Kanaren: Angst vorm Öl im Ferienparadies
LANZAROTE Was ist schon schlimm daran, wenn die Erde ein wenig wackelt? Zwischen Marokko und den Kanarischen Inseln liegt Öl im Meeresgrund. Es soll jetzt gefördert werden – auch, wenn dadurch die Gefahr von Erdbeben steigt.
Unter anderem der britisch-türkische Ölkonzern Genel Energy und die schottische Cairn Energy wollen an die Vorräte. Die Menschen auf den Kanaren sind entsetzt. „Unsere Inselgruppe steht nicht zum Verkauf“, sagt Paulino Rivero, der Präsident der Regionalregierung der Inselgruppe.
Er und Umweltschutzorganisationen haben bei der EU-Kommission gegen die Borhungen Einspruch erhoben. Sie fürchten, dass das Wasser im Urlaubsparadies verschmutzt werden könnte, oder das es zu unkontrollierten Erdbewegungen kommt. Dies wäre ein wirtschaftliches Desaster. Immerhin erwirtschaften die Kanaren mit dem Tourismus 30 Prozent ihres Bruttosozialproduktes.
Die Behörden der Region hoffen auf einen ähnlichen Sieg gegen die Öl-Lobby wie im Jahr 2004. Damals stoppte der Oberste Gerichtshof in Madrid Bohrungen, die der damalige Ministerpräsident Aznar José María Aznar drei Jahre zuvor genehmigt hatte. Schon damals ging es um die Frage, ob der Ökologie genügend Rechnung getragen werde. Später beantragte der spanische Energiekonzern Repsol weitere Probebohrunge, bekam aber von Madrid keine Erlaubnis – nicht, weil die Regierung die Umwelt schone wollte, sondern weil sie einen Interessenskonflikt mit Marokko fürchtete. Das nordafrikanische Land will die Vorkommen ebenfalls anzapfen.
In Zeiten der wirtschaftlichen Krise verzichtet die Regierung Rajoy auf diplomatische Rücksichtnahme. 2012 durfte Repsol 60 Kilometer vor der Küste von Fuerteventura und Lanzarote Probebohrungen vornehmen. Jetzt steht die Ausbeute der Vorkommen an. Die Zahlen sind beeindruckend: Fachleute schätzen das Vorkommen in 3500 Meter Tiefe auf eine Milliarde Barrel Öl. Sollte alles klappen, wie es die Erdölfirmen planen, könnte Spanien damit zehn Prozent seines nationalen Bedarfs an Öl decken. Einfuhren im Wert von 30 Milliarden Euro jährlich würden eingespart. Bisher muss Spanien fast seinen gesamten Ölhunger über Importe stillen.
Der spanische Industrieminister José Manuel Soria rechnet mit einem veritablen Öl-Boom, der zehntausende Arbeitsplätze schaffen könne. Zurzeit ist jeder dritte Arbeitnehmer auf den Kanaren ohne Job. Auch die deutsche RWE Dea würde an der Förderung beteiligt. Der Reiseriese Tui allerdings fürchtet genauso wie Paulino Rivero um die Attraktivität der Inseln. Eine Ölkatastrophe wie der Unfall der Bohrinsel „Deepwater Horizon“ im Golf von Mexiko würde das Image der Kanaren nachhaltig beschädigen, heißt es bei TUI. sun