie könnten das Kindergerät orten. Alternativ lasse sich der Standpunkt des Kindes im Internet anzeigen. «Die Handyortung funktioniert überall, wo es Handyempfang gibt», sagt Otto. Bis auf 50 Meter könne der Standort bestimmt werden. Die Nachfrage ist laut Peggy Otto hoch. «Die Grundangst der Eltern, dass ihrem Kind etwas passiert, ist verständlich», sagt Prof. Bärbel Kracke, Entwicklungspsychologin an der Universität Erfurt. Ekkehard Mutschler glaubt aber, dass Ortungsgeräte eine trügerische Sicherheit geben. «So ein Gerät kann immer nur ein Hilfsmittel sein», sagt das Vorstandsmitglied des Deutschen Kinderschutzbundes in Berlin.
«Aufsichtspflicht nicht auf ein Gerät übertragen»
Denn ein Gerät könne immer ausfallen. Oder die Kinder lassen es irgendwo liegen. «Eltern können ihre Aufsichtspflicht nicht auf ein Gerät übertragen», sagt Mutschler. Prof. Kracke glaubt, dass zum Beispiel Sicherheitstrainings, in denen Kinder lernen, in kritischen Situationen laut um Hilfe zu rufen, sinnvoller sind.
Mutschler rät Eltern zu hinterfragen, wovor genau sie Angst haben: Denn so groß wie viele glauben, ist das Risiko, dass ein Kind von einer fremden Person entführt und misshandelt wird, nicht. Laut der polizeilichen Kriminalstatistik seien in den vergangenen Jahren jährlich zwei bis fünf Kinder zwischen sechs und 14 Jahren Opfer von Sexualmorden geworden, sagt Theresia Höynck vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen in Hannover. «Die meisten Übergriffe passieren im privaten Umfeld. Und davor schützt auch die Technik nicht», sagt Mutschler. Kinder im Schulalter müssten selbstständig spielen können. «Für die kindliche Entwicklung ist es ganz wichtig, dass Kinder Geheimnisse haben», erklärt Mutschler. Dazu gehöre eben auch, dass sie sich gelegentlich an Orten aufhalten, von denen ihre Eltern nichts wissen.
Freiheit für die Eltern
Nach Angaben von JackMobile ist auch das mit trackyourkid möglich. Theoretisch könne das Kind jederzeit selbstständig per SMS den Dienst und die Ortungsmöglichkeiten ausschalten. Außerdem funktioniere die Ortung nur bei eingeschaltetem Handy. Schließlich lasse sich einstellen, dass das Kind nach jeder Ortung eine SMS bekommt, sagt Otto. Wollen Eltern ein Ortungsgerät anschaffen, sollten sie das mit ihrem Kind besprechen, rät Prof. Kracke. Dazu gehöre auch, darüber zu reden, was passiert, wenn das Kind eben einmal nicht zu erreichen ist oder einen Fehlalarm gibt. «Das kann Eltern in große Angst versetzen», sagt sie. Spätestens im Jugendalter mit etwa zwölf Jahren sollten sich die Kinder dann wirklich frei bewegen können. Das bedeute letztendlich auch Freiheit für die Eltern: «Die haben doch auch ein Leben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Lust haben, permanent den Radius ihrer Kinder zu kontrollieren.» (Carina Frey/dpa)